Robeco: SI-Dilemma – Reisen oder ankommen?

Masja Zandbergen, Head of Sustainability Integration bei Robeco. (Foto: Robeco)

Von Masja Zandbergen, Head of Sustainability Integration bei Robeco

Das Zauberwort für Anleger scheint heutzutage „Übergang“ zu sein. Die Art und Weise, wie wir uns fortbewegen, und nicht, wie wir ankommen, hat sich zur wichtigsten Definition für den Erfolg aller übergeordneten Nachhaltigkeitsthemen entwickelt. Die ESG-Dynamik hängt davon ab – sind wir also tatsächlich am Ziel?

Notwendige Veränderungen
Traditionell werden nachhaltige Portfolios anhand von Nachhaltigkeits-Scores erstellt, die auf der aktuellen ESG-Performance der Unternehmen beruhen, in die sie investieren. Es handelt sich nach wie vor um den wichtigsten Ansatz für die grosse Mehrheit der nachhaltigen Strategien, wie Best-in-Class- und besser als die Benchmark abschneidende Portfolios. Dieser Ansatz spiegelt häufig die Werte des Anlegers wider. Er drückt auch die Investitionsüberzeugung aus, dass nachhaltigere Unternehmen eine bessere finanzielle Leistung erbringen, obwohl dies noch nicht zweifelsfrei bewiesen ist.(1)

Bislang hat dieser Ansatz jedoch nicht zu einer wesentlich nachhaltigeren Entwicklung oder weniger CO2-Emissionen geführt.(2) Der Gedanke, dass die grössten Umweltverschmutzer Teil der Lösung sein müssen – indem man in sie investiert und sich mit ihnen auseinandersetzt, während das eigene Portfolio nach zukunftsweisenden Kriterien ausgerichtet wird – gilt zunehmend als bessere Möglichkeit, zum Wandel beizutragen. Die Unterstützung des Wandels ist nicht nur für die Investoren, sondern auch für die Regulierungsbehörden eine gute Sache.

Unterschiedliche Definitionen von Umstellungsinvestitionen
Die EU-Kommission definiert „Übergang“ als Umstellung vom derzeitigen Klima- und Umweltleistungsniveau auf eine klimaresistente und ökologisch nachhaltige Wirtschaft. Sie sollte in einem Zeitrahmen erfolgen, mit dem die im Pariser Klimaabkommen festgelegten Ziele zu erreichen sind, einschliesslich der Anpassung an den Klimawandel und anderer Umweltziele der EU. Auch die Taxonomien in Asien, z. B. in Singapur, enthalten ähnliche Definitionen für den Übergang.

Diese Definitionen sind jedoch sehr stark auf die Umwelt beschränkt Die britische Verordnung über die Offenlegung von Nachhaltigkeitsinformationen (die derzeit erarbeitet wird) betrachtet den Übergang in einem erweiterten Rahmen. In ihr sind Strategien zur Verbesserung der Nachhaltigkeit als Produkte mit dem Ziel dargelegt, das Nachhaltigkeitsprofil von Vermögenswerten im Laufe der Zeit erheblich zu optimieren.

Diese Produkte werden in Vermögenswerte investiert, die zwar derzeit noch nicht ökologisch oder sozial nachhaltig sind, aber aufgrund ihres Potenzials ausgewählt werden, dies im Laufe der Zeit zu werden, auch als Reaktion auf den Einfluss des Unternehmens auf den schonenden Umgang mit Ressourcen.

In der akademischen Welt wird der Übergang ebenfalls in einem breiteren Zusammenhang gesehen. So zeigen Derk Loorbach und seine Mitwirkenden in ihrem Beitrag über Transformation oder Umstellung, dass das Konzept des Wandels hauptsächlich zur Analyse von Veränderungen in gesellschaftlichen Teilsystemen (z.B. Energie, Mobilität, Städte) verwendet wurde, wobei der Schwerpunkt auf sozialen, technologischen und institutionellen Wechselwirkungen lag.(3)

Abbildung 1: Übergangsinvestitionen

Quelle: Frei interpretiert nach dem Leitfaden der EU-Kommission.

Bei Robeco betrachten wir den Übergang umfassender als nur in Bezug auf das Klima, wobei wir auch anerkennen, dass der Klimawandel sowohl sehr dringend als auch in Bezug auf die Definition und die Instrumente für Anleger am weitesten fortgeschritten ist. Grundsätzlich wird damit auch die praktische Umsetzung in Portfolios erleichtert.

Problematik bei Übergangsstrategien für börsenkotierte Wertpapiere
Da es für die Transition im Finanzwesen kein allgemeines Erfolgsrezept gibt, werden auf dem Markt viele unterschiedliche Ansätze verfolgt. In diesem Zusammenhang kursieren viele Probleme und Fragen.

Die erste Frage lautet, ob eine nachhaltige Investition gleichzeitig eine Übergangsinvestition sein kann. Wir sind davon überzeugt. Gemäss der EU-Verordnung findet eine nachhaltige Investition in eine wirtschaftliche Tätigkeit statt, die zur Erreichung eines ökologischen oder sozialen Ziels beiträgt, vorausgesetzt, dass eine solche Investition kein derartiges Ziel erheblich beeinträchtigt und das Unternehmen, in das investiert wird, Verfahrensweisen einer guten Unternehmensführung anwendet.

Wenn eine nachhaltige Umstellung als ökologisches oder soziales Ziel betrachtet wird, können Übergangsanlagen, die keinen nennenswerten Schaden anrichten und Verfahrensweisen einer guten Unternehmensführung beinhalten, daher auch eine nachhaltige Investition sein. Das bedeutet zum Beispiel, dass grüne Anleihen sowohl als Übergangs- als auch als nachhaltige Investition betrachtet werden können. Dennoch sind nicht alle Übergangsinvestitionen auch nachhaltige Investitionen.

Die zweite Problematik besteht darin, welche Investitionen als Übergangsprodukte infrage kommen. Die erste Kategorie ist eindeutig: Unternehmen mit starkem Einfluss und glaubwürdigen Übergangsplänen. Aber dann wird es schwieriger: Sollten Lösungsanbieter, die anderen bei der Umstellung helfen, Teil des Übergangsuniversums sein? Sie sind keine Übergangsaktiva in dem Sinne, dass sich ihr eigenes Geschäftsmodell im Wandel befindet, obwohl sie sicherlich ein sehr wichtiger Teil der Umstellung sind. Daher bin ich der Meinung, dass diese Unternehmen in einem Übergangsportfolio Berücksichtigung finden sollten.

Und wie sieht es mit der Anpassung aus? Die Anpassung ist sicherlich wichtig, aber nur notwendig, wenn die Transition scheitert. Hier könnte nach dem Motto „Vorsicht ist besser als Nachsicht“ etwas Spielraum geschaffen werden. Und können wir einige führende Unternehmen in Sektoren mit geringen Auswirkungen hinzufügen, um das Portfolio (finanziell) zu diversifizieren?

Letzteres geht wahrscheinlich einen Schritt zu weit. Jede Investition in ein Übergangsprodukt sollte zumindest ein wesentliches Engagement in den Übergangszielen aufweisen. Und das Engagement in Bezug auf Übergangsanlagen und Lösungsanbieter sollte ausgewogen sein.

Übergang auf Portfolio- oder Emittentenebene?
Die wohl schwierigste Problematik ist die Frage, wo der nachhaltige Wandel gefördert und gemessen werden soll – auf Portfolio- oder Unternehmensebene?

Nehmen wir als Beispiel die Definition des EU-Referenzwerts für den klimabedingten Wandel. Die zugrunde liegenden Vermögenswerte werden so ausgewählt, gewichtet oder ausgeschlossen, dass sich das resultierende Benchmark-Portfolio auf einem Dekarbonisierungspfad befindet, z. B. mit einem CO2-Fussabdruck, der 30 % niedriger ist als der des investierbaren Universums, und im Vergleich zum Vorjahr um 7 % verkleinert wird. Es sollte auch im Einklang mit den Mindeststandards des Grundsatzes der Vermeidung erheblicher Beeinträchtigungen und der verantwortungsvollen Führung errichtet werden.

Die Ziele sind hier klar, und wir verfügen über die Informationen, mit denen wir die Fortschritte im Zeitverlauf nachverfolgen können. Ein Übergangsprodukt, das diesen Leitlinien entspricht, stünde eindeutig im Einklang mit der Verordnung. Das sind die guten Nachrichten. Die zugrunde liegenden Investitionen müssen jedoch nicht alle selbst umgestellt werden, solange das Gesamtportfolio die Dekarbonisierungsziele im entsprechenden Jahr erreicht. Die Frage lautet, wie ein solches Portfolio (in börsenkotierten Wertpapieren) zur Umstellung beiträgt.

So gesehen glauben wir, dass Raum für Übergangsstrategien vorhanden ist, die einfach in Übergangsressourcen und führende Lösungsanbieter investieren und aus einer Bottom-up-Perspektive versuchen, Veränderungen herbeizuführen. Dementsprechend sollte die Überprüfung, ob die Übergangsziele erreicht wurden, eher auf Unternehmensebene und weniger auf Portfolioebene stattfinden. Auf dem Markt sollten beide Ansätze ihren Platz finden.

Schliesslich werden derzeit für den Klimaschutz zukunftsweisende Rahmenbedingungen ausgearbeitet, um die Glaubwürdigkeit von Übergangszielen auf Unternehmensebene zu bestimmen, während dies für andere Themen der Nachhaltigkeitswende noch nicht der Fall ist. Die Überprüfung der Fortschritte auf Unternehmensebene muss ebenfalls weiter verfeinert werden.

Gestaltungsgrundsätze für Übergangsprodukte
All diese Probleme sollten niemanden davon abhalten, neue Strategien für Übergangsinvestitionen auszuarbeiten. Wir müssen auch pragmatisch sein, um die künftig erwarteten Risiken und Renditen mit den Nachhaltigkeitszielen in Einklang zu bringen und in diesem Fall zu akzeptieren, dass die Forschungs- und Bewertungsrahmen noch nicht eindeutig sind.

Deshalb hat Robeco einige Leitfäden für die Erstellung von Übergangsstrategien in Investitionen festgelegt. Es sollte eine eindeutige Absicht bestehen, zur Transition in der Praxis beizutragen und ein Mittel zur Bewertbarkeit sein, damit sichergestellt wird, dass das gewünschte Umstellungsergebnis im richtigen Zeitrahmen stattfindet. Und schliesslich müssen wir bei der Auswahl der Investitionen und der Offenlegung der erzielten Fortschritte in den regelmässigen Berichten über unsere Investitionsprodukte eine grundlegende Glaubwürdigkeit beibehalten.

Und da wir an unserer eigenen Transition in diesem Entwicklungsbereich arbeiten und unser endgültiges Ziel noch nicht erreicht haben, freuen wir uns, uns dieser Herausforderung zu stellen. (Robecco/mc/ps)

(1) Atz, U. van Holt, T. et al. „Does sustainability generate better financial performance? review, meta-analysis, and propositions.“ (2022). Journal of Sustainable Finance & Investment.
(2) https://www.robeco.com/en-int/insights/2023/02/si-dilemma-optimist-pessimist-or-realist-for-sustainable-development
(3) Transition versus transformation: What’s the difference? – ScienceDirect

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