Robert Jakobs Wirtschaftslupe: Im Osten geht die Atom-Sonne auf
Von Robert Jakob
Selbst wenn es viele nicht hören wollen, wird die Welt an der Atomkraft fürs erste nicht vorbeikommen, falls sie die selbst gesteckten Klimaziele einhalten will.
Harrisburg (1979), Tschernobyl (1986), Fukushima (2011). So heisst zeitlich versetzt das Trio der grossen Atomkatastrophen. Was hat die Menschheit seither gelernt? Nicht viel, wenn man den strengen Atomkritikern zuhört, und sie erheben die auf dreissig Jahre gestreckte Verklappung des radioaktiven Tritiumabwassers aus dem letzten GAU in die Weiten des Pazifiks zum Mahnmal. Bei allen drei Kernkraftwerkskatastrophen war menschliches Versagen im Spiel. Das ist immer möglich. Aber dennoch betreiben wir Staudämme, fliegen wir Flugzeug und fahren Auto (auch elektrisch).
Die anspruchsvollen Klimaziele zwingen nun die Politik zum Umdenken. Frankreich erneuert seinen Atompark und Japan führt eine komplette Kehrtwende durch. Nippon hatte bis zur Nuklearkatastrophe von Fukushima 54 Reaktoren in 17 Atomkraftwerken in Betrieb. Die deckten im Gegensatz zu Frankreich nur ein Drittel des Strombedarfs und wurden nach der Katastrophe heruntergefahren. Eigentlich wollte Japan ganz aus der Kernenergie aussteigen, allerdings ohne fixes Datum. Die seit Oktober 2021 alleinregierende LDP schwenkte jedoch seit dem russischen Überfall auf die Ukraine langsam um. Derzeit ist geplant, den Atomkraftanteil am Strommix bis 2030 wieder auf ein gutes Fünftel zu erhöhen.
Reaktoren gehen zurück – aber ans Netz. Sicherheitsauflagen wurden verschärft. Die Laufzeit bestehender Kraftwerke soll auf bis zu 60 Jahre verlängert werden, und selbst Neubauten sind kein Tabu mehr. Dadurch sollen die Energiekosten drastisch gesenkt werden. Die Uran-Märkte haben seit längerem wie vorhergesagt reagiert (https://www.moneycab.com/dossiers/robert-jakobs-wirtschaftslupe-hipp-hipp-uran/), zumal der benötigte radioaktive Brennstoff Uran-235 nur begrenzt auf der Erde verfügbar ist. Der grosse Treiber ist nun die neue Nachfrage wegen Putins Krieg.
Südkorea hat nach dem Regierungswechsel vom März 2022 reagiert. Präsident Yoon Suk-yeol hat die Politik seines Vorgängers, die 25 bestehenden Atomreaktoren bis in rund 45 Jahren auslaufen zu lassen, zusammengestrichen. Der Kernenergieanteil soll sogar leicht von 27% auf 30% bis 2030 steigen.
Eine strahlende Zukunft?
Gute 440 Atomkraftwerke auf der Welt produzieren pro Jahr über 8000 Tonnen radioaktiven Abfall. Momentan liefert Kernenergie rund ein Zehntel des weltweiten Stroms. In den USA ist es ein Fünftel. Die Internationale Energieagentur (IEA) geht davon aus, dass die Kernenergieproduktion bis 2040 um 80% gesteigert werden muss, um die globalen Dekarbonisierungsziele zu erreichen. Aber braucht es den Weg über die Kernkraft noch? Sicher nicht mit den klassischen und störanfälligen Leichtwasserreaktoren. Sollte die Energiewirtschaft auf neue Kernkrafttechnologien wie Thorium-Reaktoren oder Laufwellenreaktoren setzen?
Entscheidend wird für die nächsten Jahre, wie die Menschheit mit all ihren Primärenergieträgern umgeht, von Braun- bis Steinkohle über Erd- und Biogas bis zu Erdöl, Kernbrennstoffen und erneuerbaren Energieträgern. Die Antwort ist denkbar einfach. Als Primärenergieträger braucht es sämtliche Kohleprodukte nicht, da sie gesundheitsschädlich sind. Lediglich in der Stahlverhüttung sind sie im Moment noch schwer ersetzbar. Als schneller Energielieferant ist auch Erdgas weiterhin sehr wichtig, beispielsweise für die Produktionsprozesse der Chemieindustrie. Hier ist Strom als Energiequelle oft zu langsam. Es müssen also weiterhin Kompromisse eingegangen werden, will man nicht die Wirtschaft abwürgen und damit auch die Finanzierung der klimaschonenden Massnahmen sowie den grössten Verschmutzerstaaten in die Karten spielen.
Dass die Erneuerbaren den Energiehunger der Welt allein stillen können, ist Tagträumerei. Das gilt auch für die Kernenergie. Sie eignet sich kurzfristig in Ermangelung einer neuen technologisch nutzbaren Basisinnovation nur als Übergangstechnologie. Gerade in politisch instabilen Ländern sind Grosskraftwerke Gefahrenquellen. Wirtschaftlich sind grosse AKWs das auch, weshalb der Staat als letzter Rettungsanker oft einspringen muss, eine nicht wirklich marktwirtschaftliche Strategie.
Aber die gibt es im Energie-Markt ohnehin nicht. Es wird subventioniert, was das Zeug hält. Am billigen Strom hängt die Industrie von Frankreich über Deutschland bis China, wo besonders viele Kraftwerke aus dem Boden spriessen. Allein rund drei Dutzend neue Atomreaktorblöcke sind im Reich des Xi im Bau oder genehmigt. Damit versucht das Land seinen Rückstand bei der Atomstromproduktion im Vergleich zu den grossen westlichen Industrienationen aufzuholen.
Im Kern geht es um Strom für uns alle
China produziert mit über 5000 Terawatt-Stunden weit mehr Strom aus schmutziger Kohle als mit allen anderen Energieträgern zusammen. In den letzten Jahrzehnten wurde es in Deutschland und vielen anderen Ländern verpasst, alternative Energiequellen aus Wasser, Wind und Sonne auszubauen, um die Verluste aus Atom und Kohle zu kompensieren. Im Endergebnis wurden die Energiepreise Jahr für Jahr teurer. Die Klimapolitik hat weltweit neue Klimaziele ausgerufen, die ausserhalb Chinas bis zum Jahr 2050 erreicht werden sollen. Im Zentrum steht die umweltschonende Stromproduktion. Aber China darf machen, was es will.
Dem europäischen Kleinverbraucher dürfte es je länger je weniger glaubhaft zu vermitteln sein, weshalb er siebenmal mehr für Elektrizität zahlen muss als das Grossunternehmen nebenan. Allerdings hat diese Ungerechtigkeit auch etwas Gutes. Sie bringt immer mehr Menschen auf die Idee, ihren eigenen Strom zu produzieren, was in unsicheren Zeiten sicher nicht die schlechteste Idee ist.
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