REYL Intesa Sanpaolo: Nachhaltig Anlegen inmitten geopolitischer Turbulenzen

Von Jon Duncan, Chief Impact Officer, REYL Intesa Sanpaolo
Die aktuellen Anti-ESG-Schlagzeilen spiegeln die Grenzen der Unternehmensrhetorik wider. Aber keinesfalls, dass die Wissenschaft der Nachhaltigkeit gescheitert wäre.
Die Wahlen des letzten Jahres zeigen deutlich, dass sich der globale geopolitische Kontext auseinanderentwickelt. Der Internationale Währungsfonds beschreibt dies als «einen Kreislauf des grenzüberschreitenden Misstrauens zwischen den drei grossen Volkswirtschaften, der die Forderung nach Eigenständigkeit nährt und von kleineren Volkswirtschaften verlangt, sich für eine Seite zu entscheiden». Für das nachhaltige Investieren bedeutet die Fragmentierung der Welt ein Hindernis für kollektives Handeln in globalen Umwelt- und Sozialfragen. In Europa gibt es eindeutige Anzeichen für eine abnehmende Unterstützung grüner, politischer Parteien. Jenseits des Atlantiks hat Präsident Trump bereits seine Absicht angekündigt, aus mehreren weltweit geltenden Klimavereinbarungen auszusteigen. Die Unternehmen sind ihm inzwischen gefolgt.
Gleichzeitig greifen die Rückversicherer weiterhin die Risiken der Volatilität der biophysikalischen Systeme auf und melden für 2024 ein erhöhtes Schadenniveau bei Naturkatastrophen. Es wäre daher ein Fehler, die Anti-ESG-Schlagzeilen als Beweis dafür zu deuten, dass die Wissenschaft der Nachhaltigkeit gescheitert ist. Vielmehr spiegeln sie eine nüchterne Abschätzung der Grenzen der Unternehmensrhetorik in einer Welt wider, in der externe Effekte nur unzureichend bepreist werden, der regulatorische Zusammenhalt gering ist und kaum Einigkeit über Prioritäten besteht.
China nicht vergessen
Aus der Perspektive der Klimavorreiter ist die Änderung der Haltung der USA weder neu noch dauerhaft. Sie erlaubt es Präsident Xi jedoch, China als den «wahren globalen Führer» des Übergangs zu einer grünen Wirtschaft zu positionieren. China ist weltweit führend sowohl bei der Verarbeitung grüner Mineralien als auch bei der Herstellung von Technologien für eine grüne Wirtschaft. Die Ironie dabei ist, dass diese grüne Dominanz auf einer äusserst kohlenstoffintensiven Verarbeitungs- und Produktionskapazität beruht, die vor allem durch Chinas Abhängigkeit von Kohle bedingt ist.
Die absoluten jährlichen Emissionen Chinas und Indiens, die 28 respektive 7 Prozent der weltweiten jährlichen Treibhausgasemissionen ausmachen, sind auf lange Sicht von Bedeutung. Während China in absoluten Zahlen der grösste jährliche Emittent ist, beträgt der Pro-Kopf-Ausstoss in China etwa die Hälfte der Intensität der USA, in Indien ein Achtel.
Gemessen an den kumulierten Emissionen sind die EU und die USA nach wie vor die grössten Verursacher, auch wenn die Schwellenländer schnell aufholen. Es sind diese Ungleichgewichte zwischen BIP, jährlichen Emissionen, Pro-Kopf-Emissionen und kumulativen Emissionen, die immer wieder zu Reibereien darüber führen, wer Zugriff auf das verbleibende Kohlenstoffbudget des Planeten hat und wer die Sanierungs- und Übergangsinvestitionen finanziert.
Lösungen aus dem Privatmarkt
Angesichts des geopolitischen Kontextes wird der Übergang zu einer grünen Wirtschaft nicht linear und reibungslos verlaufen. Folglich ist ein schrittweiser Ansatz für Investitionen je nach Portfoliogrösse, Liquiditätsrisiko und persönlichen Nachhaltigkeitsmotivationen der Kunden entscheidend. Für Investoren, die eine unmittelbare Wirkung in der realen Welt erzielen wollen, kann eine gezielte Privatmarktlösung die umsichtigere Marktallokationsstrategie sein. Das breiteste Spektrum an Investitionsmöglichkeiten im Bereich der grünen Wirtschaft ist auf den privaten Märkten entstanden. Private Kredite bieten einen attraktiven Einstiegspunkt, der durch Fondsplattformen auf dem privaten Markt ermöglicht wird. Sie bieten kleine Ticketgrössen an, die für private Vermögensportfolios geeignet sind. Wer in öffentlichen Märkte investiert ist, sollte ein schrittweises Portfolioengagement anstreben. So kann man mit den aufkommenden Chancen der grünen Wirtschaft in öffentlich gehandelten Aktien und Anleihen Schritt zu halten.
Auf der Suche nach Werten in überbewerteten Bereichen
Aus der Aktienperspektive kann die Grösse der Chancen der grünen Wirtschaft gemessen werden, indem der prozentuale Anteil der grün ausgerichteten Einnahmen an den gesamten Markteinnahmen betrachtet werden. Im Durchschnitt ist dieser Prozentsatz auf sechs Prozent gestiegen und wird bis 2026 voraussichtlich zehn Prozent erreichen. Die meisten Klassifizierungssysteme für grüne Umsätze verwenden die Umsätze auf Unternehmensebene in Bezug auf ökologisch nachhaltige Geschäftsaktivitäten, die in der Regel in acht bis zehn grüne Sektoren und 40 bis 70 verschiedene Untersektoren unterteilt werden.
Schätzungsweise sechs bis acht Prozent des MSCI ACWI-Umsatzes waren 2024 grün ausgerichtet. Dies ist eine kleine, aber wachsende Chance innerhalb des Aktienmarktes. Sie teilt sich auf in grosse etablierte Unternehmen mit einem geringen Anteil an umweltfreundlichen Erträgen. Und auf Mid- und Small-Caps, bei denen der grösste Teil der Erträge aus umweltfreundlichen Aktivitäten stammt.
Die grössten Chancen bieten Unternehmen, die langfristig denken und sich auf eine einzige grüne Wirtschaftsaktivität spezialisiert haben. Das sind Merkmale, die häufiger im Universum der Small und Mid Caps zu finden sind. Wachsende Chancen in verschiedenen Teilsektoren der Wirtschaft, darunter Lebensmittel und Landwirtschaft, Industriegase und Automatisierung, sind in Europa, den USA und selektiv in Asien zu finden, und zwar in der Reihenfolge ihrer Präferenz.
Interessante festverzinsliche Wertpapiere
Was die festverzinslichen Wertpapiere betrifft, so handelt es sich bei den meisten nachhaltigen oder auf eine grüne Wirtschaft ausgerichteten Emissionen einfach um herkömmliche festverzinsliche Schuldtitel, bei denen die Erlöse für Aktivitäten der grünen Wirtschaft zweckgebunden sind. Das Gesamtvolumen der GSSSB-Anleiheemissionen von 2024 wird auf zwölf Prozent der gesamten Anleiheemissionen im Jahr 2024 geschätzt. Der Markt beträgt aktuell über 1 Billion Dollar geschätzt und dürfte bis 2030 über 40 Prozent erreichen. Gute Chancen bieten sich weiterhin in Sektoren wie Versorger, Grundstoffe, zyklische Konsumgüter, Energie und Technologie. In der Regel werden die Erlöse von Unternehmen für die Energiespeicherung vor Ort verwendet, von der Nachrüstung von Effizienztechnologien, der Produktion von Chemikalien vor Ort und der langfristigen Finanzierung von Vermögenswerten bis hin zu intelligenten Netzen, Ladeinfrastruktur, Speicherung und erneuerbarer Energieerzeugung. Der Bereich der festverzinslichen Wertpapiere bietet eine wachsende und robuste Reihe von Möglichkeiten für Kunden, die sich am langfristigen Wandel der grünen Wirtschaft beteiligen möchten.
Trotz der weltweiten wirtschaftlichen Fragilität, der gesellschaftlichen Polarisierung und der geopolitischen Zersplitterung bleibt die Daseinsberechtigung für den Übergang zu einer grünen Wirtschaft intakt. Die Richtung ist klar.