Jeder neunte Manager in Europa würde im Notfall für Aufträge Bargeld zahlen. (Foto: Bernad – Fotolia.com)
Zürich – Im Südosten Europas ist Korruption besonders stark verbreitet: Kroatien, Slowenien und Serbien belegen im europäischen Korruptionsranking die ersten drei Plätze – dort sind 92, 87 bzw. 84 Prozent der Manager der Meinung, Korruption sei im Wirtschaftsleben an der Tagesordnung. In der Schweiz halten 12 Prozent der Manager Korruption für weit verbreitet – damit belegt die Schweiz Rang 4 im Ranking. Besser stehen nur die skandinavischen Länder Finnland, Schweden und Dänemark da.
Im Zwei-Jahres-Vergleich ist die Korruptionswahrnehmung in der Schweiz leicht gestiegen: 2013 war Korruption hierzulande noch laut 10 Prozent der Manager weit verbreitet.
Trotz dieser positiv stimmenden Zahl: In Sachen Compliance – also der Einhaltung von Gesetzen und Richtlinien – klaffen Anspruch und Wirklichkeit in der Schweiz offenbar auseinander: Zwar liegt die Zahl der Unternehmen mit eigenen Antikorruptionsrichtlinien bei aktuell 65 Prozent. Und immerhin bei 26 Prozent der Schweizer Unternehmen wurde gegen Mitarbeiter vorgegangen, die die Antikorruptionsrichtlinie verletzt haben.
Aber knapp jeder vierte Schweizer Manager (22 Prozent) glaubt, dass die Schönung von Finanzergebnissen hierzulande weit verbreitet ist. In Westeuropa gibt es eine steigende Tendenz: 33 Prozent (2013: 31 Prozent) sind der Ansicht, dass Finanzergebnisse besser dargestellt werden, als sie tatsächlich sind.
Zweifel an ethischen Standards in Schweizer Unternehmen
Befragt nach dem eigenen Unternehmen fallen die Bewertungen in der Schweiz eher skeptisch aus – zum Teil schlechter als im internationalen Vergleich. So halten nur 20 Prozent der Befragten die ethischen Standards in ihrem Unternehmen für gut. In Westeuropa tun dies 26 Prozent. Knapp jeder zehnte Manager in der Schweiz (9 Prozent) gibt zudem an, es hätten im eigenen Unternehmen im vergangenen Jahr Verhandlungen mit Lieferanten über rückwirkende Rabatte, Boni oder Preisnachlässe stattgefunden – und liegt damit exakt im westeuropäischen Durchschnitt.
Zu diesen Ergebnissen kommt eine Studie der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft EY, für die knapp 3.800 Finanzvorstände, Leiter der Revision, der Rechtsabteilung und des Compliance-Managements aus 38 Ländern befragt wurden, davon 100 aus der Schweiz.
Michael Faske, Leiter Fraud Investigation & Dispute Services bei EY Schweiz, kommentiert: «Zahlreiche Korruptionsskandale der Vergangenheit haben zu einem Umdenken bei den Unternehmen geführt. Antikorruptionsrichtlinien sind inzwischen in zahlreichen Unternehmen eingeführt worden, Verstösse werden auch zunehmend geahndet. Allein: Zwischen Anspruch und Wirklichkeit klafft oft noch eine grosse Lücke. Denn trotz aller Regeln ist Korruption im Geschäftsleben in der Schweiz nach wie vor nicht gebannt – und vor allem für Unternehmen, die im Ausland aktiv sind, immer noch ein Riesenproblem.»
Zwar haben sich in den vergangenen Jahren immer mehr Unternehmen einem strengen Compliance-Regime unterworfen und klare Antikorruptionsrichtlinien eingeführt. Allerdings wird der Eingriff durch Gesetzgeber und Aufsichtsbehörden vor allem als Belastung für das Unternehmen empfunden – und kaum als Chance wahrgenommen. So sind 53 Prozent der Schweizer Manager der Meinung, dass eine verstärkte Regulierung den Geschäftserfolg des eigenen Unternehmens erschwert. In Westeuropa ist der Anteil mit 40 Prozent deutlich geringer. Gerade einmal 14 Prozent der Schweizer Manager – versus 19 Prozent bei allen Befragten – sehen hingegen positive Auswirkungen der Regulierung auf die Unternehmensergebnisse. Und nur für jeden vierten (24 Prozent) hatten Regulierungsmassnahmen auch tatsächlich einen positiven Einfluss auf die Ethikstandards (Alle Befragte: ebenfalls 24 Prozent).
Hohe Bereitschaft, im Notfall „Fünf gerade sein zu lassen“
Im Falle einer Notlage des Unternehmens würden immerhin 17 Prozent der Schweizer Manager mit dem – verbotenen – Angebot von Zuwendungen versuchen, Aufträge zu akquirieren. Der Schnitt in Westeuropa liegt bei 14 Prozent. Am schlechtesten ist es in dieser Frage um die Moral in Ägypten (38 Prozent), Indien (35 Prozent) und Spanien (31 Prozent) bestellt.
Zu Bargeldzahlungen würden sich mit zwölf Prozent etwas mehr Schweizer Manager hinreissen lassen als im westeuropäischen Durchschnitt (elf Prozent). Anderswo ist die Bereitschaft, Schmiergelder zu zahlen, aber immer noch sehr ausgeprägt: In Oman hätten mit 67 Prozent die meisten Manager kein Problem damit, Bargeldzahlungen anzubieten, in Saudi-Arabien immerhin 42 Prozent. Innerhalb Europas liegen die Türkei und Griechenland mit 43 bzw. 37 Prozent an der Spitze des Rankings.
Vier Prozent der Befragten in der Schweiz halten die Falschdarstellung von Finanzergebnissen selbst in wirtschaftlicher Notlage für gerechtfertigt. In Europa halten drei Prozent ein solches Vorgehen für ein probates Mittel.
Manager sehen sich unter Druck
Viele Manager könnten solche Methoden durch den zunehmenden Druck auf sie als gerechtfertigt ansehen. So stimmen 52 Prozent der Befragten in der Schweiz der Aussage zu, dass Manager unter Druck stünden, neue Geschäftsmöglichkeiten erschliessen zu müssen. 25 Prozent sehen sich unter Druck, in risikoreichere Märkte zu expandieren.
«Schwere Zeiten werden für viele Unternehmen zunehmend zum Normalfall – rechtfertigen aber nicht den Einsatz unsauberer Methoden», sagt Faske. «Grosse Unsicherheit aufgrund politischer Veränderungen in Zielmärkten, erlahmendes Wachstum in einst hoffnungsvollen Schwellenländern sowie Wirtschaftskrisen und militärische Konflikte bedrohen die Unternehmensentwicklung. Die Versuchung, zu unlauteren Mitteln zu greifen, mag da gross sein.»
Faske warnt jedoch: «Die Antikorruptionsbekämpfung wird ressourcenreicher und arbeitet auch über Ländergrenzen hinweg immer besser zusammen – und Verstösse werden geahndet und können für Unternehmen existenzbedrohend sein. Deswegen muss sich jeder Mitarbeiter darüber im Klaren sein: Im Graubereich zu wirtschaften kann keinen nachhaltigen Erfolg bringen, denn der Vertrauensverlust ist kaum wieder gutzumachen.» Umso wichtiger sei die konsequente Ahndung von Vergehen und das Vorleben der Compliance-Werte durch das Management.
«Hinweise aus dem Unternehmen sind fast immer der Auslöser, um Korruptionsfälle aufzudecken. Deswegen müssen in mehr Unternehmen Whistleblower-Hotlines eingerichtet und die dort gemeldeten Vorfälle konsequent verfolgt werden.» (EY/mc/ps)