Saisonale Klimaeffekte beeinflussen das Schicksal der Erdmännchen
Zürich – Bedroht ein trockeneres und heisseres Klima die Erdmännchen in der Kalahari-Wüste? Forschende der Universitäten Zürich und Cambridge zeigen, dass der Klimawandel einen Einfluss auf den Fortbestand der Erdmännchen haben wird. Schlüsselfaktoren sind dabei die saisonalen Niederschläge und Temperaturen.
Der Klimawandel wirkt sich besonders stark in trockenen Umgebungen aus, in denen Ressourcen knapp und nur saisonal verfügbar sind. Die demographischen Mechanismen, mit welchen das saisonale Klima den Fortbestand einer Population beeinflusst, sind jedoch weitgehend unbekannt. Anhand detaillierter lebensgeschichtlicher Daten, die zwischen 1997 und 2016 monatlich vom Kalahari Meerkat Project erhoben wurden, haben Wissenschaftler der Universitäten Zürich und Cambridge nun untersucht, wie Erdmännchen auf zukünftige, saisonale Veränderungen von Niederschlägen und Temperaturen reagieren könnten.
Erdmännchen (Suricata suricatta) sind sehr soziale Tiere, die sich in der Gruppe um die Nachkommen kümmern. Ein dominantes Weibchen ist für den Grossteil der Fortpflanzung zuständig, untergeordnete Weibchen helfen bei der Aufzucht ihrer Nachkommen. Veränderungen im physischen und sozialen Umfeld beeinflussen das Schicksal der Erdmännchen. So verbessern beispielsweise feuchte und warme Bedingungen zu Beginn des Sommers die Entwicklung, das Überleben und die Fortpflanzung der Tiere. Im Gegensatz dazu beeinträchtigen hohe Populationsdichten und kalte Winter das individuelle Wachstum und Überleben.
Saisonale Dynamik ist wichtig
Es ist zu erwarten, dass die Kalahari-Wüste im südlichen Afrika durch den Klimawandel trockener und wärmer wird. Die neue Studie untersucht, wie sich steigende Sommertemperaturen und Schwankungen der Niederschlagsmengen auf die Körpermasse und das Wachstum von Erdmännchen auswirken. Sie zeigt auf, wie dies zu niedrigeren Fortpflanzungsraten und Überlebenschancen führt. Dies ist jedoch nicht das einzige Ergebnis der Studie.
«Neben der gängigen Modellierung der durchschnittlichen jährlichen Dynamik haben wir uns die saisonalen Effekte genauer angesehen und ein spezifisches Klimamodell entwickelt», sagt Maria Paniw vom Institut für Evolutionsbiologie und Umweltwissenschaften der Universität Zürich. «Und hier zeigt sich ein viel komplexeres Bild: Die saisonalen Klimaeffekte sind äusserst wichtig. Verbessern sich die Bedingungen in einer Saison, kann dies schlechteren Voraussetzungen in der nächsten Saison teilweise entgegenwirken.»
Heissere Winter können negative Auswirkungen mildern
Das Team verknüpfte die beobachteten Veränderungen in Wachstum, Überleben und Fortpflanzung der Erdmännchen mit den registrierten saisonalen Niederschlägen und Temperaturen. Dann projizierten die Wissenschaftler die Populationsdynamik 50 Jahre in die Zukunft und erstellten verschiedene Szenarien, basierend auf einem Bericht zum Klimawandel des US National Center for Atmospheric Research (NCAR).
Die Daten zeigen, dass insbesondere die kombinierten Effekte von heisseren und trockeneren Sommern den Fortbestand der Erdmännchen gefährden. In den Prognosen der Studie werden weniger Nachkommen geboren, wodurch auch weniger Helfer bei der Aufzucht weitere Generationen zur Verfügung stehen. In diesem Szenario bricht die Population ein und das Risiko des Aussterbens der Erdmännchen ist höher.
Wenn die Winter auch wärmer werden, werden die negativen Auswirkungen von weniger Niederschlägen im Sommer gemildert. Die Erdmännchen nehmen wieder an Gewicht zu und die Fortpflanzungsrate steigt. Die Berücksichtigung dieser saisonalen Veränderungen führt so zu einem anderen Szenario: Die Erdmännchen würden wahrscheinlich nicht aussterben und wohl noch in 50 Jahren in der Kalahari leben.
Zusammenhang zwischen Saisonalität und Populationsdynamik
«Die Auswirkungen einer Umweltveränderung auf eine Population hängen davon ab, wie Individuen mit ihrer biologischen und physischen Umgebung interagieren und wie sich dies im Laufe der Zeit verändert. Unsere Studie zeigt, dass wir diese Interaktionen genau identifizieren müssen – insbesondere wie die Jahreszeiten variieren. Nur so können wir die Anfälligkeit einer Population gegenüber dem Klimawandel vorhersagen», sagt Arpat Ozgul, Letztautor der Studie und Professor für Populationsökologie am Institut für Evolutionsbiologie und Umweltwissenschaften der UZH.
Professor Tim Clutton-Brock von der University of Cambridge und Gründer des Kalahari Meerkat Project ergänzt: «Unsere Arbeit unterstreicht die Bedeutung langfristiger Studien, die sich über mehrere Jahrzehnte erstrecken. Nur wenn solche Daten vorliegen, ist es möglich, die Auswirkungen des Klimawandels auf die Tierpopulationen zu bewerten und die dafür verantwortlichen ökologischen Mechanismen zu verstehen.» (UZH/mc/pg)
Das Kalahari Meerkat Projekt
Das Kalahari Meerkat Project wurde von der University of Cambridge ins Leben gerufen, die es weiterhin gemeinsam mit dem Institut für Evolutionsbiologie und Umweltwissenschaften der Universität Zürich, the Mammal Research Institute der Universität Pretoria und den Kuratoren des Kalahari Research Centre leitet. Die Studie wurde vom Europäischen Forschungsrat (ERC) und dem Schweizerischen Nationalfonds (SNF) finanziert.