Sanftere Zelltherapien gegen Leukämie

(Photo by Louis Reed on Unsplash)

Basel – Forschende haben einen Ansatz entwickelt, ein an Leukämie erkranktes Blutsystem gezielt zu «löschen» und gleichzeitig mit gespendeten Blutstammzellen ein neues, gesundes aufzubauen. Im Fachjournal «Nature» berichtet das Team von vielversprechenden Ergebnissen in Tierversuchen und mit menschlichen Zellen im Labor.

Bei aggressiven Leukämien ist die einzige Chance auf Heilung, das erkrankte Blutsystem durch ein gesundes zu ersetzen. Die Transplantation von gespendeten Blutstammzellen ist eine etablierte Therapie, jedoch sehr belastend für die Erkrankten. Mit Chemotherapien werden zunächst die körpereigenen Blutstammzellen und die meisten Blutzellen entfernt, erst anschliessend verabreichen die behandelnden Ärztinnen dem Patienten per Infusion die Stammzellen eines passenden Spenders. Der Prozess ist mit Nebenwirkungen und Komplikationsrisiken verbunden.

Einen anderen Ansatz verfolgt das Team um Prof. Dr. Lukas Jeker vom Departement Biomedizin der Universität Basel. Im Fachjournal «Nature» beschreiben die Forschenden, wie man alle Blutzellen der an Leukämie erkrankten Person gezielt entfernen und gleichzeitig ein neues Blutsystem aufbauen kann. Die Ergebnisse stellen den erfolgreichen Abschluss eines vom Europäischen Forschungsrat mit einem Consolidator Grant von 2,4 Millionen Euro finanzierten Projekts dar.

Mischpult für Blutsysteme
Das System, das die Forschenden um Jeker etabliert haben, kann man sich als Mischpult vorstellen, an dem ein DJ die Lautstärke des ersten Songs allmählich herunterpegelt und gleichzeitig das zweite Lied langsam immer lauter werden lässt, bis das erste Lied komplett verklungen und nur noch der zweite Song zu hören ist.

Das Herunterpegeln funktioniert so: Spezifische Antikörper mit einem daran gekoppelten Zellgift erkennen alle Blutzellen im Körper der Patientin oder des Patienten anhand eines Oberflächenmoleküls. Dieser Marker ist allen verschiedenen Blutzelltypen gemein (den gesunden und den erkrankten), kommt aber nicht auf anderen Körperzellen vor. Nach und nach erkennt und zerstört das Antikörper-Zellgift-Konstrukt so alle Zellen des erkrankten Blutsystems.

Parallel kommt der zweite Song ins Spiel: Die behandelte Person erhält eine Transplantation neuer, gesunder Blutstammzellen eines passenden Spenders. Damit die Antikörper-Zellgift-Konstrukte nicht auch die neuen Blutstammzellen und die von ihnen erzeugten Blutzellen angreifen, verändern die Forschenden die gespendeten Stammzellen gezielt mit gentechnischen Methoden: Sie fügen eine kleine Veränderung in dem Oberflächenmolekül ein, damit die Antikörper die neuen Blutzellen nicht erkennen. Die Forschenden bezeichnen dieses gezielte Verändern der gespendeten Stammzellen als «Shielding», weil es wie ein Schutzschild vor der Krebstherapie wirkt.

Aufwändige Suche nach den passenden Reglern
Die beiden Studienerstautoren Simon Garaudé und Dr. Romina Matter-Marone arbeiteten zusammen mit einem interdisziplinären Team aus Bioinformatikerinnen, Biochemikern, Gentechnik-Spezialisten und Klinikerinnen aus Akademie und Industrie, um aus der Vielzahl an Oberflächenmolekülen auf Blutzellen die am besten geeignete Zielstruktur und die beste, schützende Veränderung für das Herunterpegeln auszusuchen. Das gewählte Molekül namens CD45 erwies sich im Zuge von Versuchen mit Mäusen und menschlichen Zellen im Labor als ausgesprochen vielversprechend.

«Wir brauchten ein Oberflächenmolekül, das auf möglichst allen Blutzellen inklusive der Leukämiezellen etwa gleich häufig vorkommt, aber nicht auf anderen Körperzellen vorhanden ist», erklärt Lukas Jeker. CD45 habe das erfüllt und war zugleich auch für das «Shielding» geeignet, also auf den gespendeten Blutstammzellen so veränderbar, dass diese Zellen vor der Krebstherapie geschützt waren, die Funktion von CD45 aber ganz normal erhalten blieb.

Anwendungen über Krebs hinaus
«Der neue Ansatz könnte neue Behandlungsoptionen auch für jene Patientinnen und Patienten bieten, deren Gesundheitszustand die nötige Chemotherapie für eine Stammzelltransplantation nicht erlaubt», sagt Co-Erstautorin Romina Matter-Marone. Zwar brauche es noch weitere Tests und Optimierungen, jedoch ist das Ziel, erste klinische Studien bereits in wenigen Jahren zu starten.

Das «Mischpult für Blutsysteme» eröffnet noch weitere Möglichkeiten, wie Co-Erstautor Simon Garaudé erklärt: «Wir zeigen, wie Zellen, die gegenüber einem Blutzell-Entferner ‹unsichtbar› sind, genutzt werden können, um das gesamte Blutsystem auszuwechseln.» Dies sei ein wichtiger Schritt in Richtung eines programmierbaren Blutsystems, das Funktionen nach Wunsch übernehmen kann – etwa einen schweren Gendefekt zu beheben oder eine Resistenz gegen bestimmte Viren wie HIV zu verleihen. (mc/pg)

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