Fliegende Tankstellen könnten Luftverkehr revolutionieren

Fliegende Tankstellen könnten Luftverkehr revolutionieren

(Foto: cruiser-feeder.eu)

Zürich – Langstreckenflugzeuge sollen künftig mit wenig Treibstoff starten und erst in 10’000 Metern Höhe vollgetankt werden. Auf diese Weise liesse sich rund 20 Prozent Kerosin einsparen. In einem europäischen Forschungsprojekt hat die ZHAW Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften zusammen mit Partnerinstitutionen aus fünf Ländern ein solches Konzept für die Luftfahrt entwickelt. 

In Sachen Energieeffizienz ist bei Flugzeugen noch viel Luft nach oben: Denn auch modernste Langstreckenflugzeuge wie der Airbus A380 oder die Boeing 787 sind – nüchtern betrachtet – ineffiziente Verkehrsmittel. Ein Grund dafür ist der volle Treibstofftank beim Start. Die Kerosinvorräte machen rund ein Drittel des Gesamtgewichts aus. Das Zentrum für Aviatik (ZAV) der ZHAW School of Engineering hat deshalb im Rahmen eines europäischen Forschungsprojektes ein Szenario geprüft, das bisher nur aus der Militärluftfahrt bekannt war: die Betankung während des Fluges.

Tankflugzeuge kreisen in der Luft
Unter dem Kürzel RECREATE (Research for a CRuiser Enabled Air Transport Environment) haben ZHAW-Forschende zusammen mit dem internationalen Forschungsteam während dreier Jahre ein sogenanntes ‚Cruiser-Feeder‘-Konzept für den Luftverkehr untersucht. Dieses sieht vor, dass Langstreckenflugzeuge mit einem gering gefüllten Tank und somit erheblich geringerem Gewicht starten und erst auf der Reiseflughöhe vollgetankt werden. Dabei sollen Tankflugzeuge zum Einsatz kommen. „Damit die Tankflugzeuge den eingesparten CO2-Austoss nicht aufheben, würden sie Kerosin für drei bis fünf Linienflugzeuge mitführen und lokal kreisen“, erklärt Leonardo Manfriani, der das Projekt seitens der ZHAW leitet.

„Diese fliegenden Tankstellen sollten einerseits weit genug von Siedlungen entfernt sein, andererseits direkt an den wichtigen Flugstrecken liegen. Dafür wäre bei Transatlantikflügen beispielsweise der Atlantik östlich von Kanada und südlich von Grönland günstig.“ Den Berechnungen der Forschenden zufolge liessen sich auf diese Weise insgesamt rund 20 Prozent an Kerosin einsparen.

Betankung am Simulator getestet
Im Rahmen des Projektes haben die Forschenden nachweisen können, dass ihr Konzept technisch umsetzbar ist. Berufspiloten testeten die Luftbetankung im Simulator erfolgreich. „Mittels Simulationen haben wir untersucht, wie sich das Tanken in der Luft am sichersten gestalten lässt. Denn anders als bei der Luftwaffe sollen Piloten in der zivilen Luftfahrt möglichst ohne zusätzlichen Schulungsaufwand auskommen, um Tankmanöver in der Luft ausführen zu können“, so Leonardo Manfriani. Damit der Betankungsvorgang in der Luft vollständig computergesteuert ablaufen kann, haben die ZHAW-Forschenden unter Berücksichtigung der Luftströme einen speziellen Tankausleger designt und aufgebaut.

Ohne Stopp von Zürich nach Sydney
Mit ihrer Studie beweisen die Forschenden aber nicht nur die Machbarkeit, sondern auch, dass damit die heutigen Lufttüchtigkeits- und Sicherheitsanforderungen erfüllt werden können. Zudem liesse sich mit dem Konzept der Luftbetankung nicht nur Kerosin einsparen, sondern auch zusätzlicher Komfort für die Reisenden schaffen: Flüge rund um die Welt wären sogar für kleinere Flugzeuge ohne Zwischenlandungen möglich, was wiederum die Knotenpunkte des interkontinentalen Luftverkehrs entlasten könnte. Ein weiterer positiver Nebenaspekt der Luftbetankung wären geringere Lärmemissionen an Flughäfen, so Leonardo Manfriani: „Je grösser und schwerer das Flugzeug, desto lauter ist die Geräuschentwicklung beim Start. Anwohner in Flughafennähe würden also auch von der Luftbetankung profitieren.“

Futuristische Vision
Die Forschenden sind in einer zweiten Projektphase noch einen Schritt weitergegangen und haben ihr ‚Cruiser-Feeder‘-Konzept um eine Vision erweitert: riesige Passagierflugzeuge könnten ohne Zwischenlandung mehrmals die Welt umrunden und den benötigten Treibstoff dabei von kleineren Flugzeugen während des Flugs erhalten. In ferner Zukunft könnten also zudem Gepäck, Abfälle und selbst Passagiere zwischen den Flugzeugen ausgetauscht werden, sodass eine Art „Metro der Lüfte“ entstehen würde. (ZHAW/mc/pg)

Über das Projekt
Das Projekt „RECREATE“ ist eine Zusammenarbeit zwischen neun europäischen Universitäten und Forschungseinrichtungen aus fünf Ländern unter der Leitung des Nationalen Luft- und Raumfahrtlabors der Niederlande (NLR). Die ZHAW School of Engineering mit ihrem Zentrum für Aviatik ist dabei einzige Partnerinstitution aus der Schweiz.

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