REYL Market Insight: Der Coup zweier nicht EU-Mitglieder

Colin Vidal, Head of Business Development bei REYL.

Von Colin Vidal, Head of Clients & Business Development, Reyl Intesa Sanpaolo

Genf / Zürich – Mit der Unterzeichnung des Finanzabkommens mit England erschliessen sich für die Schweiz grenzüberschreitende Möglichkeiten. Sie steigert die internationale Wettbewerbsfähigkeit und Attraktivität der Finanzplätze von London und der Schweiz.

Wie Robert De Niro in einem inzwischen berühmten Werbespot über die Schweiz sagte: „Es gibt kein Drama, überhaupt kein Drama“. Auch wenn dies etwas übertrieben ist, zeichnet sich die Schweiz weiterhin durch ihre politische und finanzielle Stabilität, ihre Infrastruktur und ihre anlegerfreundlichen Vorschriften aus. All dies macht das Land zu einem weltweit führenden Bankenplatz und zu einem unumgänglichen Ziel für Vermögensverwalter auf der Suche nach Investoren.

2024 wird der Schweizer Fondsmarkt weiter wachsen, wobei das verwaltete Vermögen auf über 1,5 Billionen CHF ansteigt. Das entspricht einem Zuwachs von über 130 Milliarden CHF seit Januar. Dabei verzeichnen Aktien- als auch Geldmarkt-Anlagen im gleichen Zeitraum ein Wachstum. Wir sehen eine steigende Nachfrage nach Fonds von lokalen Anbietern und ein erhöhtes Interesse von ausländischen Managern, die sich von der Schweizer Investorenlandschaft angezogen fühlen.

Nicht auf Lorbeeren ausruhen
Anstatt zu reagieren und die sich verändernde regulatorische Landschaft jenseits ihrer Grenzen zu ertragen, hat die Schweiz versucht, sie zu gestalten. Sie hat damit ihre Position gefestigt und das Vertrauen der Anleger verstärkt. So entstand ein wegweisendes Abkommen zwischen der Schweiz und dem Vereinigten Königreich, dem Sitz der europäischen Finanzhauptstadt: London. Das Abkommen ist einzigartig, da es den Schwerpunkt auf die gegenseitige Anerkennung der Finanzvorschriften legt und nicht auf eine Harmonisierung, wie es die EU vorschlägt.

Das am 21. Dezember 2023 unterzeichnete sogenannte Berne Financial Services Agreement (auch bekannt als „Gesetz über die gegenseitige Anerkennung“) zielt darauf ab, den grenzüberschreitenden Marktzugang für bestimmte Grosshandelsfinanzdienstleistungen zwischen England und der Schweiz zu verbessern. Dieses Abkommen ist insofern von Bedeutung, als es die Gleichwertigkeit der rechtlichen und aufsichtsrechtlichen Rahmenbedingungen der beiden Länder in mehreren Finanzsektoren gegenseitig anerkennt. Dazu gehören Banken, Wertpapierdienstleistungen, Versicherungen, Vermögensverwaltung und Finanzmarktinfrastrukturen. Entscheidend ist, dass das Abkommen britischen Firmen und vermögenden Privatpersonen aus dem Finanzdienstleistungssektor die Möglichkeit gibt, in der Schweiz tätig zu werden, während sie gleichzeitig das britische Regelwerk befolgen und umgekehrt.

Implikationen auf die EU
Obwohl sich das England und die Schweiz als wichtige Finanzzentren ausserhalb der EU positionieren, ist die Reaktion des Blocks verhalten. Derzeitige Anzeichen deuten darauf hin, dass die EU die einzigartige Rolle, die sowohl London als auch die Schweiz in der globalen Finanzlandschaft spielen, wahrscheinlich akzeptiert hat und kaum mit einer bedeutenden Reaktion reagieren wird. Der Brexit führte zwar zu einigen anfänglichen Verlagerungen von Finanzfachleuten aus London in EU-Städte wie Frankfurt und Paris. Aber viele sind seitdem zurückgekehrt, was die anhaltende Attraktivität Londons als globales Finanzzentrum bestätigt.

Das Finanzabkommen sorgt für mehr Rechtsklarheit bei Wertpapierdienstleistungen wie Portfolioverwaltung und Anlageberatung. Wichtig ist auch, dass es den Firmen ermöglicht, mit bestimmten anspruchsvollen Kunden grenzüberschreitend zusammenzuarbeiten, ohne auf Hindernisse zu stossen. Die Verfahren für den Marktzugang, die Kundenklassifizierung und die Offenlegungspflichten sind im Finanzabkommen klar definiert. Die Vermögensverwalter erhalten mehr Sicherheit in Bezug auf den Fondsvertrieb und die Delegation des Portfoliomanagements.

Schweizer und britische Firmen werden bald in der Lage sein, einfachen Zugang zu anspruchsvollen Kunden in beiden Ländern zu erhalten. So werden beispielsweise Schweizer Anlagedienstleister in der Lage sein, britische Kunden ohne Registrierung direkt zu bedienen. Auch britische Unternehmen werden einen ähnlichen Zugang zum Schweizer Markt erhalten. Im Bereich der Vermögensverwaltung gewährleistet das Finanzabkommen den Marktzugang für Schweizer Firmen, die britische Kunden suchen und umgekehrt. Dabei bleiben die bestehenden Kanäle für die Vermögensverwaltung erhalten. Dies ist besonders wichtig, da es einen beträchtlichen grenzüberschreitenden Kundenstamm gibt.

Führt gegenseitige Anerkennung zu gegenseitigem Gewinn?
Das Abkommen muss noch von den Parlamenten beider Länder ratifiziert werden, bevor es umgesetzt werden kann. Aber der Optimismus ist gross. Der potenzielle Bürokratieabbau und die erhöhte Effizienz bei grenzüberschreitenden Geschäften werden zu den offensichtlichsten Vorteilen gehören. Dies insbesondere für Fondsmanager, die sich diese beiden Vermögensverwaltungsmärkte erschliessen wollen. Schweizer Banken werden davon erheblich profitieren, da sie nun britische Kunden effektiver betreuen können, ohne eine physische Präsenz in England aufbauen zu müssen.

Die im Abkommen vorgesehene gegenseitige Anerkennung dürfte die regulatorischen Hürden für schweizerische und britische Finanzdienstleister erheblich verringern und wird zweifellos die internationale Wettbewerbsfähigkeit und Attraktivität beider Finanzplätze steigern. (REYL/mc/ps)

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