Robert Jakobs Wirtschaftslupe: Kokosfett statt Schlagsahne

Robert Jakobs Wirtschaftslupe: Kokosfett statt Schlagsahne
Buchautor und Moneycab-Kolumnist Robert Jakob.

Von Robert Jakob

Ich bin der Mann fürs Kleingedruckte. In meiner Berggemeinde wundern sich die Mitshoppenden bei Denner, Migros oder COOP immer, was ich so tue. Nun: Ich studiere die Texte auf den Lebensmittelverpackungen – oft minutenlang.

Gestählt durch Studium der Lebensmittelchemie entgeht meinen Argusaugen nichts. Es ist meine Kriminologenpflicht, den unscheinbaren, aber verräterischen Veränderungen am Kadaver, oh Verzeihung, auf der Aussenhaut (sprich Verpackung) all der schönen Verzehrgegenstände nachzugehen. Die Untersuchung kommt sehr häufig zu einem vernichtenden Urteil: Trotz schlechterer Rezeptur kosten die Produkte im Supermarkt genauso viel oder sogar mehr als vorher.

«Skimpflation» nennt sich neudeutsch das Verbrechen am guten Geschmack, das für die Kundinnen beim Einkauf nur schwer nachzuweisen ist. Der Begriff ist aus dem englischen «to skimp» für knausern und «inflation» für Teuerung zusammengesetzt. Wie tief muss eine Branche gesunken sein, wenn die Qualität verwässert wird, um die Marge zu steigern und teure Rohstoffkosten einzusparen? Oft ist es der schiere Wasseranteil, der gesteigert wird, weil die Firmen die genaue Konzentration der Inhaltsstoffe nicht angeben müssen. Wer das genau nachrechnen will, der muss den Umweg über die Nährwerttabelle auf der Verpackung machen, und nicht jeder ist gut im Kopfrechnen. Über die «Shrinkflation» – also Produktpackungen mit weniger Inhalt, die zum gleichen Preis angeboten werden, wurde an dieser Stelle bereits berichtet: https://www.moneycab.com/dossiers/robert-jakobs-wirtschaftslupe-mogelpackungen/.

Ich pfeife auf «nachhaltiges» Palmöl
Bei meinem Studium der Zutatenlisten fällt mir am häufigsten die wundersame Fettverwandlung auf. Wo früher Kakaobutter drauf stand, kommt immer häufiger Kokos- oder gar Palmöl zum Zug. Und wo Butter war, ist plötzlich Margarine. Diese wird dann oft auch noch mit Wasser verdünnt. Dann wird sie zum sogenannten Streichfett, doch das verschweigen die Produzenten dem braven Konsumenten.

Backwaren mit Margarine statt Butter sind für mich allein geschmacklich ein absolutes No-Go. Ausgerechnet bei meinem kürzlichen Urlaub in Italien musste ich diese Todsünde sehr häufig konstatieren. Den in Bella Italia grassierenden Unfug, garantiert italienisches Olivenöl mit 100% Oliven aus der EU zu produzieren, brauche ich nicht zu kommentieren.

Noch schlimmer finde ich, dass die Hersteller sehr gesunde, aber halt teure Fette wie Sonnenblumen- oder Rapsöl fast schon inflationär durch die sehr billige Massenware Palmöl oder gar Soja ersetzen, und dies in der neuen Zutatenliste durch «Palmkernfett*zertifiziert nachhaltig» oder «Palmöl gehärtet (nachhaltig)» ersetzen. Das ist bloss Greenwashing und geht mir voll auf den Keks.

Wegen seiner Konsistenz, seiner Hitzestabilität sowie seiner günstigen Herstellungskosten bietet Palmfett (die gehärtete Form des -Öls) für die Lebensmittelindustrie viele Vorteile. Vor allem ist es günstig. Palmfett ist jedoch nicht nur wegen der Palm-Monokulturen problematisch. Es entstehen bei der Raffinierung sogenannte Trans-Fette, die vergleichsweise ungesund sind. Das gilt auch für Kokosnussöl, das wegen seiner Haltbarkeit als Fett gerne bei der Produktion von Pralinen Verwendung findet. Die meisten guten Pralinen basieren auf einer Ganache, die Sahne enthält. Daher ist die Haltbarkeit der süssen Kalorienbomber auf einige Wochen beschränkt. Mit Kokosfett aber können sie fast ein ganzes Jahr alt werden, was natürlich Lieferanten und Einzelhandel gleichermassen erfreut.

«Neue Rezeptur» ist meist nicht besser
Die Hersteller müssen die Zutatenlisten bei Rezepturveränderungen zwar anpassen, aber nicht sagen, was geändert hat. Oft steht nur «neue Rezeptur» auf den Packungen. Manche Hersteller schrecken nicht einmal davor zurück, den Verbrauchern eine Verschlechterung als «bessere Rezeptur» schmackhaft zu machen.

Verständlich und in absolut in Ordnung ist eine Rezepturänderung (selbst ohne Vorwarnung) dann, wenn Störungen in Lieferketten die Ursache sind, etwa wegen Missernten oder Kriegen.


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