Robert Jakobs Wirtschaftslupe: Vermögenssteuer nach Schweizer Modell?
Von Robert Jakob
Lehren aus den Erfahrungen des Nachbarn zu ziehen, ist naheliegend und clever. Insofern ist es zu begrüssen, dass die deutschen Sozialdemokraten sich die Eidgenossenschaft zum Vorbild nehmen. Die SPD will in Deutschland die Vermögenssteuer wieder einführen. Im Jahr 1997 war diese ausgesetzt – nicht abgeschafft – worden. Jetzt kommt sie (wie in meinem Buch „Wie rette ich mein Geld“, s.u., befürchtet) aus der Mottenkiste, obwohl sie mit einem Bruttosteueraufkommen von rund zehn Milliarden Euro und Reibungskosten für Bürokratie und Steuerberatung in Höhe von drei Milliarden schon früher kein grosser Heilsbringer war.
Plötzlich Vorbild
Als Vorbild nennt die SPD ausgerechnet die Schweiz, lange Zeit als Fluchtburg der Ultrareichen bös gebranntmarkt. Dort gäbe es ja auch eine Vermögenssteuer von bis zu einem Prozent, und niemand würde sich gross beschweren. Und reiche Steuerzahler und Firmen würden ihretwegen ebenfalls nicht aus dem Land flüchten. Aber das ist nur die halbe Wahrheit. Denn im Gegensatz zu Deutschland sind die Einkommenssteuern in der Schweiz nur rund halb so hoch, was sowohl Vermögensbildung als auch Konsum begünstigt. Ausserdem gibt es für Privatanleger keine Kapitalgewinnsteuer. Gewinne auf beweglichem Kapital, etwa Aktien, werden verschont. Diesen Schweizer Startvorteil kann Deutschland nicht wettmachen.
Auf die Gewinne, welche Unternehmen erwirtschaften, werden überall Steuern abgeführt. Das ist auch richtig so. Der Anleger muss auf das, was für ihn übrig bleibt, aber sofort erneut Steuern bezahlen. Vor vielen Jahren konnte der deutsche Anleger aus Gründen der Steuergerechtigkeit diese zusätzliche Individualbesteuerung mit der Körperschaftsteuer, welche die Firmen schon vorher abgeführt hatten, verrechnen. Er bekam sie also erstattet. Später wurde dieses Verfahren durch das Halbeinkünfteverfahren ersetzt. Wenigstens war dann bis Ende 2008 die Hälfte der Dividendeneinnahmen beim Anleger steuerfrei. Dies war eine kleine Kompensation für den Wegfall der Körperschaftsteuergutschrift. Seit 2009 gilt nun die volle Dividendenbesteuerung. Damit ist die doppelte Besteuerung Fakt. Vom betrieblichen Reingewinn, den eine Aktiengesellschaft erwirtschaftet, profitiert der deutsche Anleger durchschnittlich nur zur Hälfte. Die Doppelbesteuerung der Dividenden gilt zwar auch für Schweizer Privatanleger, wird aber durch im Vergleich zum Nachbarland deutlich niedrigere Steuern erträglicher gestaltet.
Schröpfsystem ohne Augenmass
Beim Kapitalgewinn schlägt der Fiskus in Deutschland dann erneut zu. Und zwar mit 25% Abgeltungssteuer plus 5,5% Solidaritätszuschlag und zusätzlich nochmal 8 oder 9% Religionssteuer. Da es noch nicht einmal zu einem Ausgleich der kalten Progression kommt, muss ein deutscher Aktiensparer langfristig mit einer realen Kapitalgewinnsteuer von bis zu 57,25% rechnen. Das ist weit weg von den angeblich so günstigen 25% Abgeltungsteuer.
Man kann es drehen, wie man will. In Deutschland bekommt die Hälfte aller laufenden Einnahmen so oder so der Staat. Einziger Trost der armen Sparer war seit 1997, dass es auf erarbeitetes und erspartes Vermögen nicht auch noch eine Substanzsteuer gab, die alles langsam auffrass. Damit soll nach dem Willen von SPD-Chef Thorsten Schäfer-Gümbel zumindest für die etwas vermögenderen Deutschen Schluss sein. Der Steuervogt hätte damit „den Fünfer und das Weggli“. Dem Sparer bleiben von einer hypothetisch möglichen jährlichen Rendite von 8 Prozent (bei einer 100%igen Anlagequote allen Geldes in Aktien) gerade einmal 4 Prozent nach Steuern. Nach Inflation und Vermögenssteuer sind es null Prozent. Nach Depotgebühren und Kommissionen liegt alles unter Wasser.
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Zum Autor:
Robert Jakob ist promovierter Naturwissenschaftler und Buchautor und arbeitete sowohl in der Grundlagenforschung als auch für Verlage, Versicherungen und Banken. Seit Jahrzehnten ist der Wissenschaftler und Kommunikationsspezialist ein ausgewiesener Kenner der Finanzszene. Er leitete nicht nur die Redaktion des Swiss Equity Magazins (einem Tochterunternehmen der NZZ), sondern dortselbst auch das Team der Aktienanalysten.