Robert Jakobs Wirtschaftslupe: Auf der Suche nach der Dunkelziffer zum Wohle der Wirtschaft
Von Robert Jakob
Die Mehrzahl der mit dem Coronavirus weltweit Infizierten weiss noch gar nichts von ihrem Pech. Könnte man aus der Dunkel- eine Hellziffer machen, würde die Virusverbreitung wohl am schnellsten eingedämmt.
Modellierungsstudien zur Pandemie spriessen seit vier Monaten wie Pilze. Sie beruhen aber immer auf Annahmen und sind nur so gut wie die eingetippten Parameter. Daher besteht die Gefahr eines Kreisschlusses. Modellierungen kommen teilweise auf dramatisch hohe Dunkelziffern. Bessere Sicht versprechen Querschnittstudien. Nach den methodisch teilweise fragwürdigen Erhebungen in Heimsberg (selection bias, da kaum Seniorenheimbewohner eingeschlossen waren) und Wien kommen jetzt immer mehr Studienergebnisse mit viel breiter gestreuten Probandenzahlen zur Auswertung. Hinweise auf die Dunkelziffer der Coronainfizierten gaben bereits Untersuchungen von Blutkonserven, bei denen Antikörper gegen das Virus bei ein bis drei Prozent der Spender nachgewiesen wurden.
Neuste Studien rechnen, dass in Frankreich und Spanien die auf die Gesamtbevölkerung hochgerechnete Anzahl der bereits mit dem Coronavirus Infizierten bei 4,4 respektive 5 Prozent liege. Die Letalität, als Anzahl der Verstorbenen pro dokumentierte Fälle, liegt in diesen Ländern bei 15 Prozent (für Frankreich, bei rund 180 000 nachgewiesenen Infektionen), respektive 10 Prozent (für Spanien, bei rund 280 000 nachgewiesenen Infektionen). Spanien mit seinen rund 47 Millionen Einwohnern hätte demnach erst 0,6% statt 5% seiner Infizierten erfasst, was einer 7fach höheren Dunkelziffer entspricht. Bei Frankreich, wären die Verhältnisse noch extremer. Hier läge die Dunkelziffer doppelt so hoch beim 15fachen. Die französische Studie ist eine Modellierung (Henrik Salje et al. Science 13 May 2020:eabc3517 DOI: 10.1126/science.abc3517). Die spanische beruht auf einer Querschnittstudie von 36000 Haushalten. Spanien hat eine mehr als doppelt so hohe Testrate pro Einwohner als Frankreich.
Die gute Nachricht: Die reale Todesrate wird sich bei Abklingen der Infektionswelle in beiden Ländern deutlich zurückbilden. Und zwar um die Grösse der Dunkelziffer.
Wundertüte Dunkelziffer
Die hängt zwar von vielerlei sozialen, testspezifischen und auch geographischen Faktoren ab. Die Dunkelziffer bestimmt aber massgeblich, wie schnell und in welchem Umfang die wirtschaftsschädlichen Coronamassnahmen gelockert werden können. Denn wer nicht merkt, dass er krank ist, kann das Virus unwissentlich und damit umso schneller verbreiten.
Hier hilft ein Blick auf das bereits in einer früheren Wirtschaftslupe proklamierte „Testlabor Island“. Auf der Nordatlantikinsel wurden mehr als 6163 Personen zufällig ausgewählt. Dabei kam heraus, dass die Häufigkeit der Infektion bei 0,84 Prozent lag (52 positive Fälle von diesen 6163 zufällig herausgefischten Isländern, bei 364 134 Einwohnern insgesamt). Island hatte am 21. April bereits ein Achtel seiner Bevölkerung getestet.
Zum Vergleich: zu jener Zeit lag die Testrate in den USA bei 16,4 Promille und in Spanien bei 22,3 Promille. Bei 1778 Infizierten gab es in Island nur 10 Todesfälle. Das entspricht einer Fallverstorbenenrate von 0,56% bei einer „nur“ 50%-igen Dunkelziffer (da 0,84/0,56). Vier Wochen später liegen wir bei 1802 Infizierten und immer noch bei nur 10 Toten. Die Färöer Inseln haben übrigens ähnlich hohe Testraten wie Island. Dort ist niemand von knapp 200 Infizierten gestorben. Das zeigt, wie vernünftig die Forderungen nach möglichst flächendeckenden Tests auf das Coronavirus waren. Denn damit kann man die Infizierten früh herausfischen (tracing and tracking).
Die Letalität bezogen auf die hochgerechnet tatsächlich Infizierten beträgt in Island nach erfolgreicher Eindämmung nur 0,327% (nämlich 10/ 364134 X 0,84%). Dieser Wert ist sehr gut, solange es bei der ersten Welle oder diesem ersten Peak bleibt. Island wird dafür besonders auf der Hut sein und fleissig weiter testen. Mittlerweile wurden 17 Prozent der Bevölkerung untersucht. Im Verhältnis ist das fünfmal mehr als in den USA. Island musste seine Wirtschaft nicht in den Shutdown schicken und kann nun durchatmen.
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