Robert Jakobs Wirtschaftslupe: Keine Fischbrötchendiplomatie mehr

Robert Jakobs Wirtschaftslupe: Keine Fischbrötchendiplomatie mehr
Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron

Von Robert Jakob

Europas Zukunft wird gerade verhandelt. Während aus Deutschland nicht viel Neues kommt, sind die Nachbarn fleissiger.

Ich hatte es lange vor Putins Überfall auf ein unschuldiges Land geschrieben: Deutschland tut gut dran, sich seinem verlässlichen Partner Frankreich an die Brust zu werfen https://www.moneycab.com/dossiers/robert-jakobs-wirtschaftslupe-deutschlands-zukunft-liegt-in-frankreich/). Nun gibt Emanuel Macron, der bereits vor einem halben Jahrzehnt die NATO als hirntot bezeichnete, mit Inbrunst den strategischen Erneuerer Europas, wobei es ihm gleich ist, ob in oder ausserhalb eines transatlantischen Bündnisses. Trump mag mit Putin eine Wiederauflage des Hitler-Stalin-Paktes bringen. Der französische Präsident wird wie einst Charles de Gaulle langfristig denken und eine Koalition der Guten schmieden. Er weiss dabei seinen britischen Amtskollegen Keir Starmer auf seiner Seite. Zum Wesen der Franzosen gehört das Denken in grösseren Zusammenhängen. Dazu zählt auch, das Undenkbare mit einzukalkulieren.

Der Atomschlag muss gedacht werden…

Diktatoren sind leicht berechenbar, durchgeknallte Diktatoren weniger. Verbündete mitzunehmen unter den französischen Atomschirm, ist daher der stärkste Trumpf für Europa. Da ausser dem König von Marokko alle Diktatoren Lügenbolde sind, kann man Xi, Putin und Trump kein Iota trauen. Erinnert sich jemand an das Budapester Memorandum von 1994? Die Ukraine machte den Fehler aller Gutgläubigen. Sie hatte dazumal die auf ihrem Territorium stationierten Atomwaffen abgegeben und im Gegenzug Sicherheitsgarantien von Russland, Grossbritannien und den USA erhalten. Ja, richtig gelesen: von den Vereinigten Staaten. Da auf deren Wort, zumindest wenn der Präsident Trump heisst, keinerlei Verlass mehr ist, braucht es eine wirksame Abschreckung, zumal Putin bereits als Erster offen mit der Atomkeule drohen liess.

…avec le principe de stricte suffisance

Im Rahmen der NATO-Strategie hat sich Frankreich im Fall eines bereits entfesselten konventionellen Krieges den atomaren Erstschlag schon seit Langem vorbehalten. Putin, und sein Schosshündchen Medwedew sind also gewarnt. Der Gebrauch der Atomkeule würde nur Verlierer bringen. Allerdings, und das ist der entscheidende Punkt, paranoide Grössenwahnsinnige könnten ihn trotz alledem auslösen, und hier liegt die Kirsche im Wodka. Es braucht eine kritische Masse an atomarer Zahnbewaffnung, sollten die Trumpisten auch bei den NATO-Beistandspakten vertragsbrüchig werden.

Frankreich hat sich trotz der von General de Gaulle aus der Taufe gehobenen «Force de Frappe» ihre atomare Eigenständigkeit bewahrt. Dies ist jetzt ein Segen. Im alten kalten Krieg wurde die Force de Frappe rasch zur «Force de dissuasion nucléaire française» umbenannt, damit die primäre Zielrichtung klar zum Ausdruck kommt, nämlich Abschreckung. Aber gegen tollwütige Diktatoren mögen die 300 französischen Atomwaffen nicht genügen, mag mancher Militärexperte einwerfen. Dabei geht vergessen, dass der russische Bär tapsig ist. Unvergessen bleibt die Havarie des unglücklichen Atom-U-Boots Kursk (nomen est omen). Da hat Väterchen Putin die wahrscheinlich lebensrettende Hilfe für Matrosen abgelehnt, weil er meinte die Rettungstaucher würden das Wrack noch nebenbei ausspionieren. Am Schluss sind die Matrosen des mit Marschflugkörpern bestücktes Atom-U-Boots trotz der Gebete ihrer Mütter jämmerlich erstickt. Mehr Verlass als auf russische Technik ist auf die britischen, deutschen und französischen Ingenieure. Das Know-how dieser drei Nationen ergänzt sich. Die Deutschen sind besonders stark im Panzerbau, die Briten zur See und die Franzosen in der Luft. Lediglich bei der Bestückung mit Atomsprengköpfen sind die Briten auf die noch verbündeten Amerikaner angewiesen, da sie deren Trident-Geschosse für ihre vier U-Boote der Vanguard-Klasse nutzen. Deutschland hat gar keine Atomwaffen, ausser einem vermuteten Geheimlager der US-Armee auf deutschem Boden. Die Franzosen, die sich unter de Gaulle bewusst vom Atomschild der US-Armee unabhängig machten, besitzen rund 300 Atomraketen und -marschflugkörper. Je 16 davon mit einer Reichweite von 10000 km passen auf eines der vier Atom-U-Boote der Triomphant-Klasse. Rafale-Kampfjets können ebenfalls mit Nuklear-Marschflugkörpern kurzer Reichweite bestückt werden. Terrestrische ballistische Atomraketen haben alle drei Länder offiziell nicht mehr. Der Vorteil seegestützter Atomabschreckung ist ihre Beweglichkeit. U-Boote können dauernd versteckt unter Wasser einsatzbereit gehalten werden.

Die rund 200 britischen Atomsprengköpfe aus amerikanischer Produktion könnten im Zuge der Modernisierung der britischen Flotte erneuert oder sogar ersetzt werden. Doch bevor es zu einem weiteren Lackmustest der europäisch-amerikanischen Beziehungen unter dem erratisch agierenden US-Präsidenten kommt, tut Frankreich gut daran, voranzupreschen.

Ein Sprecher des Vizepräsidenten Vance hatte erklärt, kein europäisches Land habe die militärischen Ressourcen, um Russland ohne amerikanische Hilfe abzuschrecken. Dass Frankreich über ganz eigene Atomwaffen sowohl von kurzer als auch von langer Reichweite verfügt wird jetzt zum Glücksfall. Den Einsatzbefehl kann in Windeseile der Präsident geben. Briten und Franzosen verfügen über grosses atomares Abschreckungspotential, wobei das Vereinigte Königreich noch auf amerikanisches Know-how baut.

Aufbau einer zentraleuropäischen Rüstungsindustrie

Kurz – und mittelfristig könnte Frankreich jedoch mühelos in die Bresche springen und dadurch auch die europäische Schwerindustrie befeuern. 300 plus 200 Geschosse bedeuten zunächst eine numerische Überlegenheit von 10 zu 1 zugunsten Russlands. Aber bei Raketentests haben die Russen ähnlich wie Elon Musk bereits einige Rohrkrepierer erlebt. Niemand erwartet, dass Europa in absoluten Zahlen mit Russland gleichzieht. Das macht auch ökonomisch keinen Sinn (die Force de Frappe kostet etwa ein Zehntel des französischen Verteidigungsetats). Aber es braucht sicherlich für die nächsten vier Jahre einen strategischen, atomaren Schulterschluss unter der Führung der Grande Nation.

Unter dem selbsternannten Friedenskanzler Scholz wurde das deutsch-französische Verhältnis schwer vernachlässigt. Unvergessen bleibt die saure Miene Macrons, als er zum Empfang bei Olaf Scholz Fischbrötchen essen musste. Begeisterung sieht anders aus. Der letzte Besuch eines französischen Staatsoberhauptes im Land östlich des Rheins lag über zwanzig Jahre zurück. Zu Scholz’ Ehrenrettung muss gesagt werden, dass Angela Merkel die Achse Berlin-Paris ebenfalls sträflich vernachlässigte.

Macron, Finanzprofi und Investmentbanker und Merz, ehemaliger Aufsichtsrat beim Finanzriesen Blackrock, könnten sich von Anfang an verstehen, so wie De Gaulle und Adenauer, Valéry Giscard d’Estaing und Helmut Schmidt, Francois Mitterand und Helmut Kohl. Die massakrierte Glaubwürdigkeit der amerikanischen Sicherheitsgarantie, deren Folge eine wachsende Erpressbarkeit Europas ist, kann durch die Ausdehnung des französischen zu einem europäischen Atomschirm unter britischer Mithilfe kompensiert werden. Das weiss bestimmt auch der Alte Fritz (Merz).


Der neue seriöse Mutmacher und Ratgeber von Robert Jakob zu CORONA kann ab sofort beim Landtwing Verlag bestellt werden:

http://www.landtwingverlag.ch/store/p42/F.CK_YOU_CORONA.html

Das Titelbild ist eine modellierte Darstellung des Kampfes unseres Immunsystems gegen ein Virus. Immunglobuline (ypsilonförmig) und Zellsysteme attackieren den Feind.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert