Grüne fordern Abschaltung: AKW Mühleberg.
Bern – Nach den schweren Beschädigungen am japanischen Atomkraftwerk Fukushima beginnt hierzulande die Debatte über die Sicherheit der Schweizer Werke. Selbst von atomfreundlichen Politikern sind nachdenkliche Töne zu vernehmen. Der Bundesrat indes hält sich noch zurück. «Wir können nun nicht einfach zur Tagesordnung übergehen», sagte der Solothurner Ständerat und Rolf Büttiker (FDP), Verwaltungsrat des AKW Leibstadt, am Sonntag gegenüber der Nachrichtenagentur SDA.
Was in Japan passiert ist, sollte uns zu denken geben. «Mich hat der Vorfall schockiert.» Experten müssten nun der Frage nachgehen, ob sich nicht auch in der Schweiz ein sehr starkes Erdbeben ereignen könnte, sagte Büttiker. Die Atombefürworter müssten sich unangenehme Fragen gefallen lassen. Er wies darauf hin, dass neue Atomkraftwerke auf jeden Fall sicherer gebaut werden könnten als die schon bestehenden. Die Aargauer FDP-Nationalrätin und Präsidentin des Nuklearforums Schweiz, Corina Eichenberger, sagte auf Anfrage, dass die Diskussion um die Atomkraft nun «aus verständlichen Gründen» schwieriger werde. Obwohl die Schweiz nicht in einem Gebiet mit häufigen Erdbeben liege, müssten die hiesigen Werke überprüft werden. Auch werde es wahrscheinlich zu Verzögerungen bei der Planung der neuen Kernkraftwerke kommen.
ENSI: «Technische Auswirkungen»
Das Eidg. Nuklearsicherheitsinspektorat (ENSI) sieht nach dem Vorfall keinen unmittelbaren Handlungsbedarf. In Bezug auf die laufenden Verfahren für Ersatzwerke in Mühleberg, Gösgen und Beznau werde es aber «Auswirkungen technischer Art» geben, sagte Georg Schwarz, Leiter des Bereichs Kernkraftwerke beim ENSI, auf Anfrage. Auf jeden Fall müssten die Vorkommnisse in Fukushima analysiert und die Lehren daraus gezogen werden. Unbestritten sei schon jetzt, dass die Schweizer Atomkraftwerke nicht für ein solch starkes Erdbeben gebaut seien, sagte Schwarz: «Würde sich die Erde so fest bewegen wie in Japan, hätten auch die hiesigen Atomkraftwerke mit Problemen zu kämpfen.»
«Strahlung bliebe in Anlage»
Der Berner FDP-Nationalrat und Atomenergiebefürworter Christian Wasserfallen sagte auf Anfrage, dass es keine absolute Sicherheit gebe – das gelte für die Kernenergie, aber auch für alle anderen Bereiche im Leben. Wichtig sei, dass es nach einer allfälligen Kernschmelze zu keinem Austritt von radioaktiver Strahlung komme. «Das Gemisch von radioaktiver Strahlung muss innerhalb der Anlage bleiben – und das wird sie in jedem Fall», sagte Wasserfallen, der auch der Vorstandsmitglied des Nuklearforums Schweiz ist.
Abschaltung von Mühleberg gefordert
Für die Atomgegner beweist der Vorfall von Fukushima die Gefährlichkeit von Atomkraftwerken. Geri Müller, grüner Nationalrat aus dem Aargau und Präsident der Energiestiftung Schweiz, sagte, dass ihn die Vorkommnisse «grosses Bauchweh» bereiteten. Mit dem Erdbeben sei ein Fall eingetreten, der nicht so selten sei. Die Grüne Partei der Schweiz forderte schon am Samstag, dass der Bundesrat das laufende Verfahren für den Bau von drei neuen AKW in der Schweiz sistiere. Zudem soll er auf seinen Entscheid, dem AKW Mühleberg eine unbefristete Betriebsbewilligung zu geben, zurückkommen. Die Internationale Atomenergiebehörde (IAEO) habe im Jahr 2002 in ihrem Gutachten festgehalten, dass Mühleberg keinem Erdbeben standhalten würde, teilten die Grünen mit. Mühleberg solle deshalb, wie ursprünglich vorgesehen, 2012 den Betrieb einstellen. Auch die SP Bern forderte die rasche Stilllegung von Mühleberg.
Bundesrat zurückhaltend
Der Bundesrat reagierte zurückhaltend. Auch für den Sonntag sei vorderhand keine Sondersitzung geplant, sagte UVEK-Sprecher Harald Hammel am Sonntag auf Anfrage. Bereits am Samstag teilte das Eidg. Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) mit, dass es noch zu früh sei, um Schlussfolgerungen bezüglich der Sicherheit von Schweizer Atomkraftwerken zu ziehen. Ebenso sei es noch nicht möglich, die Auswirkungen auf die künftige Energiepolitik der Schweiz abzuschätzen. (awp/mc/ps)
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