Schweizer Immobilienmarkt 2017: Mieter gesucht

Zürich – Der Mietwohnungsmarkt steuert gemäss den Ökonomen der Credit Suisse ungebremst in den Abschwung. Ungeachtet steigender Leerstände wird weiter in den Schweizer Immobilienmarkt investiert, was die Bautätigkeit im Mietwohnungssegment ankurbelt. Die Leerstände werden unweigerlich weiterwachsen. Der Motor dieser Entwicklung sind die Negativzinsen. Sie sorgen für hohe Renditedifferenzen zu Anlagealternativen und lassen Immobilieninvestitionen nach wie vor attraktiv erscheinen.

Diese Konstellation dürfte dazu führen, dass 2017 trotz sinkender Mieten die Preise von Mehrfamilienhäusern nochmals ansteigen. Die Preise von Wohneigentum steigen hingegen nicht mehr. Im 4. Quartal 2016 ist eine 14-jährige Ära des Preiswachstums zu Ende gegangen. Wohneigentum gleicht für die meisten Haushalte einer Fata Morgana: Die geringen effektiven Wohnkosten sind bloss eine Täuschung, da die Regulierung und die hohen Preise Wohneigentum für viele Haushalte unerschwinglich machen. In ihrer neusten Studie legen die Immobilienspezialisten der Credit Suisse einen speziellen Fokus auf den Geschäftsflächenmarkt und erörtern die Auswirkungen von Digitalisierung und Automatisierung auf den Büroflächenmarkt.

Immobilien stehen in der Gunst der Anleger nach wie vor weit oben. Der Run auf das «Betongold» zeigt sich etwa im anhaltenden Boom des Mietwohnungsbaus, im steigenden Immobilienanteil der Portfolios institutioneller Anleger und in der guten bis ausgezeichneten Performance von Immobilienanlagen im letzten Jahr. Je länger der Run jedoch dauert, desto stärker untergräbt er sein eigenes Fundament, weil die Leerstände ungebremst steigen und die Mieterträge unter Druck geraten.

Mietwohnungsmarkt: Mit Vollgas in den Abschwung
Der Abschwung des Mietwohnungsmarktes, der im vergangenen Jahr eingeläutet wurde, setzt sich 2017 fort. Das seit über zwei Jahren vorherrschende Negativzinsumfeld und der damit verbundene Anlagenotstand treiben den Bau von Mietwohnungen auf sehr hohe Niveaus – und zwar ungeachtet des Nachfragerückgangs infolge geringerer Zuwanderung. Dank der graduellen Erholung der Konjunktur vom Frankenschock erwarten die Ökonomen der Credit Suisse 2017 keinen weiteren Rückgang der Zuwanderung. Dennoch dürfte der strukturelle Trend zu tieferer Mieterkaufkraft anhalten, weil die Zuwanderung vermehrt aus ärmeren Ländern erfolgt und zudem die gut situierten heimischen Haushalte ins Eigentum abwandern. Dem Mietwohnungsmarkt wird dadurch Kaufkraft entzogen. Die Leerstände dürften damit weiter steigen und die Vermarktung schwieriger gestalten.

Der Wettbewerb um den Mieter wird sich entsprechend weiter verschärfen. Während die Risiken für die Vermieter im Markt folglich zunehmen, dürfen sich Mieter folglich über eine einfachere Wohnungssuche und zunehmend tiefere Mieten freuen. In den Agglomerationen dürften sich mittelfristig die Überangebote stärker bemerkbar machen, denn die Bautätigkeit intensiviert sich vor allem in den Agglomerationsgemeinden. In den Zentren, wo Bodenknappheit und eine hohe Regulierungsdichte das Angebotswachstum hemmen, bleibt Wohnraum dagegen knapp.

Wohneigentum: Für Viele eine Fata Morgana
Nach 14 Jahren ist das Preiswachstum im Wohneigentumssektor zu Ende. Trotz leicht sinkender Preise bewegt sich das Eigentumssegment aber in ruhigen Bahnen. Im Unterschied zu den anderen Märkten ist kein Überangebot vorhanden oder absehbar. Die Promotoren von Wohneigentum haben früh erkannt, dass die hohen Preise in Kombination mit den verschärften Finanzierungsrichtlinien die Nachfrage beschneiden und teilweise umlenken werden. Trotz einer zurückhaltenden Angebotsausweitung wird auch das Marktumfeld bei Wohneigentum nicht einfacher. Eine wachsende Anzahl Haushalte kann die Finanzierung von Wohneigentum aufgrund der gestiegenen finanziellen Anforderungen nicht mehr stemmen.

Die tiefen Hypothekarzinsen sind in diesem Sinne für viele Haushalte nur eine optische Täuschung. Damit wird sich die Nachfrage auch im laufenden Jahr verstärkt auf Regionen mit noch bezahlbaren Preisen sowie auf das tiefe und mittlere Preissegment konzentrieren. Während die Ökonomen der Credit Suisse in diesen Regionen weiter steigende Preise erwarten, werden die Preise in den Hochpreisregionen sowie generell im Hochpreissegment voraussichtlich weiter fallen – wenn auch mit vermindertem Tempo. Die Immobilienspezialisten der Credit Suisse rechnen 2017 mit einem Rückgang der Wohneigentumspreise von nicht mehr als 0.5%.

Allein zu Haus: Trend zum Single Living
Einpersonenhaushalte sind heute die häufigste Wohnform in der Schweiz. Daran dürfte sich so schnell nichts ändern. Die Gründe, alleine zu leben, sind vielfältig. Eine eher neue Zeiterscheinung ist, dass Personen trotz einer bestehenden Beziehung bewusst ein Leben im eigenen Haushalt bevorzugen. Zum Trend des Single Living gesellt sich jüngst in der Form von Mikroapartments ein innovatives Wohnangebot, das bezüglich Zeitgeist und Anforderungen optimal auf die Bedürfnisse vieler Single-Haushalte zugeschnitten ist. Denn durch die teuren Wohnkosten in den Zentren verlagert sich der Fokus der Nachfrage auf kleinere Wohnungen.

Mikroapartments passen hervorragend zum neuen Lifestyle des Minimalismus: Platzsparende technologische Entwicklungen und ein wachsendes Rundum-Dienstleistungsangebot haben den Flächenbedarf reduziert und die Akzeptanz von kleinen Wohnungen erhöht. Für Investoren stellen Mikroapartments eine interessante Anlage dar, da deren Mieterträge pro Quadratmeter höher liegen als bei grösseren Wohnungen und die Zielgruppen sehr vielfältig sind.

Büroflächenmarkt: Unklare langfristige Nachfrageaussichten
Steigende Leerstände und sinkende Mieten kennzeichnen die Situation auf dem Büroflächenmarkt. Der Abschwung verlangsamt sich jedoch: Die Angebotsquote hat sich insgesamt nicht weiter erhöht und ist in den Grosszentren sogar mehrheitlich gesunken. Zu verdanken ist dies einer leichten Belebung der Nachfrage sowie dem Verschwinden bisher erfolgloser Büroprojekten von den Onlineportalen, wie die Ökonomen der Credit Suisse festgestellt haben. Animiert von den Negativzinsen, verharrt die Ausweitung derweil auf dem aktuellen Niveau. Gebaut wird dabei zumeist für den Eigenbedarf, an sehr guten Lagen und vermehrt in mittelgrossen Zentren. Angesichts dieser Ausgangslage dürfte das Überangebot kaum schrumpfen. Die Leerstände verlagern sich somit lediglich und konzentrieren sich auf schlecht erreichbare oder veraltete Büroflächen. In den Innenstädten dürfte sich die Situation für die Vermieter graduell verbessern.

Ausserhalb der Zentren setzen die Mieten allerdings ihren Sinkflug fort. Zudem sind die langfristigen Perspektiven für die Büroflächennachfrage unsicher. Der Spardruck infolge des starken Schweizer Frankens zwingt die Unternehmen, ihre Prozesse zu optimieren und die Kosten zu reduzieren. Den Büroflächenmarkt betrifft dies in Form von ressourcenoptimierenden Arbeitsplatzmodellen oder wegfallenden Arbeitsplätzen, die entweder einer Verlagerung ins Ausland zum Opfer fallen oder der Automatisierung. Die Digitalisierung fördert spezifisch die Automatisierung von Bürotätigkeiten. Dabei ist offen, ob durch die digitale Revolution neugeschaffene Tätigkeiten wegrationalisierte Büroarbeitsplätze schnell genug kompensieren werden. Diese müssten langfristig rund einen Fünftel Büroflächen wettmachen, wie die Credit Suisse-Ökonomen vorrechnen. (CS/mc/pg)

Vollständige Studie

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