von Patrick Gunti
Moneycab.com: Herr Heuberger, der Impact Investor Lightrock, hinter dem die liechtensteinische LGT und das Fürstenhaus von und zu Liechtenstein steht, übernimmt eine 10%-Beteiligung an South Pole. Wie kam es zum Engagement von Lightrock?
Renat Heuberger: Klimaschutz ist in den vergangenen Jahren zu einem immer drängenderen Thema geworden. Unsere Firma South Pole, ein Spin-Off der ETH Zürich, ist seit 15 Jahren auf diesem Thema aktiv mit Klima-Lösungen für Firmen und Investitionsmöglichkeiten in Klimaschutz-Projekte auf der ganzen Welt. Die Nachfrage nach unseren Produkten ist massiv angestiegen, und das trotz der COVID-19 Krise. Wir wussten: Um schnell wachsen zu können, brauchen wir neues Kapital. Wir wollten das Kapital aber nicht von irgendwoher, sondern von einem Investor, der unsere Klimaschutz-Vision vollumfänglich teilt. Da sind wir auf Lightrock als idealen Investor gestossen.
Was bedeutet die Beteiligung für South Pole?
Die Beteiligung bedeutet zum einen, dass wir nun noch mit viel mehr Kunden an Klimalösungen arbeiten können, und unser Portfolio an Projekten auf der ganzen Welt nochmals massiv vergrössern können. Wir wollen in Zukunft auch mehrere Klima-Fonds auflegen, die gezielt in CO2-arme Projekte und Technologien investieren. Unser Ziel ist es, bis 2025 mehr als eine Milliarde Tonnen CO2 zu vermeiden. Zum andern können wir vom extrem guten Netzwerk von Lightrock profitieren.
Sie haben South Pole 2006 mit der Überzeugung mitbegründet, dass sich der Privatsektor am Kampf gegen den Klimawandel beteiligen muss, wenn dieser erfolgreich sein soll. Welches waren die ersten Erfahrungen und wie sieht die Realität heute aus?
Man würde ja denken, die Rollen seien klar verteilt: Staaten stellen die Regeln auf, Privatfirmen handeln danach. Im Bereich Klimaschutz, man kann es nicht anders sagen, hat die internationale Staatengemeinschaft jedoch bisher komplett versagt. Noch heute ist es an den meisten Orten fast oder ganz gratis, CO2 in die Luft zu pusten. Deshalb wurde uns bereits als ETH-Studenten klar: Ohne direkte Einbindung des Privatsektors wird diese Transformation nicht zu schaffen sein. Dafür wollten wir Lösungen anbieten. Interessanterweise erleben wir heute eine Umkehrung der Realität: Mehr und mehr grosse Firmen und Investoren verpflichten sich zu einem Netto-Null Ziel, und beginnen ihrerseits, sich bei den Regierungen für strengere Vorschriften und mehr Transparenz einzusetzen. Für Firmen, die heute noch den Klimawandel ignorieren und nicht Teil der Lösung sein wollen, wird es in ein paar Jahren ganz eng.
«Im Bereich Klimaschutz, man kann es nicht anders sagen, hat die internationale Staatengemeinschaft jedoch bisher komplett versagt.»
Renat Heuberger, CEO South Pole
South Pole berät und begleitet 3000 Unternehmen weltweit in Nachhaltigkeitsfragen, darunter auch über die Hälfte der 500 grössten Konzerne der Welt. Gibt es eine übergeordnete Strategie für all diese Unternehmen aus den unterschiedlichsten Branchen?
Unsere Strategie heisst «Climate Journey». Das schöne dabei ist: Jede Firma, ob gross oder klein, und aus welchem Sektor auch immer, kann mitmachen, und zwar gleich ab heute. Der Journey funktioniert, grob gesagt, wie folgt: Zunächst berechnen wir den CO2-Fussabdruck, sowohl in der Firma wie auch in der Wertschöpfungskette. Wir berechnen auch die Klima-Risiken der Firma. Danach identifizieren wir die wichtigen klimarelevanten Themen in einer Firma, welche natürlich je nach Branche sehr unterschiedlich sein können. Wir erarbeiten sodann die Ziele mit der Firma – beispielsweise ein netto-null Ziel oder ein Klimaneutralitäts-Ziel.
Und nun beginnt der wichtige Teil der Reise: Nämlich Jahr für Jahr CO2 zu reduzieren, zu kompensieren, Projekte zu finanzieren, idealerweise unter Einbezug der Kundinnen. An dieser Etappe zeigt sich South Poles DNA als Entwicklerin internationaler Klimaschutzprojekte. Einige unserer Expertinnen arbeiten direkt vor Ort, um konkrete Massnahmen umzusetzen. Mit unserer Erfahrung können wir unseren Kunden sogar dabei helfen, effektiven Klimaschutz direkt in der eigenen Wertschöpfungskette umzusetzen. Zuletzt kommt dann der für viele Kunden schönste Teil der Journey: Eine stolze und überzeugende Kommunikation des Engagements nach innen und aussen, um möglichst viele weitere Firmen zu inspirieren und Mitarbeiter*innen zu begeistern!
Nicht zuletzt aus Imagegründen müssen sich Unternehmen mit dem Thema beschäftigen. Müssen Sie noch Überzeugungsarbeit leisten, oder kommen die Konzerne mehrheitlich auf South Pole zu?
Als wir 2002 mit myclimate und 2006 mit South Pole gestartet sind, wussten viele Unternehmen noch nicht einmal, dass es den Klimawandel gibt. Wir mussten enorm viel Überzeugungsarbeit leisten. Heute haben wir derart viele Anfragen, dass wir mit der Bearbeitung kaum nachkommen. Wir haben seit Ausbruch der COVID-19 Krise unsere Mitarbeiter*innenzahl beinahe verdoppelt auf heute über 500.
Diese haben bis heute fast 1000 Projekte in über 50 Ländern entwickelt, die Treibhausgase einzusparen helfen. Wie gross ist das Spektrum dieser Projekte?
Das Spektrum unserer Projekte ist enorm. Es reicht von Aufforstungen, Waldschutz, Moorschutz, Mangrovenanbau, über Abfall-Management, Biogas-Verstromung, Recycling, bis zu effizienten Kochöfen für ärmere Gegenden sowie erneuerbare Energien und Energieeffizienz-Projekten. Seit kurzem haben wir auch technische CO2-Senken im Programm, das sind Projekte, wo CO2 aus der Atmosphäre gezogen wird zur Speicherung als Holz oder direkt im Boden.
Wie werden diese Projekte finanziert?
Die meisten Projekte werden durch eine Kombination von lokalen und internationalen Geldern finanziert. Das spannende an der CO2-Kompensation ist, dass diese Gelder in Form eines sogenannten «Result-Based-Payments» ausbezahlt werden: Der Vertrag sieht vor, dass der Projektbesitzer pro Tonne eingespartes CO2 einen vereinbarten Geldbetrag bekommt. So entsteht ein starker Anreiz, die Projekte wirklich langfristig zu betreiben.
Nach Jahren der Ignoranz unter Präsident Trump scheinen die USA unter Joe Biden mit dem Kampf gegen die Erderwärmung vorwärts zu machen. Wie beurteilen Sie die Situation in den USA, wo South Pole ebenfalls tätig ist?
In den Geschichtsbüchern wird man wahrscheinlich dereinst lesen können, dass diese 180 Grad Kehrtwendung der USA im allerletzten Moment den Klimaschutz noch auf den Pfad gebracht hat. Man kann die Wichtigkeit gar nicht unterschätzen. Und zwar nicht nur wegen der USA selbst, sondern vor allem auch wegen dem starken Signal, dass hier weltweit ausgesandt wird. Länder wie Russland, Indonesien oder Brasilien werden sich nicht ewig verstecken können, wenn sowohl die EU, China und nun auch die USA zum Klimaschutz bekennen.
«In den Geschichtsbüchern wird man wahrscheinlich dereinst lesen können, dass diese 180 Grad Kehrtwendung der USA im allerletzten Moment den Klimaschutz noch auf den Pfad gebracht hat.»
Der Klimawandel ist spürbar, seit Jahren werden wir täglich mit Schlagzeilen über die Abholzung von Regenwäldern oder schmelzenden Gletschern konfrontiert. Die Probleme erscheinen so gewaltig, dass sich das einzelne Individuum schlicht überfordert sieht. Wie wirken Sie diesem Phänomen entgegen?
Es ist tatsächlich nicht immer einfach, ob all dieser Katastrophen nicht den Mut zu verlieren. Wichtig zu wissen ist aber, dass wir durchaus Erfolge erzielen. Denken Sie zum Beispiel an die erneuerbaren Energien: Wer hätte vor 15 Jahren geglaubt, dass die so schnell und global zur günstigsten Energiequelle würden? Oder denken Sie an nachhaltige Geldanlagen: Auf Klimaschutz optimierte Fonds verzeichnen weit höheren Zufluss an finanziellen Mitteln als klassische Fonds. Es gibt sehr viele inspirierende Neuigkeiten, die leider in den Medien oft nicht den gebührenden Platz erhalten. Wir sind auf dem richtigen Weg – aber jetzt müssen wir nochmals massiv beschleunigen.
«Natürlich kann man die Wissenschaft auch ignorieren – aber wie COVID-19 zeigt, trägt das nicht zu einer höheren Lebenserwartung bei.»
Trotz Coronapandemie ist die Nachfrage nach Klimaschutzlösungen im letzten Jahr weiter gestiegen. Wie gross ist die Erkenntnis, dass die Krise auch eine Chance sein kann, die Wirtschaft klimafreundlicher zu gestalten?
Tatsächlich hat COVID-19 die Klimadebatte nochmals befeuert, und nicht gebremst. Wir glauben, dass hier noch zwei weitere Faktoren eine Rolle spielen: Firmen erkennen, dass man gegenüber globalen Risiken gut vorbereitet sein muss, wenn man sogar gestärkt daraus hervorgehen will. Wir sehen auch, dass eine klare Mehrheit wieder verstärkt auf wissenschaftliche Erkenntnisse hört. Natürlich kann man die Wissenschaft auch ignorieren – aber wie COVID-19 zeigt, trägt das nicht zu einer höheren Lebenserwartung bei.
Wie sehen Sie die Rolle der Politik? Bei der Pandemie hat sie sehr schnell gehandelt und weitgreifende Massnahmen ergriffen, die von einem Grossteil der Bevölkerung auch akzeptiert wird. Wäre das nicht auch in Klimafragen möglich?
Wenn die UBS oder die Swissair morgen pleite gehen, oder wenn die Grossmutter schon morgen an COVID-19 erkranken könnte – dann geht alles sehr schnell. Beim Klima besteht die Gefahr, dass man stets auch noch einen Tag zuwarten könnte. Diese Haltung ist brandgefährlich. Die EU z.B. hat mit dem «European Green Deal» aber bereits einen Fahrplan für eine nachhaltige Wirtschaft vorgelegt, mit dem Ziel, bis 2050 keine Netto-Treibhausgasemissionen mehr freizusetzen. In der Schweiz bietet sich nun die Chance, am 13. Juni ein wuchtiges JA für das CO2-Gesetz einzulegen!
Herr Heuberger, herzlichen Dank für das Interview.