Robert Jakobs Wirtschaftslupe: Bakterielles Banking

Robert Jakobs Wirtschaftslupe: Bakterielles Banking
Buchautor und Moneycab-Kolumnist Robert Jakob.

Vor zwanzig Jahren machte ich mich über IBM Schweiz lustig. Die waren damals Pionier der schönen neuen Arbeitswelt. Dort hatte jeder Mitarbeiter nicht nur wenige Quadratmeter Arbeitsplatz; es gab sogar schon das, was man heute „Shared Desk“ oder „Clean Desk“ nennt. Wenn sich nämlich die Angestellten jeden Tag einen neuen Arbeitsplatz suchen müssen. Damals war IBM sicherlich die „verdichtetste“ Firma der Schweiz.

Heutzutage sind nicht IT-Firmen, sondern Banken Vorreiter der neuen Arbeitswelten. In den Medien wurde gerade eine Schweizer Grossbank gehänselt. Die hatte ihre Mitarbeitenden zwar seit Jahrzehnten massenhaft in Grossraumbüros gezwängt, aber erst in den letzten Jahren so richtig den „fliegenden Arbeitsplatz“ entdeckt. Denn wenn die Zinsmarge sinkt, muss eben durch Umgehen der teuren Zürcher Büromieten Geld gespart werden. Bei der Bank gibt es da ganz wilde Raumoptimierer. Das geht so weit, dass auf 100 Büroangestellte einfach nur durchschnittlich 80 Arbeitsplätze zur Verfügung stehen. Als „nichtterritoriale Arbeitsplätze“ werden die vogelfreien Schreibtische umständlich und schönfärberisch bezeichnet. Ein Bekannter von mir arbeitete als einer von 24 Mitarbeitenden in einem Büro mit 18 Arbeitsplätzen. Wer zu spät kommt, tja, den bestraft dann halt das Homeoffice.

Ein anderer Kollege von mir (Nicht-Banker und ebenfalls eine treue Seele) macht dasselbe seit rund einem Jahr in einem Industrieunternehmen mit. Bevor er sich in Rambo-Manier einen Arbeitsplatz erkämpfen muss, geht er lieber wieder. Ihm wurde noch nicht gekündigt. Es kam auch noch nicht zu einem Meuchelmord um einen freien Arbeits-Cubicle. Er genoss einfach die Arbeit zuhause, ohne Dichtestress.

Häufiger krank in Grossraumbüros
Wer im Grossraumbüro arbeitet, meldet sich häufiger krank. Das haben Forscher der Universität Luzern in einer Studie mit weit über tausend Arbeitnehmenden herausgefunden. Während die Hälfte der in Einzelbüros Arbeitenden innerhalb eines Jahres nie krankheitsbedingt gefehlt hatte, waren es in Büros ab 16 Personen nur gerade 30 Prozent.

Gesund ist die Menschenverdichtung allemal nicht. Allein die Lautstärke im „Open Space“ liegt Messungen zufolge im Schnitt zwischen 60 und 70 Dezibel. Zum Vergleich: Ein Staubsauger in einem Meter Entfernung bringt es auf 70 Dezibel. Das erhöht schon mal bei sensiblen Gemütern den Blutdruck.

Häufig sieht man Angestellte mit Kopfhörern und Ohrenstöpseln vor dem Computer sitzen. Wer telefonieren möchte oder mal etwas Ruhe zum Nachdenken braucht, zieht sich in eine extra dafür ausgesparte Kabine oder Kammer zurück; im schlechtesten Fall hilft das Klo. Und hier fängt das Problem an. Menschenversammlungen in offenen Räumen sind Brutstätten. Ich meine damit nicht die für klassische Bürointrigen, sondern für Viren und vor allem Bakterien. Einem Mikrobiologen überkommt beim Gedanken an „integrierte Teamarbeitsplätze“ oder was auch immer noch für Blasenbegriffe kursieren, das eiskalte Grausen. Zu viel Nähe und das auch noch in schlecht gelüfteten Räumen bei zu hohen Durchschnittstemperaturen, während sich die Listerien in den Rohrleitungen zur Party treffen: nein danke. Da kann jeder Kontakt ansteckend sein.

Bakterienschleudern Computertastaturen- und Telefonapparate
Es gibt übrigens fast nichts Kontaminierteres als Computertastaturen- und Telefonapparate. Glücklich, wer seine eigene Tastatur mitbringen darf oder wo die Putzfrau ein Einsehen hat. Und hier beisst sich die Katze in den Schwanz. Ausgerechnet die Grossraumvariante „Shared Desk“ wird zum schlecht gepflegten Sprungbrett, auf der sich die Angestellten rege ihre Parasiten austauschen. Vielleicht lesen sie in ein paar Jahren in den Zeitungen die provokative Überschrift: „Impfzwang für Grossraumangestellte?“


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Zum Autor:
Robert Jakob ist promovierter Naturwissenschaftler und Buchautor und arbeitete sowohl in der Grundlagenforschung als auch für Verlage, Versicherungen und Banken. Seit Jahrzehnten ist der Wissenschaftler und Kommunikationsspezialist ein ausgewiesener Kenner der Finanzszene. Er leitete nicht nur die Redaktion des Swiss Equity Magazins (einem Tochterunternehmen der NZZ), sondern dortselbst auch das Team der Aktienanalysten.

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