Schadenfreude: Dein Leid ist mein Gewinn
Zürich – Wird jemand am Arbeitsplatz schikaniert, reagieren Kollegen mit Empathie – oder mit Schadenfreude. Diese tritt laut einer Studie der Universität Zürich primär in hoch kompetitiven Arbeitskontexten auf, wenn einem das Leid anderer den eigenen Zielen näherbringt. Das Verheerende: Schadenfreude kann ansteckend wirken. Es lohnt sich deshalb, ein integratives Arbeitsklima sowie teamorientierte Anreize zu schaffen.
Fast jeder Arbeitnehmer hat schon miterlebt, dass ein Kollege schikaniert, geschnitten oder gemobbt wurde. Bisherige Untersuchungen zum Thema argumentieren, dass Beobachtende den Opfern gegenüber Mitleid und den Tätern gegenüber Wut empfinden. Diese Betrachtungsweise vereinfache die Vielschichtigkeit zwischenmenschlicher Beziehungen zu stark, ist Jamie Gloor, Wirtschaftswissenschafterin an der UZH überzeugt. Gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen der Shanghai Jiao Tong University und der National University of Singapur widmete sie sich in ihrer aktuellen Publikation der Entstehung, der Entwicklung und den verhaltensbezogenen Konsequenzen von Schadenfreude – einem Gefühl, das die Philosophie bereits seit Aristoteles beschäftigt, in der modernen Organisationsforschung bisher jedoch kaum Beachtung fand.
Kompetitive Arbeitsumgebungen als Nährboden
Moderne Organisationen können nebst positiven sozialen Erfahrungen wie Kameradschaft und Unterstützung auch Wettbewerbsdenken, Neid und Spannungen zwischen den Gruppen fördern. Diese negativen Dynamiken erhöhen die Wahrscheinlichkeit, dass gewisse Beteiligte von asozialem Verhalten profitieren und schaffen so einen perfekten Nährboden für Schadenfreude. «In vielschichtigen und schnelllebigen Umgebungen, wie wir sie am Arbeitsplatz antreffen, konzentrieren wir uns auf das, was für uns und unsere Ziele am relevantesten ist», führt Gloor aus. Schadenfreude richtet sich so oft gegen Konkurrenten respektive gegen Mitarbeitende, die leistungsmässig besonders herausragen und beneidet werden. «Die unfaire Behandlung schafft plötzlich ausgeglichene Wettbewerbsbedingungen und erhöht die eigenen Chancen auf Belohnungen – etwa einen Bonus.»
Schadenfreude steckt an
Wie die Autoren ausführen, empfinden die Beobachtenden ihre Freude am Leid anderer als gerechtfertigt, wenn das Opfer die schlechte Behandlung in ihren Augen verdient hat und dafür gewissermassen selbst verantwortlich ist – etwa, weil es sich vorgängig selbst falsch verhalten hat. In Abgrenzung dazu sprechen die Wissenschaftler von ambivalenter Schadenfreude, wenn das Vergnügen am Leid anderer durch Schuld- und Schamgefühle getrübt wird.
Das Problem, das insbesondere die als gerechtfertigt empfundene Schadenfreude mit sich bringt: Sie kann ansteckend wirken und dazu führen, dass die Beobachtenden die Person, auf die ihre Schadenfreude abzielt, ebenfalls unfair behandeln, indem sie ihnen zum Beispiel Hilfe verweigern oder sie aktiv ausschliessen. Die Freude am Leid anderer kann so einen Teufelskreis der Missgunst in Gang setzen. «Ist Schadenfreude unter Mitarbeitenden plötzlich verbreitet, wird auch asoziales Verhalten normal», fasst Gloor zusammen.
Wettbewerbsdynamik eindämmen
Die Autoren knüpfen an ihre Ausführungen deshalb eine Reihe von Empfehlungen. Sie raten Führungspersonen gemeinsame Visionen zu entwickeln und teamorientierte statt individuelle Anreize zu fördern. Ein integratives Klima helfe zudem, Gefühle von «Andersartigkeit» zu verringern, die ebenfalls Schadenfreude auslösen können. Weiter betonen die Wissenschaftler die Bedeutung fairer Richtlinien und Abläufe, um potenziellem Neid und Groll gegenüber Leistungsträgern entgegenzuwirken. Nicht zuletzt könne es sich auch lohnen, ein besonderes Augenmerk auf die Meinungsführer innerhalb sozialer Gruppen zu richten, um Ansteckungseffekte zu bremsen. (UZH/mc/pg)