Genau zehn Jahre ist es her, dass toxische amerikanische Wertpapiere die Weltfinanzkrise auslösten. Das Gift aus drei Buchstaben hatte Abkürzungen wie MBS (mortgage backed securities = mit Hypothekarforderungen unterlegte „Wertpapiere“) oder generell ABS (asset backed securities = mit Anlagen unterlegte „Wertpapiere“). Da die Unterlegung auf wackeligen Beinen stand, kam es zum GAU. Das Kartenhaus fiel zusammen.
Von Robert Jakob
Nun zittert die Wirtschaft weltweit erneut vor den USA. Aber diesmal geht es nicht um Kreditforderungen, die nur halb gedeckt sind, sondern um das Abwürgen der Weltkonjunktur durch Handelsbeschränkungen. Seit Columbus 1492 Amerika entdeckte, blüht die Weltwirtschaft durch den internationalen Handel. Der freie Fluss der Waren schaffte über ein halbes Jahrtausend lang Arbeit und Brot. Niemand kann das bezweifeln. Wie sieht aber die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung aus, wenn es einem Egomanen gelingen sollte, Sand ins Getriebe zu streuen?
Die Kaskade aus Strafzöllen und Retourkutschen steht im Moment noch bei rund 100 Milliarden USD Handelsvolumen pro Jahr, wird aber, wenn es in der Trump Administration kein Einsehen gibt, auf Ende Jahr rasch auf über rund anderthalb Billionen USD angewachsen sein. Auf eine angedrohte Autostrafsteuer droht die EU zu Recht mit Vergeltungsmassnahmen in Höhe von 300 Milliarden Dollar. Gegen China droht Trump bereits mit bis zu 500 Milliarden. Wie tickt nun diese Zeitbombe?
Paul Samuelson hat seinen Wirtschaftsnobelpreis u.a. dafür bekommen, dass er den Kaskadeneffekt des Geldausgebens mathematisch analysierte. Jeder in den Wirtschaftskreislauf eingeschleuste Dollar gebiert über kurz oder lang neues Geld. So will es die Infinitesimalrechnung.
Preiselastizität und der Samuelson’schen Multiplikatoreffekt
Nun ist es allerdings nicht so, dass die zu befürchteten wechselseitigen Strafzölle in Höhe von 1,5 Billionen Dollar über alle „Handelspartner“ hinweg voll auf die Handelsbilanz durchschlagen. Das hängt von der Preiselastizität. Ein 10-prozentiger Strafzoll mag bei einem Gut zu einem starken Rückgang der Nachfrage führen, bei einem anderen Gut zu einem weniger starken. Nehmen wir eine durchschnittliche Preiselastizität von 1 an. Dieser Wert liegt in der Mitte zwischen einer elastischen und einer unelastischen Nachfrage. In diesem Fall würde ein 20%iger Strafzoll, wie er im Trump‘schen Kriegsmodell gang und gäbe ist (je nach Lust und Laune werden Zölle von 10 bis 25% verhängt), zu einem Nachfrageeinbruch von 20% führen. Bei einem Handelsstrafzollvolumen von 1,5 Billionen bedeutet dies einen durchschnittlichen Handelsstromverlust von zunächst nur 300 Milliarden.
Allerdings haben wir die Berechnung ohne den Samuelson’schen Multiplikatoreffekt gemacht. Handel macht alle glücklich. Ein ausgegebener Taler wandert von einer Hand in die andere, wie im berühmten Volkslied „Taler. Taler, du musst wandern“. Und so kreiert er im Schnitt zwei zusätzliche. Er ist also eigentlich drei Taler wert. Dieser Mechanismus lässt sich selbstverständlich auch umkehren.
Die Strafzölle dürften weltweit zu einer Einbusse von mindestens 900 Milliarden Dollar an Handelsvolumen pro Jahr führen, was einem Anteil von einem Prozent des weltweiten Bruttosozialproduktes entspricht. Dreht Trump also weiter an seiner so lockeren Schraube, ist die Weltwirtschaft wirkungsvoll ein für allemal ausgebremst. Mittlerweile ist der Einkaufsmanagerindex für die weltweite Industrie im Juni auf ein Elf-Monats-Tief gesunken. An der nächsten Weltwirtschaftskrise werden vermutlich wieder die US-Amerikaner schuld sein.
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Zum Autor:
Robert Jakob ist promovierter Naturwissenschaftler und Buchautor und arbeitete sowohl in der Grundlagenforschung als auch für Verlage, Versicherungen und Banken. Seit Jahrzehnten ist der Wissenschaftler und Kommunikationsspezialist ein ausgewiesener Kenner der Finanzszene. Er leitete nicht nur die Redaktion des Swiss Equity Magazins (einem Tochterunternehmen der NZZ), sondern dortselbst auch das Team der Aktienanalysten.