Historisch gewachsene Firmenkonglomeraten, mit Sparten, die wenig miteinander zu tun haben, hinken dem Markt hinterher. Erfolgreich sind heute Firmen, die sich auf ihr Kerngeschäft fokussieren. Auch Investoren bevorzugen immer mehr solche Firmen.
von Christoph Wirtz, Aktienanalyst und Portfoliomanager, Rothschild & Co Wealth Management, Zürich
Im Jahr 2000, vier Jahre nach der Fusion von Geigy mit Sandoz zu Novartis, schuf der Konzern unter seinem Dach eigenständige Pharmabereiche. Jetzt soll die Generika-Sparte Sandoz verkauft werden. Künftig will man den Fokus wieder auf die Pharmabranche richten. Als Grund dafür nannte Novartis-CEO Vas Narasimhan im Sommer, die «konglomerate Struktur» des Konzerns, der diesen an der vollen Entfaltung seines Potenzials hindere. Novartis will jetzt jede zehnte Stelle in der Schweiz streichen.
Das Unternehmen ist kein Einzelfall. Auch GE General Electric und Toshiba setzen künftig vermehrt auf ihr angestammtes Geschäftsmodell. Schon früher taten dies Firmen wie Otis Elevators, Carrier oder Raytheon (ehemals United Technologies). Der Richtungswechsel hin zur De-Konglomeratisierung oder Refokussierung liegt im Trend. Diese äussert sich nicht nur in der Herauslösung von nicht zum Stammgeschäft passenden Einheiten, sondern vor allem in einer Rückgängigmachung von Fehlentscheidungen im Zusammenhang mit vorher getätigten Unternehmenskäufen.
Charismatische Manager standen für Zukäufe
Noch in den 90er Jahren war der Ausbau von Unternehmen zu Firmenkonglomeraten in Mode mit Aktienperformances von über 20 Prozent. Grösse und Marktmacht, zusammen mit der Nutzung von Synergien, sollte alles in den Schatten stellen. Die Zukäufe anderer Firmen hingen meist stark von charismatischen Managern, wie beispielsweise Novartis-CEO Daniel Vasella oder Jack Welch von GE, zusammen.
Sie versprachen durch die Diversifikation höhere Wachstumsraten, bessere Profitabilität und stabileren Cash-Flows. Im Fall von GE profitierten die Aktionäre bis Anfang des Jahres 2000 mit einem Total Shareholder Return von 23 Prozent pro Jahr. Die grossen Visionen des Managements waren verlockend und machten den Aktionären den Ausbau des Geschäftes schmackhaft.
Doch Argumente gegen Mischkonzerne gibt es seit Beginn der Industrialisierung. Untersuchungen der Diversifikationspolitik von US-Unternehmen zwischen 1950 und Mitte der 80er Jahre stellten beispielsweise fest, dass die Mehrzahl der Zukäufe wieder abgestossen wurden.
Synergien: Hoffnungen erfüllten sich nicht
Der Diversifikation war nur eine geringe Erfolgsquote beschieden. Dazu hatten oft Fehleinschätzungen des Managements geführt. Die Überbewertung von Synergiepotentialen bei der Diversifizierung, beispielsweis, sind Legende. Der visionäre CEO mag rhetorisch glänzen, die Belegschaft mitreissen und eine Aufbruchstimmung verbreiten. Doch es lohnt sich, immer einen Blick auf die Nachhaltigkeit der Diversifizierung und der unternehmerischen Visionen zu werfen. Denn ver-antwortungsvolle Manager denken in Dekaden nicht in Quartalen.
Einem weiteren Fehler erliegt das Management oft mit dem uneingeschränkten Glauben an die «Economies of scale». Doch: Je grösser ein Unternehmen, desto komplexer und bürokratischer wird es. Das Risiko, dass die Ressourcen falsch eingesetzt werden und dass Investitionen nicht erfolgen, steigt damit.
Börse honoriert «Entrümpelung»
Ein Unternehmenskonglomerat tut heute gut daran, sein Portfolio zu bereinigen. Schwerfällige Unternehmenskonglomerate werden heute im Gegensetz zu schlanken und fokussierten Firmen an der Börse weniger gut bewertet. Ein Abschlag bei der Bewertung von rund 15 Prozent ist oftmals angebracht.
Die Fokussierung auf das Kerngeschäft und eine unabhängige Leitung für die einzelnen Teile füh-ren meist zu einem besseren Resultat. Ein Beispiel dafür ist Alcon, die im Jahr 2019 von Novartis abgespalten und an die Börse gebracht wurde. Ihre EBIT-Marge sank in den Jahren als Novartis-Augenheilkunde-Division von 22% auf noch knapp 10%. Seit der Unabhängigkeit steigt sie wieder kontinuierlich an. Klar positionierte Unternehmen haben mittel- und langfristig ein besseres Wachstumspotenzial als Konzernkonglomerate.
Wirft ein Unternehmen Gewinne ab und sind keine gravierenden Nachteile mit der momentanen Struktur zu erwarten, ist die Fokussierung auf das Kerngeschäft oftmals schwierig. Doch, wie zum Beispiel der Liftbauer Otis (ehemals Teil von United Technologies) oder Epiroc (ehemals Teil von Atlas Copco) zeigen, lohnt sich die kreative Zerstörung bestehender Strukturen und damit der Fokus auf das erfolgreiche Kerngeschäft. (Rothschild/mc/pg)