Robeco: Finanzen – auf der Welle reiten oder weggespült werden?

Von Colin Graham, Co-Head of Sustainable Multi Asset Solutions & Patrick Lemmens, Portfolio Manager bei Robeco
Banken haben in diesem Jahr die wichtigsten Benchmarks übertroffen, wobei US-Finanzunternehmen nach den grossen Technologieunternehmen die zweithöchsten Erträge erzielten. Aber das Beste könnte noch kommen, da innovative Finanztechnologie die Zukunft des Finanzwesens weiter prägt, der US-Bankensektor vor mehreren Fusionen steht und der europäische Finanzsektor beginnen, eine positive Performance zu erzielen, heisst es von unseren Multi-Asset- und Fintech-Investmentteams.
„Der Finanzsektor profitiert derzeit von mehreren positiven Faktoren“, sagt Colin Graham, Head of Robeco Sustainable Multi-Asset Strategies. „Die Zinssätze und die Wirtschaftstätigkeit dürften länger höher bleiben, was die Rentabilität der Finanzinstitute unterstützt.“
„US-Finanzaktien haben Gewinne erzielt und übertreffen, obwohl sie hinter grossen Technologieunternehmen zurückliegen, den S&P 500 noch immer deutlich. Es überrascht nicht, dass wir in den vergangenen 12 Monaten einen deutlichen Aufschwung in den Bereichen Anleihen und Aktien erlebt haben. Wir raten zur Vorsicht, da wir der Meinung sind, dass ein Grossteil der guten Nachrichten bereits eingepreist ist und es daher im historischen Vergleich auf Indexebene nicht mehr „günstig“ ist, obwohl ein aktives Management dennoch die beste Auswahl innerhalb des Sektors und im Vergleich zu anderen treffen kann.“
„In Zukunft werden die Kapitalmärkte durch die in den USA versprochene Deregulierung in allen Branchen und im Bankensektor aktiver, mit vermehrt auftretenden Fusionen und Übernahmen sowie Börsengängen. Europa hinkt hier weiterhin hinterher und wird wahrscheinlich nicht von gelockerten Vorschriften profitieren, aber der Kontinent hat durch niedrigere Refinanzierungskosten durch Zinssenkungen der Europäischen Zentralbank (EZB) Rückenwind bekommen.“

US-Finanzunternehmen erzielen beim Gewinnwachstum pro Aktie die zweitbeste Performance. Robeco, UBS
Bürokratie abbauen
Vieles hängt von der Regulierung ab, die in den USA voraussichtlich begrenzt wird, in Europa aber umfassend bleibt, sowie von der künftigen Entwicklung der Zinssätze, die die Nettozinsmargen bestimmen – die Differenz zwischen den Zinssätzen, zu denen Banken Kredite vergeben bzw. an Sparer auszahlen.
„Die Wirtschaftstätigkeit in Europa und China ist besser als erwartet, deshalb benötigen wir eine Verlangsamung der US-Wirtschaft, auch wenn die Wahrscheinlichkeit einer Rezession gering bleibt“, bemerkt Graham. „Ein langsameres Wachstum in den USA würde helfen, die Zinssätze zu senken, wodurch die Nettozinsmargen gestützt würden – eine der wichtigsten Massnahmen, um die Rentabilität zu stützen.“
„Die Nachfrage nach Krediten ausserhalb des Verbrauchersektors ist nach wie vor gering, wobei ein Grossteil der Nachfrage durch private Kredite gedeckt wird, die von einer geringeren regulatorischen Belastung profitieren. Wir sollten beachten, dass die Aussichten auf höhere US-Zinsen und höhere Standards für die Kreditvergabe teurere Schuldtitel wie AT1s und CoCos (bedingte Pflichtwandelanleihen) unterstützen.“
Boom bei Fusionen und Übernahmen
Besonders viel Rückenwind bietet die erwartete Konsolidierung im US-Bankensektor, in dem es Hunderte kleiner, regionaler Banken gibt, deren Geschäftsmodelle durch FinTech-Unternehmen auf den Kopf gestellt werden und die möglicherweise zu klein sind, um ohne Fusionen zu überleben.
„Seit der Wahl in den USA sind die Teams für Fusionen und Übernahmen in Erwartung eines wesentlich freizügigeren Regelwerks unter Trump 2.0 in heller Aufregung, wobei der Finanzsektor im Allgemeinen und die weltweite FinTech-Branche im Besonderen im Fokus der Unterhändler stehen dürften“, kommentiert Patrick Lemmens, Portfoliomanager bei Robeco für die Strategien Fintech and New World Financials.
„Mit Blick in die Zukunft sehen wir die möglichen Fusionen und Übernahmen sowie Börsengänge als bedeutenden Rückenwind für die übermässig fragmentierten US-Regionalbanken und auch für die Konsolidierung des chinesischen Banken- und Immobiliensektors. Auch wenn in der Politik Einwände geäussert wurden, dürfte der starke Wunsch der EZB nach mehr grenzüberschreitenden Fusionen letztlich dazu führen, dass Fusionen und Übernahmen im europäischen Finanzumfeld an Fahrt aufnehmen und umgesetzt werden.“
Die Unterversorgung mit Bankleistungen angehen
Ebenfalls Rückenwind bietet das neue Geschäft, das durch die Bereitstellung von Bankdienstleistungen für Millionen Menschen, die über kein Bankkonto verfügen, erfolgversprechend sein könnte.
„Auch wenn die Integration der Faktoren Umwelt, Soziales und Governance (ESG) in den USA auf Gegenwind stösst, sind die sozialen Vorteile des Bankwesens unbestreitbar, wodurch die finanzielle Inklusion und die Betreuung der unterversorgten Bevölkerungsgruppen Trends sind, die bleiben werden“, ist sich Lemmens sicher.
„Beim Trend der „Finanzdienstleistungen in den Schwellenländern steht die Expansion der weltweiten Mittelschicht im Vordergrund, besonders in den Ländern, in denen Finanzdienstleistungen bisher wenig verbreitet sind. Hinzu kommt der Trend der digitalen Finanzdienstleistungen, bei dem FinTech-Unternehmen intelligente digitale Lösungen für Kunden anbieten, die kein Bankkonto haben oder schlechte Bankdienstleistungen erhalten.“
Dies zeigt sich auch in den USA, wo die Federal Deposit Insurance Corporation (FDIC) im Jahr 2023 eine Umfrage durchführte, um herauszufinden, wer kein Bankkonto hat (keine Versorgung mit Bankleistungen) oder wer zwar ein Konto besitzt, aber alternative Finanzdienstleistungen nutzt (Unterversorgung mit Bankleistungen). Die Ergebnisse sind in der folgenden Tabelle dargestellt.
Einen aktiven Ansatz übernehmen
Wie lassen sich also die besten Angebote finden? „Hier ist eine gezielte Aktienauswahl entscheidend, da die FinTech-Branche weiterhin das System revolutionieren wird. Fusionen und Übernahmen bieten Chancen und eine alternde Bevölkerung schafft eine grössere Nachfrage nach allgemeinen Finanzdienstleistungen“, sagt Lemmens.
„Die rasante Entwicklung im FinTech-Bereich erfordert einen aktiven Anlageansatz“, so Lemmens. „Wir bevorzugen FinTech-Unternehmen, die mit einer einzigen Technologieplattform arbeiten und über eine überlegene Software verfügen, mit der sie zu viel niedrigeren Kosten als ihre Konkurrenz agieren. Und mit Sicherheit günstiger als traditionelle Banken.“
„Eine bessere und schnellere Bereitstellung von Dienstleistungen trägt dazu bei, eine grössere Kundenbasis zu erreichen, der weitere Produkte und Dienstleistungen angeboten werden können. Aktive Investitionen in diese Art von Gewinnern sollten langfristig die besten Aktienrenditen bieten, solange Sie Wachstum zu einem vernünftigen Preis erlangen.“
„Angesichts des Wettbewerbs zwischen dem riesigen Ökosystem der Start-ups, den bestehenden Akteuren und den etablierten Unternehmen des Finanzsektors, die versuchen, ihre alten Geschäftsmodelle zu verteidigen, ist unserer Ansicht nach die Aktienauswahl jedoch extrem wichtig.“