Robert Jakobs Wirtschaftslupe: Impfen wird teurer
Von Robert Jakob
In einem denkwürdigen Interview mit dem Radiosender «France Inter» liess Thierry Breton, EU-Generaldirektor für Binnenmarkt, Industrie, Unternehmertum und KMU, die Katze aus dem Sack. Die EU-Kommission verzichtet vorderhand auf eine Verlängerung des Liefervertrags über den AstraZeneca-Impfstoff.
Die EU-Kommission mag damit mehr Druck auf den schwedisch-britischen Pharmakonzern im Rechtsstreit über die verzögerten Lieferungen des ChAdOx1 nCoV-19 Vakzins aufbauen. Die Klage dürfte aber kaum Aussicht vor Erfolg bei Gericht haben. Denn AstraZeneca hat sich durch sogenannte Best-Effort-Klauseln abgesichert. Vertraglich hat man sich nur dazu verpflichtet, alles Menschenmögliche zu tun, die Lieferverpflichtungen einzuhalten. Das ist durchaus verständlich bei so einem komplexen Geschäft, wo ja in Entwicklung und Produktion so viel schief gehen kann. Die EU-Kommission darf nicht die moralisch Empörte spielen, haben doch ihre Juristen die Verträge inklusive der Klauseln abgesegnet.
Vielmehr sollte sie die Gelegenheit nutzen, um endlich ihrer Bevölkerung reinen Wein einzuschenken. Die Verträge mit AstraZeneca waren ein panischer Akt der Verzweiflung, weil man nach all den bürokratischen Verzögerungen in der Europäischen «Zankunion» Erfolgsmeldungen brauchte. Zu diesen gehörte auch ein Liefervertrag mit AstraZeneca, mehr als ein Vierteljahr nachdem Grossbritannien bereits mit seinem Hauslieferanten handelseinig war.
Nun aber trat ein, was kein Politiker auf der Pfanne hatte: AstraZenecas Vakzin ist das schwächste in der Kette der zugelassenen Impfstoffe. Die EU setzt daher neu auf Pfizer/BioNTech als Notnagel. Billig wird das nicht. Die Europäische Kommission hat sich nun endgültig weitere 1,8 Milliarden Dosen vom BioNTech-Pfizer-Impfstoff gesichert, liess Ursula von der Leyen verkünden. AstraZenecas Impfstoff kostet nur ein Bruchteil der modernen Impfstoffe wie sie von BioNTech, Moderna oder Curevac entwickelt wurden. Ähnlich wie den Chinesen und den Russen ging es AstraZeneca mit der Produktion und Verteilung ihres Vakzins eher um PR und Einfluss als ums grosse Geld. China und Russland wollen ihren Fussabdruck in den Ländern der zweiten und dritten Welt stärken.
Ob das alles so gut aufgeht, darf bezweifelt werden. Dafür haben widersprüchliche, weil schöngerechneten Studiendaten gesorgt. Das deutsche Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) bescheinigt dem AstraZeneca-Impfstoff gar nur eine Wirkung von 60 Prozent gegen eine Covid19-Erkrankung. Damit wirkt das Vakzin gegen Covid19 leider nur so gut wie eine Schutzimpfung gegen die Grippe. Ein vernichtendes Urteil, denn nachweislich verläuft eine Covid19-Erkrankung um ein Vielfaches häufiger tödlich als die saisonale Grippe.
Es schellt auf den Seychellen
Ein Blick auf Afrika, grosser Zielmarkt althergebrachter Vakzine, lässt die Alarmglocken noch lauter schellen. Die Seychellen hatten im 2021 ihren ersten Corona-Toten. Seither ist das Touristenparadies eines der «durchgestochensten» Länder der Welt. Rund zwei Drittel der Bevölkerung bekam bereits die zweite Impfdosis gesetzt. Verwendet wird auf der Insel im Indischen Ozean zu 60% der Stoff der chinesischen Sinopharm (ein inaktiviertes Virus) und zu 40% AstraZeneca (ein Adenovirus-Vektorimpfstoff). Man fühlte sich sicher, lockerte die Vorsichtsmassnahmen und musste feststellen, dass die Zahl der Infizierten plötzlich durch die Decke schoss. Von jetzt über 1000 aktiven Fällen (mehr als ein Prozent der Bevölkerung) waren über ein Drittel bereits vollständig geimpft. Von Impfschutz ist auf den Seychellen also wenig zu spüren. Seit 5. Mai sind sie wieder im Lockdown. Alle Schulen bleiben mindestens bis 24. Mai geschlossen, Besuche in den Spitälern sind nicht erlaubt. Gespannt darf man auf eine Analyse der dominierenden Virusvarianten sein. Indien liegt nicht weit von den Seychellen weg. Die indische Variant macht Kopfzerbrechen.
Der Pfizer-Chef meinte vor Kurzem süffisant, dass es wohl jedes Jahr eine Auffrischungsspritze brauche, um die immer wieder aufpoppenden Virus-Mutanten in den Griff zu bekommen. Das ist gut fürs Geschäft. Zuletzt hatte sich Ingmar Hoerr, der Gründer des Tübinger Herstellers Curevac, darüber beklagt, dass die Vereinigten Staaten Grundstoffe für die Impfstoffproduktion zurückhielten, und dass das zu Verzögerungen führe. Frankreichs Präsident Macron forderte Biden auf, aus der boykottlastigen Trump-Zeit stammende Exportverbote für Impfstoffe und deren Vorprodukte aufzuheben. In Europa hofft man, dass Curevacs mRNA-Impfstoff ähnlich wirksam wie die beiden auf der gleichen Technologie beruhenden Vakzine von Moderna und BioNTech ist, ja vielleicht sogar einen Tick besser gegen die neuen Virus-Mutanten schützt.
Thierry Breton hat schon einmal vorgespurt, und seine Schäfchen auf höhere Kosten eingestellt. Der Preis für Impfstoffe der zweiten Generation dürfte durch den zusätzlichen Forschungsaufwand und mögliche Änderungen an den industriellen Produktionsanlagen steigen. Sicher schiessen die Kosten aber durch schlechtes Vertrags- und Impfmanagement in der EU ins Kraut.
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