Von Victor Verberk, Sander Bus sowie Jamie Stuttard
Mit steigendem Rezessionsrisiko dürfte die Streuung der Renditen an den Finanzmärkten zunehmen. Bei Unternehmensanleihen geringerer Bonität könnte die Ausfallquote steigen, während das obere Ende des Marktspektrums von einer Flucht in die Qualität profitieren könnte.
In aller Kürze
- Der Fokus an den Märkten wird sich von der Inflation zum Wachstum verlagern
- Die Spreads haben ihren Höchststand noch nicht erreicht (mit Ausnahme der EUR-Swap-Spreads)
- Auf Qualität setzen, da die Renditestreuung steigen dürfte
Wie das Global Macro-Team im September 2022 in seinem Ausblick „Twin Peaks“ erläutert hat, erreichen in einem Zinsanhebungszyklus, der letztlich in einer Rezession mündet, die Zinsen typischerweise ihren Höchststand vor den CreditSpreads. Konkret erreichen die Zinsen ihren Höchststand etwa zum Zeitpunkt der vorletzten Leitzinsanhebung in den USA.
„Unseres Erachtens befinden wir uns in der Talsohle zwischen den beiden Gipfeln,” sagt Sander Bus, Co-Head des CreditTeams von Robeco. „Die Zinsen haben zu sinken begonnen und könnten in einigen Ländern ihren Höchststand bereits hinter sich haben, während die Inflation aktuell nachlässt. Auch die Credit-Spreads sind seit Mitte Oktober stark zurückgegangen. Sie dürften sich aber wieder ausweiten, wenn die Marktteilnehmer mit einer Rezession zu rechnen beginnen, welche die Solidität der Unternehmen beeinträchtigen würde.“
Wenn die Wahrscheinlichkeit einer Rezession steigt und dies zum Marktkonsens wird, sollte die Renditestreuung an den Märkten zunehmen. Am unteren Ende des Bonitätsspektrums ist mit einem Anstieg der Ausfallquote zu rechnen, während das obere Ende des Marktes von niedrigeren Zinsen und einer Flucht in Qualität profitieren könnte.
Sobald die Rezession vollständig in den Bewertungen berücksichtigt ist und die Spreads ihren Höchststand erreicht haben, wäre dies der richtige Zeitpunkt, um wieder Long-Positionen einzugehen – sogar bei Hochzinsanleihen. In der Regel wird dieser Punkt erreicht, bevor die Ausfallraten ihren Höchststand erreicht haben.
Angesichts des zunehmenden Angebots an europäischen Staatsanleihen erwarten wir eine weitere Einengung der EuroSwap-Spreads. Da die Swap-Spreads einen grossen Teil der gesamten Credit-Spreads bei Euro-Investment-Grade-Anleihen ausmachen, halten wir eine moderate Long-Position an den Euro-Investment-Grade-Märkten für angemessen. Weit vorsichtiger sind wir mit Blick auf die aktuelle Position im Zinszyklus dagegen hinsichtlich anderer Marktsegmente mit engen Spreads.
Rezession in den USA und Europa wahrscheinlich
„In unserem Basisszenario werden sowohl die USA als auch Europa im Jahr 2023 eine Rezession erleben,” sagt Victor Verberk, Co-Head des Credit-Teams von Robeco. „Obwohl wir davon ausgehen, dass die Rezessionen im selben Jahr stattfinden und sich gegenseitig verstärken werden, dürften sich die jeweiligen Ursachen unterscheiden. In den USA ist mit einem klassischen Boom-Bust-Zyklus zu rechnen, während die Rezession in Europa vor allem durch einen Energieangebotsschock ausgelöst wird.“
Die Fed und die EZB sind entschlossen, die Geldpolitik so lange straff zu halten, bis sie die Bestätigung sehen, dass die Inflation ihr Ziel erreicht. Die gute Nachricht ist, dass die Inflation begonnen hat sich abzuschwächen. Demnach ist das Ende des Zinserhöhungszyklus in Sicht. Das bedeutet aber nicht, dass die Fed unmittelbar vor einer Zinssenkung steht.
Sie werden insbesondere den Arbeitsmarkt im Auge behalten und Anzeichen dafür abwarten, dass die Löhne auf ein normaleres Niveau sinken und mit dem Inflationsziel vereinbar sind. Das wäre nur möglich, wenn die Arbeitslosigkeit steigen würde, was wiederum eine Rezession voraussetzt.
China befindet sich in einer anderen Phase des Konjunkturzyklus. Das Land hat seine „Zero-Covid“-Politik beendet. Auch wenn es nicht intuitiv erscheint, kann die Wiederöffnung kurzfristig zu einer Abschwächung der Konjunktur führen, da sich das Coronavirus rasch ausbreiten dürfte und die Verbraucher von sich aus ihre Mobilität einschränken werden. Doch ist eine Erholung der chinesischen Wirtschaft innerhalb einiger Monate wahrscheinlich.
Kann China wieder die Rolle der Wachstumslokomotive übernehmen, die den Rest der Welt vor einer Rezession bewahrt? Wir bezweifeln das. Der fiskalische Impuls in diesem Land ist einfach nicht stark genug, und die Haushaltslage Chinas hindert die Regierung daran, die Ausgaben so stark zu erhöhen, wie es früher der Fall war, wenn die Wirtschaft angekurbelt werden musste.
Die Schlussfolgerung ist, dass wir noch keinen Grund haben, die Fundamentaldaten positiv zu bewerten.
Markterholung hat unsere Einschätzung der Bewertungen gemässigt
Die Ära der Alternativlosigkeit liegt eindeutig hinter uns. Selbst kurzfristige US-Staatsanleihen bieten jetzt eine Rendite von 4 % – ein Niveau, das vor einem Jahr nur auf den Märkten für Hochzinsanleihen zu finden war.
Die attraktivsten Bewertungen finden sich im europäischen Investment-Grade-Segment, insbesondere bei Finanztiteln. Dieses Marktsegment bietet überdurchschnittliche Spreads und weist auch im Vergleich zu seinem US-Pendant günstige Bewertungen auf.
Geht man von einer Rezession in den Industrieländern als Basisszenario aus, lautet die Schlüsselfrage: Wie wird sich eine Rezession auf die risikoreicheren Teile des Credit-Markts auswirken? Wann sind die Spreads weit genug, um wieder einsteigen zu können? Die Vergangenheit lehrt uns, dass die Spreads in der Regel ihren Höhepunkt erreichen, bevor die Ausfallraten ihren Höchststand erreichen.
Die Ausfallraten haben gerade erst in eine Bärenmarktphase einzutreten begonnen, weshalb es zu früh erscheint, um offensiv in Hochzinsanleihen zu investieren. Die Renditespreads bei Hochzinsanleihen liegen deutlich unter der Marke von 1.000 Basispunkten, wo sie in der Regel im Umfeld einer Rezession ihren Höhepunkt erreichen.
Da der Markt für Hochzinsanleihen heute eine höhere Qualität aufweist, wird die Ausfallquote wahrscheinlich niedriger sein und der Spread am Markt dürfte daher einen niedrigeren Höchststand erreichen.
Grafik 1 | Der Marktzyklus
Unsere Einschätzung der Marktsegmente
Die Märkte sind stark schwankungsanfällig und die Einschätzung der Bewertungen kann sich schnell ändern. Mitte Oktober gab es mehr Marktsegment, die attraktiv erschienen. Doch nach der starken Bärenmarktrallye der letzten sechs Wochen sind wir zu dem Schluss gekommen, dass wir diesem Bereich nun vorsichtiger einschätzen müssen, mit Ausnahme des Segments Euro Investment Grade.
Zentralbanken bestimmen nach wie vor das Marktgeschehen
Der Zinsstraffungszyklus könnte sich dem Ende nähern, doch der quantitative Straffungszyklus hat gerade erst eingesetzt. Die Fed, die EZB und die BoE haben begonnen, ihre Bilanzen zu verkleinern.
Nach Ansicht von Sander Bus „wird sich die quantitative Straffung in den USA wahrscheinlich indirekt auswirken, da Credits mit dem höheren Angebot an Staatsanleihen konkurrieren. In Europa hat die Bank of England im Rahmen ihres Corporate Bond Purchase Scheme (CBPS) 5 % des Sterling-Investment-Grade-Marktes aufgekauft, während die EZB im Rahmen des Programms Corporate Sector Purchase Program (CSPP) 15 % der Euro-Investment-Grade-Anleihen erworben hat. Da diese Nachfrage weggefallen ist und sich nun ins Gegenteil verkehrt, werden dringend neue Käufer für Unternehmensanleihen benötigt.“
Positive Faktoren sind jedoch die defensive Positionierung, die unter Credit-Anlegern Konsens zu sein scheint, und die hohe Liquidität in vielen Anlageportfolios.
Das Fazit aus der technischen Situation ist, dass die Zentralbanken das Marktgeschehen weiterhin bestimmen. Solange die Zentralbanken dem Markt für Unternehmensanleihen weiterhin Liquidität entziehen, können wir nur eine vorsichtige Schlussfolgerung ziehen.
Geduld ist auf dem Weg ins Jahr 2023 angesagt
Da eine Rezession wahrscheinlicher wird, ist mit einer stärkeren Streuung der Renditen auf den Märkten zu rechnen. Am unteren Ende des Bonitätsspektrums könnte es zu einem Anstieg der Ausfallquote kommen, während das obere Ende des Markts zu gegebener Zeit von niedrigeren Zinsen und einer Flucht in Qualität profitieren könnte.
Wir plädieren daher für Strategien, die verstärkt auf höhere Bonität ausgerichtet sind.
Sobald die Rezession vollständig eingepreist ist und die Spreads ihren Höchststand erreicht haben, wäre es an der Zeit, wieder offensiv eine Long-Position einzugehen – selbst bei Hochzinsanleihen. In der Regel wird dieser Punkt erreicht, bevor die Ausfallraten ihren Höchststand erreicht haben.
Jamie Stuttard, Credit Strategist bei Robeco, zieht folgendes Fazit: „Wir glauben daher, dass wir den Höhepunkt der Zinssorgen und der Zinsschwankungen erreicht haben. Die Volatilität an den Credit-Märkten dürfte aber anhalten. Sehr wahrscheinlich bieten sich im Jahr 2023 bessere Einstiegsgelegenheiten. Wir müssen nur Geduld haben.“ (Robeco/mc/ps)