Referenzpreise bei Medikamenten – Gift für die Versorgungssicherheit
Sind Versorgungsengpässe bei Medikamenten in der hochentwickelten Schweizer Wirtschaft nur Angstmache oder ein realistisches Szenario? Fakt ist, sie sind schon längst Realität – und sie verschlimmern sich zunehmend.
Gemäss einer aktuellen Studie des Basler Unispitals gibt es in der Schweiz schon heute bei rund 200 Medikamenten Lieferengpässe. Medikamentenengpässe gibt es demnach nicht nur bei Antibiotika und Impfstoffen, sondern bei nahezu allen Medikamenten. Die Studie zeigt auch, dass die Lieferengpässe immer länger dauern – bis zu einem Jahr.
Höherer Aufwand für Fachpersonen
Versorgungsengpässe bedeuten nicht nur für die betroffenen Patienten ein Problem, sondern auch einen enormen Zusatzaufwand für die Ärzte und Apotheker. In einem SRF-Beitrag vom August diesen Jahres wird der an dieser Studie beteiligte Chefapotheker Christoph Meier vom Unispital Basel wie folgt zitiert: «Man telefoniert, man faxt, man mailt, man sucht in der ganzen Welt, bei Grossisten, bei anderen Firmen, bei spezialisierten Importeuren, es gibt Zollformalitäten zu erledigen.» Statt sich auf ihre Arbeit und ihre Patienten konzentrieren zu können, sind Schweizer Fachpersonen also zunehmend mit Troubleshooting in der Beschaffung beschäftigt. Hinzu kommt, dass der kleine Schweizer Markt bei Medikamentenknappheit nicht unbedingt zuoberst auf der Prioritätenliste internationaler Pharmafirmen steht und andere Länder bei der Zuweisung von knappen Medikamenten bevorzugt werden. Chefapotheker Meier befürchtet, dass bald nicht nur die Spitalapotheken unter dieser Entwicklung leiden, sondern auch die Patientinnen und Patienten. «Das Problem wird sich in nächster Zeit wahrscheinlich verschlimmern.» Es könne sein, dass Patienten statt eines Medikaments der ersten Wahl eines der dritten oder vierten Wahl erhalten, weil nur noch diese erhältlich seien.
Hoher Preisdruck verdrängt Anbieter aus dem Markt
Lieferengpässe – wie kann es in einem so hochentwickelten Land wie der Schweiz überhaupt soweit kommen? Ein Grund liegt in einem anhaltenden Druck auf Medikamentenpreise. Bei zu niedrigen Preisen, wie das am Beispiel von Referenzpreissystemen aus dem Ausland bekannt ist, wird die Herstellung von Medikamenten an einem Punkt für viele Anbieter schlichtweg nicht mehr attraktiv, was zu deren Rückzug aus dem Markt führen kann. Es drohen Oligo- oder gar Monopole und damit die Abhängigkeit der Versorgung von wenigen Anbietern – auch bei lebenswichtigen Medikamenten wie Antibiotika. Als Folge von zentralisierten Herstellungsprozessen kann es passieren, dass eine einzige Firma in irgendeinem Land der Welt ein Medikament herstellt. Wenn dort zum Beispiel ein Brand passiert, kann dies schnell mal zu einem Lieferengpass von einem halben oder ganzen Jahr führen.
Referenzpreise – ein Pyrrhussieg
Neben dem Wegfall der Wahlfreiheit bei Medikamenten würde die Einführung eines Referenzpreissystems also erhebliche Risiken für das Schweizer Gesundheitssystem in Form von Verschlechterungen bei der Versorgungssicherheit mit sich bringen. Weitere Erfahrungen aus der EU zeigen, dass die Gesundheitskosten durch die Einführung von Referenzpreisen bei Generika nur kurzfristig gesenkt werden. Längerfristig steigen die Kosten aber, weil die Ärzte eher wieder teurere Originalpräparate verschreiben. Der Grund ist, weil sie schlichtweg keine Zeit dafür haben, Patienten das komplizierte Referenzpreissystem zu erklären und ihnen die Zuzahlung in der Apotheke ersparen wollen.
Geschlossen gegen ein Referenzpreissystem
Diese Erfahrungen vor Augen warnen wir vor der Einführung des aktuell vom Bundesrat geprüften Referenzpreissystems für Medikamente in der Schweiz. Ärzte und Apotheker wären der Wahlfreiheit beraubt und müssten immer gerade das günstigste Präparat verschreiben oder abgeben, um ihren Patienten die Zuzahlung in der Apotheke zu ersparen. Auch ein ständiger Wechsel auf das jeweils günstigste Präparat führt zu Verwechslungen und versehentlichen Mehreinnahmen mit einer erhöhten Nebenwirkungsgefahr. Einer kurzfristigen Senkung der Medikamentenpreise stünden langfristige Mehrkosten im Gesundheitssystem gegenüber. Unter der Schirmherrschaft von Intergenerika hat sich deshalb eine Allianz „Nein zu Referenzpreisen bei Medikamenten“ der wichtigsten Stakeholder des Schweizerischen Gesundheitssystems formiert, um die Einführung dieses für die Schweiz völlig ungeeigneten Systems zu verhindern.