Robert Jakobs Wirtschaftslupe: Argentiniens letzter Tango

Argentiniens Wirtschaftsminister Martin Guzmán.

Von Robert Jakob

Das einst zweitreichste Land der Welt ist zum neunten Male pleite. Zum dritten Mal allein im neuen Jahrhundert und damit in den letzten zwanzig Jahren.

Am 22. April hat Wirtschaftsminister Guzmán Zinszahlungen für im 2021, 2026 und 2046 fällige Auslandsschulden ausgesetzt. Es sei einfach kein Geld mehr da. Sein Staat hätte dafür eine halbe Milliarde Dollar gebraucht. Mit dem Zahlungsverzug beginnt eine 30tägige Karenzzeit, in der Argentiniens Chefunterhändler Martin Guzmán die ausländischen Investoren von einem Tauschgeschäft überzeugen will. Er möchte, dass diese auf 5,4 Prozent Ihrer Ausleihungen verzichten und eine durchschnittliche Reduktion des Zinses um fast zwei Drittel sowie ein dreijähriges Moratorium akzeptieren. Gewichtige Investorengruppen lehnten ab. Denn was nach einem vernünftigen Haircut in Zeiten weltweiter Niedrigzinsen verkauft wird, entpuppt sich bei genauem Rechnen als Forderungsverzicht von über 70 Prozent.

De facto Pleite
Auch die argentinischen Provinzen sind klamm. Grossschuldner Provincia de Buenos Aires muss am 1. Mai neunzig Millionen Euro einer letzten Anleihen-Rate samt Zins zurückzahlen. Sie wird den Termin sicherlich verstreichen lassen und sich damit ebenfalls auf eine Runde Poker einlassen. Bis 22. Mai hat Argentinien Zeit, das „D-Wort“ zu vermeiden. Ein neunter Default gilt als sicher, falls Argentinien und Buenos Aires den Gläubigern nicht deutlich bessere Umschuldungsangebote machen.

Besonders sauer stösst die dauernde Ungleichbehandlung im Land des Silberflusses auf. Einerseits ist man unter Präsidentin Christina Kirchner gegenüber den beschimpften amerikanischen „Geierfonds“ eingeknickt und hat ihnen die bis in Jahr 2001 zurückreichenden Schulden zu 100% bedient. Andererseits liess Argentinien Kleinanleger für dieselben Schulden sogar vollkommen leer ausgehen, indem man sich geschickt in Verjährungsfristen rettete. Wer keine Armada von US-Rechtsanwälten bezahlen kann, scheint der Willkür ausgeliefert. Verständlich, dass Anleger kein Vertrauen mehr in die Regierenden am südlichen Rio de la Plata haben. Selbst gegen den GDP warrant, den Argentinien als „Zückerli“ für die Annahme der Umschuldung aus der 2001er-Pleite ausgegeben hat, laufen noch immer Klagen. Man munkelt, dass die Berechnung der im GDP warrant zugunsten der Gläubiger verbrieften Anteile am argentinischen Wirtschaftswachstum von willfährigen Statistikern manipuliert wurde.

Bis zu 90% Verlust
2001 hatte das fruchtbare und an Bodenschätzen reiche Land die grösste Staatspleite der Geschichte hingelegt. Anleihebesitzer akzeptierten einen Haircut von 70%. Umgeschuldete Bonds liefen während eines Jahrzehnts mit nur mal 1,13% Jahreszins. Dass genau diese bereits einmal umgetauschten Bonds nun erneut rund 70% zusammengestaucht werden sollen, ist für so gut wie alle Marktteilnehmer inakzeptabel. Deshalb fiel der Kurs sogar auf nur noch 25%. Wer Argentinien für die vergangenen zwanzig Jahre Geld anvertraute, soll also zweimal gut 70% oder in der Summe über 90% des Einsatzes abschreiben. Peronistische Politiker brüsten sich mit der Aussage, dass die Anleger ja selbst schuld sind, da sie wussten, worauf sie sich einliessen. Ganz schön dreist. Aber mit der neunten Runde dürfte der letzte Tango für Argentinien aufspielen. Auf dem internationalen Anleihemarkt wird das Land nicht mehr richtig Fuss fassen.


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