von Thomas Rühl, Chief Investment Officer SZKB
«Manchmal reicht ein schneller Blick auf die Marktdaten nicht, um die Lage der Finanzmärkte zu verstehen. Anders als im Frühling, der von Pessimismus und Trübsal geprägt war, sind die Marktsignale im Moment sehr unterschiedlich und teilweise widersprüchlich. Ob wir die befürchtete Rezession der Weltwirtschaft umschiffen können oder bereits drinstecken, lässt sich also noch nicht so einfach beantworten.
Die Aktienkurse sind an den meisten Märkten im Juli stark angestiegen. Verluste im ersten Halbjahr – eines der trübsten Börsensemester seit langem – wurden damit etwas aufgefangen. Hintergrund sind Unternehmensabschlüsse der laufenden Berichtssaison, die besser ausgefallen sind als erwartet. Die zwischenzeitliche Hoffnung auf langsamere Zinserhöhungen der Zentralbanken trug ebenfalls dazu bei. Die weltweiten Konjunkturzahlen zeigen jedoch ein durchmischtes Bild: Die USA befinden sich knapp in einer «technischen Rezession», der Arbeitsmarkt und die Industrieproduktion bleiben dagegen in der Wachstumszone.
Dies- und jenseits des Atlantiks liegt die Inflation hoch. Die Zentralbanken reagieren mit Zinserhöhungen auf den Inflationsdruck und die drohende Lohn-Preis-Spirale. Wir rechnen mit weiteren Zinserhöhungen. Diese dämmen die Inflation ein, hemmen aber das Wirtschaftswachstum.
Auch wenn die Stimmung besser geworden ist, bleibt das Bild durchzogen: Der Ukrainekrieg und die Situation um Taiwan bergen weitere geopolitische Risiken. Konsumenten verlieren aufgrund der weiterhin hohen Inflation an Kaufkraft und halten sich zurück. Die Lieferengpässe halten sich hartnäckig und die Energieversorgung in der kalten Jahreszeit wird zum dominanten Problem.
Im Gegensatz zur Eurozone und den USA bleibt die Lage in der Schweiz robust: Die Konjunktur hat sich zwar etwas abgekühlt und die Inflation liegt leicht über dem Stabilitätsziel der SNB. Der Arbeitsmarkt und die Industrieproduktion sind jedoch weiterhin intakt. Anzeichen einer Rezession sind trotz des starken Frankens nicht zu erkennen.
Anlegerinnen und Anleger fragen uns zu Recht, wie sie auf diese undurchsichtige Ausgangslage reagieren sollen. Wir erwarten eine unterschiedliche konjunkturelle Entwicklung für die einzelnen Weltregionen, was sich auch in unserer Asset Allocation widerspiegelt: Weiterhin empfehlen wir eine Übergewichtung von Unternehmensanleihen und Schweizer Aktien. Alternative Anlagen – insbesondere Gold – dienen als Absicherung. Staatsanleihen und Aktien der Eurozone sind in unserem Szenario dagegen besonders anfällig auf die Marktrisiken und damit unattraktiv. Insgesamt besteht im Moment jedoch kein Anlass für grundsätzliche Anpassungen der Anlagestrategie. (SZKB/mc)