REYL: Risikobereinigte Renditen mit positiven Auswirkungen
Der langfristige „grüne“ Wandel ist in vollem Gange. Doch besteht ein Greenwashing-Risiko. Gefragt sind Portfolios, die Risiko, Rendite und Auswirkungen auf die Umwelt berücksichtigen.
von Jon Duncan, Chief Impact Officer, REYL
Die laufende Berichterstattung über Greenwashing hat zu einer grossen Skepsis im Hinblick auf nachhaltiges Investieren oder Impact Investing geführt. In seinem Juni-Special erklärte der Economist, dass das Akronym „ESG“ für „Exaggerated Superficial Guff“ (übertriebener oberflächlicher Quatsch) stehe und warnte, dass drei Buchstaben „den Planeten nicht retten werden“. Er ging sogar noch weiter und erklärte, dass nachhaltiges Investieren und Woke-Kapitalismus die Anleger in unterdurchschnittliche Renditen führten. Da die Kontroverse heiss läuft, ist es vielleicht ein guter Zeitpunkt, um die Frage „sind risikobereinigte Renditen mit positiven Auswirkungen wünschenswert und erreichbar?“ wieder aufzugreifen.
Ein sich verändernder Kontext
In den letzten drei Jahrzehnten wurde der Kontext des Kapitalismus durch die tiefgreifende Erkenntnis geprägt, dass die biophysikalischen, sozialen und marktwirtschaftlichen Systeme miteinander verknüpft sind. Diese systemische Sichtweise basiert auf einem globalen wissenschaftlichen Konsens, sozialer Notwendigkeit und wirtschaftlicher Realität. Nach der globalen Finanzkrise wurde der Rat für Finanzstabilität (Financial Stability Board, FSB) gegründet, um sowohl endogene Marktrisiken (das heisst Risiken, die von den Märkten selbst ausgehen, wie zum Beispiel die Subprime-Krise) als auch exogene Marktrisiken (das heisst Risiken, die von ausserhalb des Marktsystems ausgehen, wie zum Beispiel der Klimawandel) zu bewerten.
Das Ausmass des Klimarisikos führte dazu, dass der FSB die Veröffentlichung der Task Force on Climate-Related Financial Disclosures überwachte und Klima-Stresstests für Zentral- und grossen, systemrelevanten Banken forderte. Da das Konzept des exogenen Risikos immer besser verstanden wird, sind die Marktregulierungsbehörden dazu übergegangen, das Marktsystem zu ermutigen, langfristige Risiken für die nachhaltige Entwicklung proaktiv anzugehen.
In der EU-Taxonomie für eine grüne Wirtschaft wird beispielsweise dargelegt, welche wirtschaftlichen Aktivitäten auf kohlenstoffarme, ressourceneffiziente und sozial integrative Ergebnisse ausgerichtet sind. Um die Ausrichtung zu verstärken, hat die EU Corporate Sustainability Reporting Standards (CSRD) sowie Offenlegungsstandards für die Nachhaltigkeitskriterien von Finanzprodukten (SFRD) eingeführt und gewährleistet durch Mifid II, dass Nachhaltigkeitspräferenzen von Kunden und Risiken als Grundlage zur Sicherstellung der Produkteignung genutzt werden.
Übergang zu einer „grünen Wirtschaft“
Für wirtschaftliche Führungskräfte bedeutet dieser sich verändernde Kontext, dass die Wahrung der Wettbewerbsfähigkeit ein effektives Personalmanagement, solide Umweltkontrollen, Ressourceneffizienz sowie Produkte und Dienstleistungen erfordern, die soziale/ökologische Probleme aufnehmen. Für börsenkotierte Unternehmen sind die Anforderungen an die Offenlegung von Nachhaltigkeitsdaten an allen grossen Börsen gestiegen, da die Anleger erkannt haben, dass schlechte Umwelt-, Sozial- und Governance-Praktiken die Renditen schmälern können und dies auch tatsächlich tun.
Betrachtet man den aktuellen Kontext für den Kapitalismus rational, müssen Anleger prüfen, wie gut ihr Portfolio im Hinblick auf langfristige Risiken im Zusammenhang mit sozialer und ökologischer Systemstabilität positioniert ist. Die Betrachtung eines Portfolios durch die „Nachhaltigkeitsbrille“ ist schlicht eine gute Anlagepraxis und stimmt mit den Zielen des Kapitalerhalts und des Wachstums überein.
Da der Übergang zu einer „grünen Wirtschaft“ an Dynamik gewinnt, wird es in allen Regionen, Sektoren und Anlageklassen Gewinner und Verlierer geben. Es wäre ein Fehler zu glauben, dass alle „grünen“ oder wirkungsvollen Anlagen angemessene, risikobereinigte Renditen erzielen werden. Es mag zwar wünschenswert sein, sich auf Auswirkungen zu konzentrieren, doch um in diesem sich wandelnden Kontext erfolgreich zu sein, ist ein differenzierter Ansatz erforderlich.
Eine taktische Reaktion
Die rasche Zunahme des Umfangs und der Verfügbarkeit von ESG-/Impact- und Nachhaltigkeitsdaten treibt den Markt zu einem umfassenderen Verständnis des Ausgleichs zwischen Risiko, Rendite und Auswirkungen. Die Auswirkungen können sowohl als Schadensreduzierung (beispielsweise Verringerung der Umweltverschmutzung) als auch als positive Nettobeiträge von Gütern und Dienstleistungen (beispielsweise Zugang zu Generika in Schwellenländern) verstanden werden.
Auf pragmatischer Ebene ist es für Anleger sinnvoll, die Umstellung ihrer Portfolios so anzugehen, dass sie ein vergleichbares Risiko-Rendite-Ergebnis mit einem messbar verbesserten Wirkungsergebnis erzielen. Dies wird im Laufe der Zeit Ausgleiche zwischen verschiedenen Anlageklassen, Sektoren und geografischer Exponierung erfordern. Public Markets bieten Liquidität und Skaleneffekte, aber zeigen weniger direkte Auswirkungen, während Private Markets reale Auswirkungen auf die Welt haben, jedoch im Hinblick auf die Kapitalbereitstellung und Liquidität beschränkt sind. Aus geografischer Sicht geht man davon aus, dass ein Engagement in Schwellenländern ein höheres Mass an Wirkung pro Renditeeinheit bietet als eine ähnliche Allokation in Sektoren von Industrieländern.
Es handelt sich um einen sich entwickelnden Bereich, der von wissenschaftlichen Notwendigkeiten, einer sich ändernden Politik, einer veränderten Konsumentenstimmung und wirtschaftlicher Wettbewerbsfähigkeit bestimmt wird. Es wäre ein Fehler, ihn als Modeerscheinung zu betrachten, deren Zeit vorbei ist. Es besteht ein Greenwashing-Risiko. Der langfristige „grüne“ Wandel ist jedoch in vollem Gange, und eine pragmatische Ausrichtung der Anlegerportfolios auf Risiko, Rendite und Auswirkungen ist sowohl wünschenswert als auch realisierbar. (REYL/mc)