Robert Jakobs Wirtschaftslupe: USA gegen ROW

Unser Kolumnist Robert Jakob ist mit den USA auf vielfältige Weise verbandelt.

Von Robert Jakob

Ich habe mehr als ein halbes Jahr meines Lebens in Amerika verbracht. Obwohl fast alle Einwohner Zugewanderte sind, haben die US-Amerikaner ein merkwürdiges Verhältnis zum Rest der Welt. Da ich Tausende Verwandte drüben habe, darf ich mir hierzu einige böse Bemerkungen erlauben.

In betriebswirtschaftlichen Zahlensammlungen oder Powerpoint-Präsentationen im Gähn-Format gibt es in den Vereinigten Staaten oft nur zweierlei Kategorien: The USA und der Rest of the World (abgekürzt ROW). Das verengt den geistigen Horizont. Für viele Amerikaner sind Schweden und die Schweiz dasselbe. In geographischen Belangen mag die Unfähigkeit zu differenzieren ja noch angehen. Bei der Volks- und Betriebswirtschaft schlägt das Pendel aber erfahrungsgemäss in blankem Chauvinismus aus.

Ich war einmal Produktmanager für eine Fortune100-Firma. Eine meiner Aufgaben war die Zuweisung 100’000 DM-teurer Labor-Analysengeräte. Spitäler in ganz Europa bekamen sie von mir gratis zugewiesen. Refinanziert wurde das Ganze durch das kostenintensive Verbrauchsmaterial, wie HIV- und Hepatitistests und vieles mehr. Die Firma, nennen wir sie Retbax, machte ein Viertel ihres Umsatzes in den USA, drei Viertel im ROW. Zu ROW gehörten Ozeanien und Europa. Afrika war inexistent (die haben kein Geld). Asien wurde einfach Ozeanien zugeschlagen. Ich hatte also nur einen Management-Kollegen auf gleicher hierarchischer Ebene – und der sass in Sydney.

Die Verteilung der Gratisgeräte lief paritätisch 50/50. Obwohl mit dem Analysegerät nur ein Viertel des Weltumsatzes von Retbax in den USA gemacht wurde, bekam der Aussendienst meines Arbeitgebers die Hälfte aller Geräte für die amerikanischen Spitäler. Als dann die weltweite Wirtschaftskriese kam, wuchs der Verteilschlüssel sogar auf 75 zu 25. Der ROW verhungerte. Ich musste meinem Aussendienst alte aufgemotzte Geräte zuweisen und mir anhören, dass wir nicht genug Tests verkauften und in Europa so unverschämt hohe Gehälter hätten. Bald darauf sassen mein kanadischer Chef, ich und der Australier auf der Strasse.

Nichts Neues aus Absurdistan
«Jeder ist sich selbst der Nächste» ist ein alter Hut. Aber diese egoistische Devise kommt in Amerika sehr hart zum Tragen. «What’s in it for me?»-«Was springt für mich dabei raus?» ist bei vielen der erste Gedanke, ebenso «Wir gegen den Rest der Welt». Das sehen wir gerade auf geradezu pervertierte Art und Weise. Wenn die Konsumorgie in den USA zu einem Handelsbilanzdefizit führt, weil Europa die besten Güter liefert, dann betrügt der alte Kontinent die armen ausgebeuteten Amerikaner? Wie kaputt ist das denn? Die USA leisten sich das teuerste und ineffizienteste Gesundheitssystem der Welt, weil die Leute sinnlos alles in sich hineinstopfen, was sie mit ihren Dollars kaufen können. Das ist nicht nur ungesund. Es belastet auch die Umwelt.

Dass die USA ein Handelsbilanzdefizit haben, liegt auch daran, dass deren Güter auf dem Weltmarkt nicht genügend Anklang finden. Wer will bei uns Hormonfleisch, Chlorhühnchen, Spritfresserautos und verschrumpelte Pistazien, wie ich sie vor ein einigen Monaten bei Denner vorfand. Würde man Facebook, Google und X korrekt am Ort ihres Ertrages besteuern, würde das Handelsbilanzdefizit schon mal gewaltig sinken.

Den Unfug der Sekundär-, Zusatz-, Straf- und sonstigen Zölle werden die europäischen Verbraucher beantworten, indem sie es machen wie die Kanadier (der Reisetourismus in die USA ist schlagartig um 70% eingebrochen). Es wird wohl kein Weg an Gegenzöllen vorbeiführen. Aber für die Dummköpfe rund um Trump nennen wir es dann Transaktionskosten, oder CO2-«Gutschein».

Der Verbraucher hat immer das letzte Wort. Wenn du deine Kinder liebst und dir Sorgen um ihre Zukunft machst, dann trinke Scotch statt Bourbon. Der schmeckt eh besser. Und die Schweiz sollte beim Kauf ihrer Jets noch einmal über die Bücher gehen.


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