Von Nick Clay, Portfoliomanager, Redwheel Global Equity Income Fonds
Die jüngsten Probleme im US-Bankensystem sind ein deutlicher Beweis dafür, dass Banken immer empfindlicher auf betriebliche Herausforderungen reagieren. Die Dividenden können dadurch rasch gekürzt werden.
Dividenden sind für viele Aktienanleger eine wichtige Erwägung. Im Laufe der Jahre hat die Grundlagenforschung jedoch gezeigt: Selbst geringfügige Änderungen der operativen Bedingungen, mit denen kapitalintensive Unternehmen wie Banken konfrontiert sind, können die Dividendenzahlungen schnell untergraben. Finanzielle Verschuldung, politische Einmischung und die Auswirkungen von Technologie, Sozialen Medien und Globalisierung erschweren das Verständnis und die Antizipation dieser betrieblichen Veränderungen.
Empfindlichkeit gegenüber kleinen Veränderungen
Die Kombination aus Kapitalintensität und finanzieller Hebelwirkung bedeutet, dass winzige Veränderungen bei notleidenden Krediten (Non-Performing Loans, NPL) das Eigenkapital rasch aufzehren können. Bei einem Verhältnis von Vermögenswerten zu Eigenkapital von 10 bis 40x ist das Eigenkapital in der Regel ein sehr kleiner Bestandteil der Bilanz. So musste der Anteil von NPLs an den gesamten Krediten bei der Royal Bank of Scotland während der Finanzkrise auf nur 1,3% steigen, um das Institut zum Paradebeispiel einer Bankenrettung im Vereinigten Königreich zu machen.
Die Empfindlichkeit gegenüber kleinen Veränderungen zeigt sich auch in der Häufigkeit von Zusammenbrüchen: Die Daten der Federal Deposit Insurance Corporation (FDIC) zeigen die Erfahrungen in den USA seit 2001 – in diesem Zeitraum sind 564 US-Banken gescheitert. Dies entspricht einem Durchschnitt von 24,5 pro Jahr.
Stresssituationen meistern
Dies betrifft nicht nur kleine und mittlere Banken: Von 2008 und 2009 steckte das US-Finanzministerium 200 Mrd. US-Dollar in Hunderte von Banken. Darunter waren denn auch so illustre Namen wie Wells Fargo, J.P. Morgan, Bank of America, Goldman Sachs, Citigroup, Morgan Stanley, Bank of New York Mellon und State Street.
Politische Einmischung und staatliche Rettungsaktionen haben langfristige Auswirkungen auf die Kapitalallokation und die Dividendenzahlungen. Wie in den Jahren nach der globalen Finanzkrise gesehen, verschärft sich die Regulierung, die Kapitalanforderungen steigen und die Fähigkeit zur Dividendenausschüttung wird geschwächt. Ausserdem wird es politisch sehr schwierig für Banken, Kapital an die Aktionäre zurückzugeben, wenn sie durch Steuergelder gerettet wurden.
Staatlicher Zwang und sein Einfluss auf die Kapitalallokation können auch in anderer Form auftreten: In Stresssituationen können Banken zu Übernahmen gezwungen werden, deren Bedingungen nur selten günstig sind. So wurde etwa Lloyds auf dem Höhepunkt der weltweiten Finanzkrise 2008/09 zum Kauf der angeschlagenen Halifax Bank of Scotland (HBOS) ermuntert. Jüngst war die UBS zum Kauf der angeschlagenen Credit Suisse gezwungen.
Empfindlicher auf Herausforderungen
Die jüngsten Probleme im US-Bankensystem sind ein deutlicher Beweis dafür, dass die Banken immer empfindlicher auf betriebliche Herausforderungen reagieren. Bei der grössten Bankenpleite in der Geschichte der USA von 2008 dauerte es zwei Wochen, bis Einlagen in Höhe von mehr als 17 Mrd. Dollar aus Washington Mutual abgeflossen waren.
2023 verlor die Silicon Valley Bank das 2,5-Fache an einem einzigen Tag. Dies zeigt deutlich, dass das Verhalten der Einleger in einer von den Sozialen Medien bestimmten Welt mit erschreckender Geschwindigkeit korrelieren kann. Und ironischerweise sind es die Banken selbst, die mit ihren Online-Banking-Apps und -Technologien die Voraussetzungen dafür geschaffen haben.
Aufgrund der Empfindlichkeit der Erträge und Bilanzen gegenüber Veränderungen bei den NPLs sind Banken für unsere Anlagestrategie immer dann interessant, wenn diese einen Höchststand erreichen. Denn dann können überdurchschnittliche Renditen erzielt werden. Allerdings erfordert dies einen sehr aktiven Ansatz, da Dividenden zu diesem Zeitpunkt im Zyklus häufig ausgesetzt oder gekürzt werden. Wenn sich die NPLs wie aktuell auf einem Rekordtief befinden, sind Gelegenheiten dagegen rar. Insofern gilt: besser zweimal hinschauen. (Redwheel/mc/ps)