Google-CEO Larry Page anlässlich der Präsentation der AR-Brille «Project Glass».
Wien – Das Technik-Jahr 2012 war ein Jahr der Veränderung, in mancher Hinsicht subtil, in anderer aber ganz offenkundig. Wie lange nicht stand dabei Microsoft im Mittelpunkt, denn mit Windows 8 ist der Redmonder Konzern endgültig im Touch-Zeitalter angekommen. Dabei arbeitet die Branche mit neuen Darstellungs- und Eingabemöglichkeiten von Googles Augmented-Reality-Brille «Project Glass» bis Gestensteuerung längst an der nächsten Revolution.
Fraglich ist, ob dabei Apple wieder Vorreiter sein wird – ohne die strahlende Galionsfigur Steve Jobs hat der Konzern etwas an Glanz eingebüsst. Sicher ist dafür, dass neue Technologien den Alltag erobern. So steht 3D-Druck vor dem Sprung zum Milliardenmarkt, während Robo-Drohnen längst nicht nur als Militär-Spione die Welt erobern.
Neue Zeitalter bei Windows und Apple
Im PC-Bereich ist eine neue Ära angebrochen, denn Microsoft hat mit Windows 8 den Abgesang des klassischen Desktops eingeläutet und sich voll den Möglichkeiten der Touch-Steuerung besonnen. Lange vor dem Start im Oktober hat Windows 8 damit für grosse Diskussionen gesorgt, denn Kritikern geht die Abkehr vom Desktop insbesondere mit Blick auf Unternehmen zu weit. Microsoft freilich hofft darauf, dank neuem Betriebssystem und eigener Hardware den Tablet-Markt aufzumischen – so richtig aber erst 2013, wenn sich zum offenbar einigermassen beliebten Surface RT mit ARM-Prozessor das Surface Pro als echtes x86-Tablet mit vollwertigem Windows 8 gesellt.
Tablet-Vorreiter Apple ist indes in das erste Kalenderjahr ohne die Führung des langjährigen Steuermanns Steve Jobs gestartet. Schon im März beim neuen iPad wurde klar, dass die See für den Konzern nun rauer wird – durch Kritik an technischen Problemen ebenso wie Beobachter, die wirklich Revolutionäres vermissten. Richtig auf Sturm standen die Zeichen dann beim iPhone 5, von Apple als «echtes Juwel» vorgestellt. Denn es brachte keinerlei Überraschungen und das mediale Echo war hart – Wired nannte das Gerät gar «absolut langweilig». Dazu kam mit iOS 6 noch Apple Maps, ein Konkurrent zu Googles Kartendienst, der nur durch viele Fehler von sich reden gemacht hat. Doch trotz allem blieb das Apple-Schiff auf Erfolgskurs, treue Jünger verhalfen auch dem iPhone 5 zu einem Rekordstart.
Computer-Schädlinge im Blick
Indes ist angesichts der Profite der «Flashback»-Macher endgültig klar, dass auch Macs nicht vor Schadprogrammen sicher sind. Ja, Malware gibt es eigentlich für jedes Betriebssystem, inklusive Exoten wie FreeBSD. Zwar zielen die meisten unerwünschten Programme auf Windows ab, doch kam es 2012 zum endgültigen Dammbruch bei Android. Für Googles mobiles Betriebssystem gibt es heute schon mehr Schädlinge als noch 2006 für alle Plattformen inklusive Windows. Dabei sind geschätzt mehr als die Hälfte aller Android-Geräte nicht auf dem aktuellsten Sicherheits-Stand. Kurzum, Smartphone- und speziell Android-User sollten ebenso Acht geben wie am PC.
Nachdem wir uns endlich alle an Smartphone-Displays und Tablets gewöhnt haben, rollt übrigens schon die nächste Darstellungs-Revolution auf uns zu. Mit Augmented-Reality-Brillen will nicht nur Google (Project Glass) Information auf neue Art ins Blickfeld rücken. Auch Sportartikel-Hersteller Oakley arbeitet an einem Modell, ebenso wie der japanische Mobilfunk-Riese NTT DoCoMo. Was Eingabe und Bedienung betrifft, stehen die Zeichen weiter auf Gestensteuerung. Gängig sind Kinect-basierte Ansätze, ob nun für fingergenaue Erkennung oder mit Blick darauf, beliebige Oberflächen zu Touchscreens zu machen. Ein weiterer Hoffnungsträger ist die Gedankensteuerung – ob nun für Assistenzsysteme, Games oder mit dem Stirnband Muse auch für das iPhone.
Technologien vor dem Durchbruch
2012 hat sich auch bei einigen anderen Zukunftstechnologien abgezeichnet, dass sie endlich den Durchbruch Richtung Massenmarkt schaffen. So kommt in Japan das Familienfoto 2.0 ebenso aus dem 3D-Drucker wie beim US-Unternehmen Defense Distributed die nächste Schusswaffe – ja, 3D-Druck ist laut Marktforschern auf dem Weg zum Milliardenmarkt. Der US-Elektroautobauer Tesla wiederum hat begonnen, zunächst die USA mit Schnelllade-Korridoren auf wichtigen Langstrecken zu überziehen – ein Schritt, der Elektroautos helfen sollte, endlich breiter Fuss zu fassen.
Praktisch allgegenwärtig sind inzwischen Drohnen, die längst nicht nur als unbemannte Aufklärungsgeräte für das Militär herhalten. So hat erstmals ein Wellengleiter autonom den Pazifik durchquert und dabei Öko-Daten gesammelt. Auch für Notfall-Kommunikationsnetze sollen Drohnen herhalten und selbst als Essenslieferanten dienen. In Grossbritannien wiederum ist sogar schon im Gespräch, ob unbemannte Flugzeuge nicht auch in der zivilen Luftfahrt zum Einsatz kommen können.
Technik ist überall
Fest steht jedenfalls, dass Technik mittlerweile alle Aspekte des Lebens tief durchdringt. Das gilt beispielsweise für die Medizin. In den USA wurde erstmals eine zur oralen Einnahme gedachte Chip-Tablette zugelassen. Die damit verbundene potenzielle Überwachungs-Problematik ist aber noch relativ klein im Vergleich dazu, dass einem Sicherheitsexperten zufolge dank zunehmender Vernetzung mit unzureichenden Sicherheitsmassnahmen sogar ein Massenmord per Herzschrittmacher denkbar wird.
Ebenso unerfreulich ist, dass gerade in den USA mittlerweile Spionage-Tools auch zum privaten Alltag gehören, um den Partner zu überwachen. Aber das gehört wohl dazu in einer Welt, wo es Gadgets für so ziemlich alles gibt, bis hin zum Druck der persönlichen Web-Zeitung. Immerhin ist dieses Jahr das Crowdfunding als Möglichkeit, nützliche und unterhaltsame Gadgets umzusetzen, so richtig durchgestartet. Die Palette reicht von der Android-Konsole Ouya über tanzende iPhone-Docks bis hin zur E-Paper-Watch. Letztere hält übrigens bislang den Rekord für die erfolgreichste Kickstarter-Kampagne – aber wer weiss, vielleicht wird sie 2013 ja vom nächsten geekig-coolen Gadget entthront. (pte/mc/ps)