Robert Jakobs Wirtschaftslupe: Wirecard und der Schneiderfaktor
Von Robert Jakob
Ich habe bereits früher mehrmals von einer Investition in die Wirecard-Aktie abgeraten. Das Geschäftsmodell war mir zu undurchsichtig und die Bewertung zu hoch. Nie aber hätte ich geglaubt, wie tolldreist das Unternehmen die Anleger zum Narren hält.
Zu historischen Bilanzskandalen gibt es leider immer wieder Parallelen. Man erinnere sich an Enron, nach eigenen Angaben „The World’s Greatest Company“. Weniger als ein halbes Jahr vor der Pleite, als Bilanzskandale bereits ruchbar wurden, posaunte deren Chef Kenneth Lay: „Unsere Leistung war nie stärker, unser Geschäftsmodell war nie robuster, und unser Wachstum war noch nie so solide.“ Enron, ein aus dem Gasgeschäft hervorgegangener amerikanischer Energiedealer, hatte durch Scheingeschäfte die Bilanz aufgebläht. Voll aufgeflogen war man durch die Buchprüfung im Rahmen einer geplanten Übernahme.
Der in den Enron-Skandal verwickelte und als Folge der Ermittlungen gegen Enron schliesslich kollabierte Wirtschaftsprüfungs-Konzern Arthur Andersen wurde wegen Behinderung der Justiz erurteilt. In Deutschland fusionierte der grösste Teil der deutschen Arthur Andersen Landesgesellschaft mit Ernst & Young. E&Y war vor diesem Hintergrund sicherlich besonders sensibilisiert und nicht mehr bereit, die Bilanz von Wirecard zu testieren. Aber offenbar war im Kartenhaus Wirecard schon länger etwas wackelig. Nur hat es E&Y jahrelang nicht gefunden. Denn wie sollten sich 1,9 Milliarden über Nacht in Luft auflösen? Spätestens mit dem ominösen Treuhandkonto wurde es absurd, denn welches Unternehmen, dass von schnellen Zahlungsflüssen lebt, parkt fix solche Unsummen?
Frechheit siegt
Luftbuchungen zu entlarven ist manchmal aber gar nicht so einfach. Denn Frechheit siegt. Meistens sind die Betrügereien so dreist, dass sie schlicht keiner für möglich hält. Und der von einer Firma bestellte und bezahlte Buchprüfer geht a priori vom guten Willen seines Klienten aus. Darin liegt durchaus ein Dilemma. Wer möchte schon einen prestigeträchtigen und vermeintlich zahlungskräftigen Grosskunden verlieren?
Wer betrügt, denkt zumeist in grösseren Dimensionen. Wenn Milliarden fliessen wird ja, das ist historisch verbürgt, nicht so genau hingeschaut. Anders ist es nicht erklärbar, das viele Luftnummern recht lange Beine haben. Beispielsweise Baulöwe Jürgen Schneider, der mit künstlich aufgeblähten Bilanzen immer mehr Kredite von über 50 verschiedenen deutschen Banken bekam, ehe klar wurde, dass er bei einem korrekten Kassensturz eigentlich Pleite war. Schneiders Hauptschuldner, die Deutsche Bank musste allein eine halbe Milliarde DM an Wertberichtigungen für ihre Kredite vornehmen. Der smarte und eloquente Diplom-Ingenieur Dr. Jürgen Schneider hat auch das einstige deutsche Vorzeigekreditinstitut um den Finger gewickelt und hingehalten. Sein wunderschönes Immobilienimperium stand viel zu teuer in den Büchern. Aber es strahlte eine besondere Aura aus. Mit frisch geliehenem Geld wurde es herausgeputzt. Bei Wirecard war genauso viel Gas oder heisse Luft im System wie beim Imperium Schneider. Auch Wirecard gelang es, die grösste Bank Deutschlands um den Finger zu wickeln.
Bei Aktiengesellschaften sollten Anleger immer dann hellhörig werden, wenn die Bosse sich für die Steigerung des Shareholder-Values, sprich Aktienkurs, selber loben. Das war bei Markus Braun von Wirecard genau so wie bei Ken Lay, Jürgen Schneider, Thomas Middelhoff (Karstadt/Arcandor), Bernie Ebbers (WorldCom) und vielen anderen mehr.
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