Jena – Die EU sieht jeden in Europa produzierten Liter Rapsöl als nachhaltig an, das heisst mit einer Einsparung an Treibhausgasen von mindestens 35 Prozent gegenüber fossilen Treibstoffen. Dass diese Annahme falsch ist, zeigen Forscher der Universität in Jena. «Biodiesel aus Rapsöl ist nicht per se eine Form der nachhaltigen Energieversorgung», resümiert Studienleiter Gernot Pehnelt gegenüber pressetext die Ergebnisse.
EU-Berechnung falsch
Biokraftstoffe müssen mindestens 35 Prozent weniger Treibhausgase emittieren als fossile Kraftstoffe, hat die EU-Kommission bereits 2009 in der «Renewable Energy Directive» (RED) festgesetzt. Ab 2017 wird dieser Prozentsatz auf 50 erhöht, womit das 2020-Ziel eines zehnprozentigen Anteils der erneuerbaren Energien im Mobilitätssektor erreicht werden soll. Laut den EU-Erhebungen erfüllt das den Treibstoffen beigemischte Rapsöl die derzeitigen Vorgaben. Die Jenaer Forscher kommen allerdings zu anderen Ergebnissen.
«Wir haben neben den Ausgangsdaten, auf die sich die EU-Kommission beruft, weitere verlässliche wissenschaftliche Quellen ausgewertet und mit fast identischen Berechnungsmodellen nochmals überprüft», erklärt Pehnelt. Berücksichtigt wurden dabei alle einzelnen Produktionsschritte, angefangen von der Bodensäure des Feldes über Dünge- und Pestizideinsatz bis zu den verschiedenen Techniken der Raffination und Esterherstellung, wobei Pehnelt mit seinem Kollegen Christoph Vietze stets von konservativen Basiswerten ausging.
Grüner Protektionismus
Die zwölf Szenarien, die sich daraus ergaben, zeigen zwischen 25 und 40 Prozent CO2-Einsparung gegenüber fossilen Treibstoffen. Die meisten lagen dabei jedoch unter der Grenze von 35 Prozent. «Unter normalen Produktionsbedingungen kann der Grenzwert kaum erreicht werden. Die EU-Berechnungen sind überzogen und eher politisch statt wissenschaftlich erhoben», sagt der Forscher. Es sei nicht auszuschliessen, dass durch die spezifische Ausgestaltung und Berechnung im Rahmen der RED heimische Biokraftstoffe vor Importen anderer Biodiesel-Quellen wie Soja, Mais oder Palmöl geschützt werden soll.
Gegenüber dem Blog des Wissenschaftsjournals Science verweist ein Sprecher der EU-Kommission darauf, dass «verschiedene Untersuchungen zu anderen Ergebnissen kommen, je nachdem, von welchen Annahmen man ausgeht.» Die EU-Daten würden auf Aussagen international führender Experten und öffentlich verfügbaren Daten basieren. Pehnelt wirft jedoch ein, dass selbst in seiner Studie Umwelt- und Sozialeffekte den Wandel der indirekten Landnutzung durch Raps noch gar nicht berücksichtigen, die die Bilanz weiter verschlechtern könnten.
Treibstoff mit Ablaufdatum
Bei der in fünf Jahren bevorstehenden Erhöhung der vorgeschriebenen CO2-Einsparung auf 50 Prozent wird Raps «nicht einmal unter Idealbedingungen bester Erträge» dieses Nachhaltigleitskriterium erfüllen können, sagt Pehnelt. Importe aus anderen Quellen wie Palmöl seien dann unvermeidbar, um die Beimischungs- und Reduktionsziele zu erreichen. «Es ist mithin fraglich, ob Biokraftstoffe tatsächlich zu einer Säule der CO2-Senkung werden können. Unabhängig davon sind die Effekte des subventionierten Anbaus von Raps und anderen Bioenergiepflanzen auf Natur und Landwirtschaft in Mittel- und Westeuropa bereits enorm», so der Jenauer Experte für Wirtschaftspolitik. (pte/mc/ps)
- Link zur Studie unter http://bit.ly/O8hq7l