Robert Jakobs Wirtschaftslupe: Deutschlands Zukunft liegt in Frankreich

Robert Jakobs Wirtschaftslupe: Deutschlands Zukunft liegt in Frankreich
Nach 35 Jahren ist mit Angela Merkel wieder ein Deutscher Kanzler in die Sommerresidenz des französischen Präsidenten eingeladen worden.

Von Robert Jakob

Die Grande Nation gilt schon seit Längerem als angezählt. Vor allem in Deutschland schaut man argwöhnisch auf jedes weitere Zeichen wirtschaftlicher und struktureller Schwäche. Das moderne Frankreich hat die Stilblüten des Neoprotektionisten Emmanuel Todd und des ungenau recherchierenden Kapitalismuskritikers Thomas Piketty hervorgebracht. Aber die geistige Schlüsselposition im Herzen Europas hält mit Emmanuel Macron ein ehemaliger Investmentbanker inne, also ein Herr des frei fliessenden Geldes.

Im Ausland brilliert der französische Präsident mit Charme und weltmännischer Diplomatie, sei es mit seinen Hilfszusagen an den gebeutelten Libanon, sei es mit der verstärkten französischen Militärpräsenz im östlichen Mittelmeer, um dem türkischen Präsidenten Erdogan die Grenzen aufzuzeigen.

Frankreich hatte nie Angst, sich international aus dem Fenster zu lehnen. Deutschland hingegen ist seit dem unsäglichen 12jährigen 1000jährigen Reich in einer aussenpolitischen Dauerdefensive, die sich durch seinen farblosen Aussenminister seit zweieinhalb Jahren akzentuiert hat.

Geradezu peinlich war das kleinlaute Auftreten von Heiko Maas bei seinem russischen Amtskollegen Lawrow. Die deutschen Drohungen im Fall Kangoshvili, dem Mord im Tiergarten, tönen dann so: „Für den Fall, dass es entsprechende Feststellungen in diesem Urteil gibt, muss man damit rechnen, dass wir darauf auch noch einmal reagieren werden.“ Mich graust jetzt schon vorm „Wording“ des deutschen Aussenministeriums im Fall Nawalny.

Ähnlich druckvoll klingen die „Drohungen“ gegenüber China wegen des „Sicherheitsgesetzes“ für Hongkong. Total handzahm war Maas´ Reaktion auf die Erpressungsversuche der amerikanischen Gaslobby in Form eines Drohbriefes der „vereinigten republikanischen Senatoren“ Ted Cruz, Tom Cotton und Ron Johnson gegen den Hafen von Sassnitz, Umschlagplatz für Material der Nord Stream 2 Pipeline. Da kam bei Maas Empörung mit dreifach gezogener Handbremse auf.

Man stelle sich einmal vor, wie Amerika reagieren würde, wenn ein paar deutsche Hinterbänkler, angeführt von Martin Schulz, dem Hafen von Boston mit wirtschaftlicher Vernichtung drohten!

Ein ganz anderes Kaliber
Der französische Staatspräsident geisselte bereits im Oktober letzten Jahres das transatlantische NATO-Bündnis als hirntot. Die Verlegung weiterer amerikanischer Truppen von Deutschland nach Polen dient nicht etwa dem Schutz Westeuropas, sondern den Wirtschaftsinteressen der USA. Polen ist mit der Bestellung von 32 megateuren US-Kampfjets vom Typ F35 Grosskunde, und eine stärkere militärische Präsenz an der Ostflanke erhöht nach Ansicht der US-Militärstrategen den Druck auf den wirtschaftlichen Feind Nummer zwei der Amerikaner: Russland. Das sind dann also gleich zwei Fliegen mit einer Klappe.

Macron bemerkte zu Recht, dass es „keinerlei Koordination bei strategischen Entscheiden zwischen den USA und ihren Verbündeten“ gibt. Das Bündnis verkommt zum Spielball der US-Wirtschaftsinteressen. Europa kann sich in nichts mehr auf die USA verlassen. Das ist Macron klar. Nicht zuletzt auch deshalb ist Angela Merkel, die deutsche Kanzlerin der leisen Töne, als erstes deutsches Regierungsoberhaupt seit 35 Jahren zu Gesprächen in die Sommerresidenz des französischen Präsidenten gereist.

Aus falsch verstandener Pietät traut sich niemand dem seit Jahren dahinsiechenden Patienten NATO die Beatmungsgeräte abzuschalten. Dabei gäbe es für Europa bessere Alternativen als der obsolet gewordene Nordatlantikpakt.

Weniger Industrie, mehr Militär
Zwar kommen nur noch weniger als ein Sechstel des französischen Bruttosozialproduktes aus der Industrie; hier liegt Frankreich gegenüber Deutschland ganz weit zurück. Aber in einem Industrie-Zweig ist man führend; und das sind die Waffen. Und zwar als Nummer drei der Welt, hinter den USA (mit 36% aller Waffenexporte weltweit, davon nach Angaben des Stockholm International Peace Research Institute SIPRI zu über der Hälfte in Länder, die Krieg führen) und den Russen (mit einem Fünftel). In Frankreich haben mit Dassault und Airbus gleich zwei der weltweit besten Zivil- und vor allem Militärflugzeugkonstrukteure ihren Sitz. Dassault ist Konstrukteur der Kampfjets Rafale und Mirage. Die französischen Streitkräfte sind zahlenmässig stärker besetzt als die deutschen und verfügen mit der Fremdenlegion über eine grosse kampferprobte internationale Einsatztruppe.

Das von General de Gaule bereits 1958 initiierte nukleare Abschreckungsprogramm machte Frankreich zur Atommacht (force de frappe). Seine aktuell rund 280 Atomsprengköpfe sind nur ein Bruchteil der amerikanischen oder russischen Schlagkraft, doch jeder Angriff auf Frankreich wäre selbstmörderisch. Deutschland wäre bestens beraten, sich an Frankreich als Bündnispartner militärisch anzulehnen. Es würde damit unter den Atomschirm Frankreichs kriechen und die leidige Diskussion um höhere Militärausgaben wäre vom Tisch.

Ein durch militärische Kooperation angestossenes Wiedererstarken der deutsch-französischen Achse der Europäischen Gemeinschaft (vgl. Alfred Grosser, Les Occidentaux. Les pays d`Europe et les Etats-Unis depuis la guerre. Ed. Fayard, Paris 1978) könnte Europa als politische Weltmacht stärken. Die weiteren Kernländer der aus der Montanunion hervorgegangenen Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) würden dann wahrscheinlich eher früher als später dazustossen.


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