Robert Jakobs Wirtschaftslupe: Comicgros gegen MOOP – Warum ich nicht selbst scannen mag
Von Robert Jakob
Der Mensch ist ein Optimierer. Das ist durchaus ein Fortschrott – pardon Fortschritt. Und so macht dieser auch vor der Zeitoptimierung im Supermarkt nicht halt. Neue Apparate braucht der Mensch. So will es zumindest der Einzelhandel.
Ich will gar nicht wissen, was die Aufrüstung an den Kassen in Zeiten des ökologischen Fussabdrucks an grauer Energie verschwendet. Allein das viele Metall und Plastik, das an den Terminals und Handscannern verbaut ist! Dafür gibt’s schon mal die Goldene Umwelt-Himbeere. Befürworter der neuen Einkaufswelle werden den langfristigen Abbau einer oder zweier klassischer Kassen inklusive der teuren Rollenantriebe und der langen, langen Gummilaufbänder als Vorteil in die Waagschale werfen. Aber wird man die Kassen dann als edle Spende in arme Drittweltländer verschiffen? Oder werden sie verschrottet? Muss ich jetzt die Aktie von Interroll, dem Weltmarktführer für Rollenantriebe und Gummilaufbänder, von meiner „Buy“-Liste streichen? Fragen über Fragen wirft die neue Einkaufswelt auf.
Bei mir zuhause bei COOP höre ich immer weniger das zeitgewinnende: „Frau Inderbitzin, bitte Kasse drüh besätzeh“. Stattdessen macht man mir vier Scanautomaten schmackhaft, an denen ich dann aber leider gerade zufällig das fünfte Rad am Wagen bin. Als ich dann nach nur dreissig Sekunden Wartezeit selbst Kunde und Kassierer in Personalunion spiele, spüre ich plötzlich den eiskalten Blick von Frau Inderbitzin in meinem Rücken. Ich komme mir vor, wie bei meinen früheren Besuchen in der DDR. Die Volkspolizistin wacht darüber, ob ja alle über den Scanner genudelten Waren ihren Piepton von sich geben und ob auch nichts sonst irgendwie am Barcodeleser vorbeigeschmuggelt wurde. Dazu gesellt sich, wie selbstverständlich, eine Überwachungskamera. Als Sohn eines Einzelhandelskaufmanns liegt mir Ladendiebstahl so fern wie einer Katze das Häkeln, aber unangenehm finde ich die Grossüberwachung gleichwohl.
Szenenwechsel: Bei der Migros hat es drei Scanautomaten. Dafür steht mir die Einkaufskontrolle vis-à-vis von Angesicht zu Angesicht. Immerhin die menschlichere Variante. Aber seit drei Tagen vermisse ich meine beiden Lieblingskassiererinnen. Ob sie wohl beide zeitgleich in Urlaub oder krank sind? Vielleicht wurde eine von beiden schon lange vor der Rollenkasse abgebaut, oder sollte ich sagen entsorgt?
Hinter mir betreibt eine gute Bekannte von mir Self-Scanning mit der Pistole. „Musst du mal ausprobieren, ist echt cool“, meint sie. Ich mag die Grosseinkaufvariante mit dem Barcode-Gewehr nicht. Egal ob sie Subito oder Passabene heisst. Kommt mir zwar nicht Spanisch vor, da ich passabel Italienisch spreche, aber ist für mich Marketing-Hype hoch zwei. Erstens komme ich mir vor wie in einem Saloon, immer mit der Hand am Abzugshahn, und zweitens will ich gar nicht wissen, was der laufende Geldwert meiner Einkäufe ist. Ich lasse mich lieber überraschen.
Oft bin ich erstaunt, wie viel Ware für wenig Geld man in der Schweiz bekommt. Meistens liege ich im Supermarkt eh auf der Lauer. Ich drehe, wenn alle klassischen Rollenkassen besetzt sind, noch eine kurze Ehrenrunde auf Schnäppchenjagd und wende mich dann an die nächste frei werdende Kassiererin, um fünfzehn Sekunden Smalltalk zu halten, in der Hoffnung, dass sie nicht eines Tages durch einen Volkspolizisten aus der DDR ersetzt wird.
Robert Jakobs neuestes Buch:
„Einmal lieben und gehen“
geht es um die Frage, wer Gott wirklich ist, und was das für Folgen haben kann. Gleichzeitig ist es eine abenteuerliche Reise durch die Menschheitsgeschichte.
„Einmal lieben und gehen“ neu im Landtwing Verlag (ISBN: 978-3-03808-033-6)
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