Von Robert Jakob
Viel Porzellan ist in den letzten Jahren zerschlagen worden. Zeit, einmal ganz nüchtern die Fakten sprechen zu lassen: Was lief richtig – was lief falsch – und wer zahlt die Rechnung?
VERSÄUMNISSE zu Beginn: Kurz nach der Jahrzehntwende war klar, dass sich etwas Grosses auftürmen würde. Ein neues tödliches Virus war von Tieren auf Menschen übergeschnappt. Volle zwei Monate aber haben die Behörden nicht nur in der Schweiz, Deutschland und in China, sondern überall auf der Welt gepennt. Es hatte weder genügend Schutzmasken, noch genügend Desinfektionsmittel, noch genügend medizinisches Material – noch einen Plan. Schlimmer noch, selbst die Gesundheitsbürokratie half mit, die Gefahr herunterzuspielen, indem sie Masken gegen jede wissenschaftliche Einsicht, zunächst für unwirksam erklärte. Bald darauf mussten die Behörden zurückrudern und kauften allerlei Schutzmasken, zum Teil zu völlig überrissenen Preisen. Verfahren gegen mutmassliche Wirtschaftskriminelle, die sich an Maskendeals bereichert hatten, laufen heute noch.
Zu Beginn der Pandemie blieb es nicht bei einem einzigen Engpass. Kurz nach den Schutzmasken brauchten Kliniken mehr Beatmungsgeräte, um die vielen Schwerkranken mit Sauerstoff zu versorgen. Doch die Neuanschaffung von Maschinen hatte kaum etwas gebracht, da die Personaldecke an ihre Grenzen stiess. Beatmungsgeräte müssen ja auch eingestellt und überwacht werden.
Die Krankenhäuser hatten ihr Personal voll auf die Versorgung von Covid-19-Patienten konzentriert und alle Eingriffe abgesagt, die man irgendwie verschieben konnte. Das war für sie wirtschaftlich eine Katastrophe, aber taktisch richtig, denn es ging plötzlich um Leben oder Tod. Ich beispielsweise kam noch als Letzter auf den verbleibenden freien IPS-Platz. Leider starben zunächst knapp die Hälfte aller beatmeten Intensivpatienten. Eine wichtige Lehre lautet: Der eigentliche Engpass auf den Intensivstationen sind nicht die Geräte – es sind die Pflegekräfte.
VERSÄUMNISSE in den grossen Wellen: Die 180-Grad-Wende bei der Maskenfrage hat die staatlichen Autoritäten unheimlich viel Glaubwürdigkeit gekostet. Die Mitbürger wurden verständlicherweise misstrauisch und fühlten sich gegängelt. Jeder wusste es plötzlich besser, und die Schweiz bestand aus Millionen Virologen.
Heute ist klar, dass das Infektionsrisiko im Einzelhandel oder beim Coiffeur mit einer medizinischen Maske relativ gering war und ist. In Schulen, Restaurants und Büros ist der R-Wert – also die Zahl, die angibt, wie viele Personen ein Infizierter im Durchschnitt ansteckt – um vieles höher als beim Einkaufen. Das zeigt eine Datenauswertung der Technischen Universität Berlin und des Hermann-Rietschel-Instituts (Kriegel, Hartmann; Covid-19 Ansteckung über Aerosolpartikel – Vergleichende Bewertung von Innenräumen hinsichtlich des situationsbedingten R-Wertes). Die Schutzwirkung einer FFP-2-Maske ist sogar noch einmal um Vieles besser.
Aber zehn Stunden am Stück die Maske aufzuhaben, das kostet, egal welche es ist, unglaublich viel Kraft. Da kann man die Betroffenen verstehen. Und Schulschliessungen müssen klar die Ultima Ratio sein. Studenten, Jugendliche und vor allem Kinder litten sehr unter übertrieben restriktiven Massnahmen und wurden in ihrer Ausbildung gehemmt. Online-Unterricht brachte nur teilweise Ersatz, während das Homeoffice von den meisten Arbeitenden aus Grossraumbüros als Segen oder Abwechslung empfunden wurde.
In der ersten Phase der Pandemie, als Pflegeheime und Kliniken abgeriegelt wurden, mussten viele Menschen einsam sterben. Angehörige konnten sich nicht mehr oder nur noch per Videobotschaft für immer verabschieden. Hier hätte man unter Einhaltung der nötigen Vorsichtsmassnahmen unbedingt und sehr einfach Ausnahmen vom Besuchsverbot machen können.
LESSONS LEARNED:
Nur der Tod ist umsonst, und der kostet das Leben.
Aber schnelles Handeln hat sich in der Krise durchaus gelohnt. Die Schlafmützigkeit der Trump-Administration und Bolsonaros (Brasilien) Ignoranz führten zu besonders hoher Sterblichkeit/Mortalität in den jeweiligen Ländern: Die USA haben weit über eine Million Tote zu beklagen, fast 0,4 Prozent der gesamten Bevölkerung. Prozentual sind es in Deutschland und der Schweiz nur halb so viele, und das obwohl die Bevölkerung bei uns im Durchschnitt deutlich älter ist. Das schärfere Vorgehen hat gewirkt, aber die Fronten zwischen Impfgegnern und Befürwortern wurden verhärtet.
Dabei hatte der deutschsprachige Raum dank der guten Krankenhausinfrastruktur noch Glück. So betrug die Case Fatality Rate = CFR, oder Fallsterblichkeit/Tödlichkeit, als das Verhältnis der gestorbenen Personen zu den Infizierten in Deutschland durchschnittlich rund 0,45 Prozent. Das sind rund 60% weniger als in den USA. In Mexiko liegt die Fallsterblichkeitsrate zehnmal so hoch wie in der Bundesrepublik.
Nur der Tod ist umsonst, aber der kostet das Leben. Chinas harte Null-Covid-Politik mit dem Wegsperren von Millionen Menschen kann nicht als Vorbild dienen, denn sie hatte nicht den durchschlagenden Erfolg, den die staatlich gefälschten Zahlen uns weissmachen sollen (https://www.moneycab.com/dossiers/robert-jakobs-wirtschaftslupe-opium-fuers-volk-teil-4/).
In Bezug auf die Tödlichkeit müssen mehrere Faktoren, wie etwa der Impffortschritt, mitgedacht werden. Eine hohe Dunkelziffer nicht diagnostizierter Fälle lässt den Fall-Verstorbenen-Anteil CFR höher erscheinen. Eine hohe Immunkompetenz der Bevölkerung, sei es durch natürliche Infektion, sei es durch Impfung, lässt die Fallsterblichkeitsrate sinken, weil die Krankheit nicht mehr so oft tödlich verläuft. Natürlich infizierte Menschen sterben aber durch die Infektion extrem häufiger als Covid-19-Geimpfte. Da es mit der Zeit immer weniger Ungeimpfte gab, nahm die absolute Zahl der trotz Impfung erkrankten Geimpften zu. Coronaleugner sind jetzt, da es bei uns verhältnismässig viel weniger Tote gibt und die CFR bei rund einem Promill’ liegt, der Meinung, Corona wäre im Grunde genommen gar nie schlimm gewesen, was einem doppelten Zirkelschluss entspricht. Über zweihundert Jahre sind mittlerweile vergangen, seit der Arzt Edward Jenner das Impfen erfand. Die Methode hat im Kampf gegen Pocken, Pest, Masern, Schweissfieber, Kinderlähmung, Hepatitis, Grippe, Cholera, Typhus, Syphilis… Aberdutzenden von Millionen Menschen das Leben gerettet. Der Grund für die mittlerweile milderen Verläufe im Corona-Zeitalter liegt in allererster Linie am Impfen.
Jede Impfung kann eine Vielzahl von Nebenwirkungen mit sich bringen. Die Impfstoffe von AstraZeneca und von Johnson&Johnson führten in einigen Fällen zu lebensgefährlichen Sinusvenenthrombosen. Interessanterweise wurde der Impfstoff Comirnaty (BioNTec) vereinzelt eher mit antithrombotischen Wirkungen in Verbindung gebracht. Herzmuskel- und Herzbeutelentzündungen können bei BioNTec und Moderna auftreten. Impfstoffhersteller sollten verpflichtet werden, sämtliche Rohdaten der klinischen Studien und der Verlaufsstudien der wissenschaftlichen Community zur Verfügung zu stellen, da dies anonymisiert überhaupt kein Problem ist. Das würde für noch mehr Transparenz sorgen, die Weiterentwicklung im Gesundheitssystem fördern und Kosten senken.
Geimpfte können Kontaktpersonen anstecken (allerdings in deutlich geringerem Ausmass als durch Ungeimpfte (s. Nature Communications volume 14, article number: 5452 – 2023), vor allem wenn letztere noch keinen Impfschutz haben. Dazu gibt es einen Präzedenzfall: Der erste Impfstoff gegen die Kinderlähmung, einer viralen Krankheit, die ähnlich ansteckend ist wie SARS-CoV-2, konnte nur die Geimpften vor der Krankheit schützen, eine Ansteckung anderer Personen durch Geimpfte wurde dadurch aber nicht verhindert. Derartige wissenschaftliche Fakten werden leider genutzt, um gegen die Impfung selbst zu weibeln.
Notrecht ist kein Freibrief
Mit der Zeit zeigte es sich, dass es nicht nur ein Long-Covid-Syndrom, Spätschäden einer Infektion (die Patientenorganisation «Long Covid Schweiz» spricht allein für die Schweiz von 300’000 Schweizer Betroffenen), sondern auch ein Post-Vaccination-Syndrom gibt. Langzeitschäden nach einer Impfung sind zwar im Vergleich zu den über 13 Milliarden weltweit verabreichten Impfdosen selten, kommen aber vor und werden leider vom Staat und von den Versicherungen stiefmütterlich behandelt. Natürlich kann der Staat nicht immer für alles sorgen. Aber seine Verantwortung bleibt gross, und die Frage steht im Raum, in wie weit Gewinne in der Coronakrise privatisiert und umgekehrt Risiken verstaatlicht werden. Während der Finanzkrise 2008/2009, der Corona-Pandemie, dem Rettungsschirm für die Axpo und der Zwangsintegration der Credit Suisse wurde im Heimatland der direkten Demokratie, der Schweiz, per Notrecht agiert. Parlament und Bevölkerung dürfen sich zu Recht die Frage stellen, wie es um die Volksvertretung steht, wenn Regeln, Gesetze oder einklagbare Verantwortlichkeiten jeweils vom Bundesrat durch die Anwendung von Notrecht ausgehebelt werden.
Im fünften Coronajahr ist nun ein weiteres Übersichtswerk zur Pandemie erschienen mit einem breiten Spektrum kritischer Beiträge aus der gesamten DACH-Region. Liefernachweis: ISBN 978-3950532722, 24 Euro bei Cognac&Biskotten: Gewidmet all den Menschen, die unter den Auswirkungen der Pandemie gelitten haben oder noch immer leiden und jenen Millionen, die daran zugrunde gegangen sind.