Robert Jakobs Wirtschaftslupe: Warum Russland im Sport nichts zu suchen hat (Opium fürs Volk: Teil 5)

Robert Jakobs Wirtschaftslupe: Warum Russland im Sport nichts zu suchen hat (Opium fürs Volk: Teil 5)
Geschichte wiederholt sich immer. Wir sollten von 1936 lernen.

Von Robert Jakob

Die grossen Sommerevents in den schönsten Nebensachen der Welt sind vorbei, und niemand hat sie vermisst: die russischen Athleten. Machen wir uns nichts vor. Sport ist nicht nur eine ökonomische Grösse, er ist auch politisch.

Der Sport war stets auch ein Mittel zur Propaganda. Mit den olympischen Spielen wurde schon im antiken Griechenland ein Zusammengehörigkeitsgefühl geschaffen. Zur Zeit der Römer kam mit dem Bau des Kolosseums und seinen 50’000 Zuschauern der Massenevent zu seinem Recht. Gross politisch wurde der Sport 1936. Mit Hitlers Sommerolympiade in Berlin (nach dem Winterspiel-Testlauf im dazu extra vereinigten Garmisch-Partenkirchen) verlor der Sport vollends seine Unschuld. Die Organisation der Spiele und vor allem die Erfolge der deutschen Sportlerinnen und Sportler wurden von Joseph Goebbels und Adolf Hitler propagandistisch ausgeschlachtet. Sport diente als Droge.

Das Internationale Olympische Komitee war mit der Durchführung der Spiele derart zufrieden, dass es die Ausrichtung der Winterolympiade 1940 nach den Absagen von Sapporo und St. Moritz trotz Bruches des Münchner Abkommens durch die Zerschlagung der Rest-Tschechei im März 1939 einstimmig erneut an Garmisch-Partenkirchen vergab. Das geschah, in der naiven Hoffnung, dass ein Staat, der eine derartige Zusage erhält, keinen Krieg lostreten würde.

Verhinderung von politischer Instrumentalisierung ist legal.
Sport kann eine völkerverbindende Kraft sein. Mehr jedoch wirkt er in Zeiten der Massenveranstaltung und der Massenmedien in erster Linie volksverbindend und in zweiter Linie als PR-Geschütz, ähnlich wie die Raumfahrtprogramme. Gerechtes Ziel für den Ausschluss (weiss-)-russischer Sportlerinnen und Sportler ist daher, die Bühne frei von politischer Instrumentalisierung durch die korrupten Regime und die Athleten selbst zu halten. Sport soll neutral sein.

Wissend um die verbindende Kraft des Sports und dessen Möglichkeit, ein Gefühl von Stärke, ja Überlegenheit, zu vermitteln, will man jedem Aggressor und den ihn vertretenden Athleten keinerlei internationale Bühne bieten, welche zum Zwecke der Berauschung am nationalen Selbstbewusstsein genutzt werden könnte. In der Olympischen Charta heisst es darum, dass das IOC «gegen jeden politischen oder kommerziellen Missbrauch des Sports und der Athleten vorzugehen» habe.

Staatsähnliche Verbände
Sportverbände wie das IOC oder die FIFA nehmen im gesellschaftlichen Leben eine geradezu staatsähnliche Stellung ein. Denn in den internationalen Sportstrukturen gilt das «Ein-Platz-Prinzip», wonach nur ein Dachverband pro Sportart und Region das Sagen hat (mit einigen krassen Ausnahmen wie im Boxen). Aus dieser Monopolstellung und der damit verbundenen staatsähnlichen Macht folgt juristisch betrachtet, dass sich die Verbände genau wie Staaten an Menschenrechten orientieren, ja sogar vorausschauend messen lassen müssen. Das gilt insbesondere im Umgang mit belarussischen, russischen, aber auch ukrainischen Athleten.

Wer will und konnte, der hat Weiss- und Rotrussland längst verlassen
Unmittelbar betroffen von einem Ausschluss oder Ausnahmen sind die Athletinnen und Athleten selbst. Ausschlüsse oder von nationalen Verbänden an eigenen Athleten erzwungene Boykotte (wie bei den Olympischen Spielen von Moskau 1980 und Los Angeles 1984) stellen einen schwerwiegenden Eingriff in das Recht auf Teilnahme am kulturellen Leben und das Recht auf Arbeit für die betroffenen Sportlerinnen und Sportler dar. Der Ausschluss erfolgt dabei wegen der Nationalität – und damit auf den ersten Blick aufgrund eines klar unzulässigen Unterscheidungsmerkmals. Diese Ungleichbehandlung ist jedoch gerechtfertigt, da sie geeignet ist, ein legitimes höheres Ziel zu erreichen. Sie ist leider verhältnismässig. Denn wer will und konnte, der hat den zugrundeliegenden Aggressorstaat längst hinter sich gelassen und mit den Füssen abgestimmt.

Neutrale Flagge wird zunehmend zum stumpfen Schwert
Die gutgemeinte Hintertür mit der Starterlaubnis unter neutraler Flagge erweist sich zunehmend als wirkungslos. Athleten sollten nur unter neutraler Flagge teilnehmen dürfen, da unter Nationalflagge errungene Erfolge instrumentalisiert werden können: Aber auch ohne wehende Nationalfarben werden Teilnahme und Erfolge dieser flaggenlosen (bela-)russischer Athleten im Heimatland im selben Ausmass gefeiert, als ob die Athleten unter der Nationalflagge teilnähmen. Ja sie erhalten in den Mantel der heimische Kriegspropaganda gehüllt aufgrund des unter «aufgezwängter» neutraler Flagge errungenen Erfolges sogar einen Heldenstatus, der die Orgie der Kriegspropaganda zusätzlich befeuert.

Testfall Doping
Bereits die Dopingsperre lieferte eine unfreiwillige Blaupause. Die staatlich geduldete, ja vertuschte Dopingpraxis Russlands war Auslöser für eine jahrelange «Flaggenlosigkeit» russischer Athleten bei vielen Sportevents. Viele Dutzende Teilnehmer der olympischen Winterspiele von Sotschi 2014 waren gedopt und wurden sogar wegen der Schwere ihres Vergehens gesperrt. Bei den letzten beiden Winterspielen in Südkorea 2018, den Sommerspielen in Tokio 2021 und den Winterspielen in Peking 2022 mussten die russischen Sporttreibenden wegen jahrelangem Staatsdoping unter neutraler Flagge starten, was viele nicht hinderte, sich im Anschluss voller Stolz mit ihrer Medaille um dem Hals und einem Z auf dem Trikot zu präsentieren. Der Schmusekurs gegenüber Russland nach Sotschi hat also gar nichts gebracht.

Russland wird für viele Jahre nicht mehr auf die internationale Bühne zurückkehren. Die Gefahr der Instrumentalisierung besteht auch bei Athleten, welche den Krieg weder aktiv unterstützen noch verurteilen. Ausnahmen vom Ausschluss sollten nur für Sportlerinnen und Sportler gelten, die sich öffentlich von dem in der Ukraine geführten Krieg distanzieren. Diese hätten aber sofortige Vergeltungsmassnahmen des Unrechtsregimes zu befürchten, falls sie im Lande blieben. Russische Athleten sind mittlerweile für rund 30% aller wegen Doping aberkannten Medaillen der Olympischen Spiele verantwortlich. Auch bei den Leichtathletik-Weltmeisterschaften hält Russland bei den nachträglich wegen nachgewiesenem Doping aberkannten Medaillen die Spitzenposition. Die russischen Nationalisten stilisieren das als Hexenjagd. Leider erhalten die nachgerückten sauberen Athleten für ihre Medaillen kein Fünkchen Aufmerksamkeit mehr. Das ist hochgradig unfair.

Fairnessgebot verpflichtet zum selektiven Ausschluss
Sport ist fairer Wettkampf einzeln oder als Team. Das jahrelange Versagen Russlands im Sport ist bezeichnend für diesen Unrechtsstaat, der sich um die primitivsten Regeln foutiert. Daher wird dieses Russland noch viele Jahre von jeder wichtigen Sportmeisterschaft durch die Weltgemeinde ausgeschlossen sein.

Viele ukrainische Athleten halten es für ein Zumutung, gegen (bela-)russische Athleten antreten zu müssen. Dies gilt besonders für diejenigen, die eigene traumatische Erfahrungen mit dem Krieg gemacht haben, etwa wenn sie Angehörige verloren haben. Das charakterlose Lavieren des Weltfechtverbandes bei der nachträglichen WM-Disqualifikation der Ukrainerin Olga Charlan nach ihrem siegreichen Duell gegen die Russin Smirnova wegen eines bereits im Vorfeld als psychologisch nicht vertretbar und daher ausgeschlossenen Handschlags darf sich nie wiederholen.

Aus dem «Ein-Platz-Prinzip» folgt eine besondere Schutzpflicht. Ganz im Mittelpunkt steht bald wieder Olympia (Paris 2024). Die Grundprinzipien des Olympismus (grundlegendes Prinzip Nr. 2 der olympischen Charta), den globalen Frieden und damit auch den Frieden in der Ukraine zu fördern, sprechen im Moment leider eindeutig für den Ausschluss (bela-)russischer Athleten.

Bisher erschienen:


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