Schmelzwasser des Grönländischen Eisschildes fliesst schneller ab

Schmelzwasser auf der Oberfläche des Firns. (Bild: Dirk van As, Geologischer Dienst von Dänemark und Grönland Bild: Dirk van As, Geologischer Dienst von Dänemark und Grönland)

Zürich – Die Firnschicht des Grönländischen Eisschildes kann weniger Schmelzwasser speichern als angenommen. Das könnte zu einem erhöhten Abfluss des Schmelzwassers in die Ozeane führen, befürchten Forschende der USA, Dänemarks und der Universität Zürich.

Die oberflächennahen Schichten des Grönländischen Eisschildes bestehen aus Schnee, der sich allmählich zu Gletschereis umwandelt. Diese Firnschicht ist auf Grönland bis zu 80 Meter dick. Wie Forscher aus Dänemark, den USA und der Universität Zürich belegen, verändert die gegenwärtige Erwärmung diese Firnschicht so, dass entstehendes Schmelzwasser schneller abfliesst als früher angenommen. «Unsere Forschung erhärtet den Verdacht, dass der Firn schnell auf ein sich änderndes Klima reagiert. Wahrscheinlich kann er Schmelzwasser weniger effizient speichern als vermutet und damit weniger gut dem Massenverlust des Eischildes vorbeugen», resümiert Horst Machguth, leitender Autor der Studie von der Universität Zürich.

In Grönland untersuchte das Forschungsteam, wie die aktuelle Erwärmung den oberflächennahen Schnee und das Eis, den sogenannten Firn, beeinflusst. Im Verlaufe dreier Expeditionen auf dem Eisschild legten die Forscher hunderte von Kilometern auf dem Eis zurück, analysierten mit Hilfe von Radar den Untergrund und bohrten in regelmässigen Abständen Kerne in den Firn.

Firnschicht wirkt wie ein Schwamm
Wie man aus früherer Forschung weiss, wirkt die Firnschicht wie ein Schwamm. Sie speichert Schmelzwasser, das an der Oberfläche entsteht und anschliessend in den Firn einsickert, in sogenannten Eislinsen. «Unklar ist, wie der Firn auf die jüngst sehr warmen Sommer auf Grönland reagiert hat», erklärt Horst Machguth von der Universität Zürich. «Mit unserer Forschung wollen wir herausfinden, ob der Firn die grossen Mengen von Schmelzwasser speichern konnte, oder ob der Schwamm übersättigt wurde.»

Die Forscher bohrten zahlreiche 20 Meter tiefe Bohrlöcher und entnahmen Bohrkerne. Sie orientierten sich dabei auch an Standorten, an denen vor 15 bis 20 Jahren bereits vergleichbare Kerne gebohrt wurden. Der Vergleich von alten und neuen Kernen zeigte an mehreren Stellen, dass es deutlich mehr Eislinsen gab als früher und der Firn ähnlich wie ein Schwamm das Schmelzwasser gespeichert hat. Das war aber nicht überall so. In tieferen Höhenlagen gebohrte Kerne zeigten, dass die aussergewöhnlichen Mengen an Schmelzwasser direkt unter der Oberfläche eine überraschend massive Eisschicht bildeten.

Schmelzwasser versickert nicht mehr
«Es scheint, dass der intensive und wiederholte Eintrag von Schmelzwasser zahlreiche Eislinsen formte, die schlussendlich das weitere Vordringen des Wassers behinderten», sagt Dirk van As vom Geologischen Dienst in Dänemark und Grönland. Folglich verwuchsen die vielen kleinen Linsen zu einer Eisschicht von mehreren Metern, die nun wie ein Deckel über nach wie vor porösem Firn liegt. In den Radarmessungen lässt sich diese Schicht über Dutzende von Kilometern verfolgen. Neu entstehendes Schmelzwasser konnte nicht im Firn versickern, da es auf diesen Eis-Deckel traf, und blieb so an der Oberfläche. Satellitenbilder zeigen denn auch, dass am Versickern gehindertes Schmelzwasser sich an der Oberfläche sammelt, wo es Flüsse bildet und zum Rand des Eisschildes abfliesst.

«Im Vergleich zur ursprünglichen Speicherung im porösen Firn erhöht dieser Mechanismus den Massenverlust des Eisschildes», erläutert Mike MacFerrin, ebenfalls Mitautor der Studie und Forscher an der Universität von Boulder, Colorado. «Dieser Prozess wurde bis anhin auf Grönland nicht beschrieben und die vollständige Ausdehnung des Firn-Deckels ist unbekannt. Daher können wir noch nicht abschätzen, um welchen Betrag der Massenverlust des ganzen Eisschildes zunimmt.» Ähnlich Veränderungen im Firn wurden jedoch schon in der Kanadischen Arktis beobachtet, was zur Vermutung führt, das Phänomen könnte weit verbreitet sein. (UZH/mc/ps)

Literatur:
Machguth, H., M. MacFerrin, D. van As, J. E. Box, C. Charalampidis, W. Colgan, R. S. Fausto, H. A. J. Meijer, E. Mosley-Thompson and R. S. W. van de Wal. Greenland meltwater storage in firn limited by near-surface ice formation. Nature Climate Change. Doi: 10.1038/nclimate2899

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