Jedes vierte KMU leidet unter Fachkräftemangel
Zürich – Die Ökonomen der Credit Suisse haben heute die Studie «Erfolgsfaktoren für Schweizer KMU – Strategien gegen den Fachkräftemangel » veröffentlicht. Wie in den früheren Ausgaben der Studienreihe bewerten die rund 1’900 befragten KMU den Wirtschaftsstandort Schweiz insgesamt zwar als erfolgsfördernd. Als grosse Sorge gilt allerdings der Fachkräftemangel. Mehr als die Hälfte der rekrutierenden KMU haben Mühe, geeignete Kandidaten für offene Stellen zu finden. Rund ein Viertel dürfte akut vom Fachkräftemangel betroffen sein – auf die Schweiz hochgerechnet sind es rund 90’000 KMU. Die regionalen Unterschiede sind dabei gross. Die beiden Megatrends Digitalisierung und demografische Alterung werden den Bedarf nach und das Angebot an Fachkräften künftig bedeutend prägen.
Wie bereits in den Vorjahren bezeichnen Schweizer KMU den Standort Schweiz insgesamt als erfolgsfördernd. Befragt nach den wichtigsten Standortfaktoren wirkt sich laut KMU nur die «Auslandsverflechtung» insgesamt negativ aus, was unter anderem auf den nach wie vor starken Franken zurückzuführen sein dürfte. Unter dem Eindruck der generell aufgehellten Konjunkturlage beurteilen die befragten Unternehmen den Standort Schweiz insgesamt etwas positiver als 2016 und sind auch bezüglich der künftigen Entwicklung der Standortbedingungen etwas optimistischer als im Vorjahr. Allerdings erwarten vier von zehn Firmen eine Verschlechterung der regulatorischen Rahmenbedingungen. «Der Unternehmensstandort Schweiz bietet nach wie vor sehr gute Bedingungen für den Erfolg von Schweizer KMU. Es gibt aber auch Herausforderungen. Viele Unternehmen sind ob der steigenden Regulierungsdichte besorgt. Und obwohl die Mitarbeitenden einen zentralen Pfeiler für den Erfolg der hiesigen KMU darstellen, kämpfen viele Unternehmen mit dem Fachkräftemangel», sagt Andreas Gerber, Leiter KMU-Geschäft der Credit Suisse.
Rund 90’000 KMU akut vom Fachkräftemangel betroffen
Wie die Studie zeigt, hat mehr als die Hälfte der rekrutierenden Firmen Mühe, geeignete Kandidaten für offene Stellen zu finden. Rund ein Viertel der befragten Unternehmen ist sogar akut vom Fachkräftemangel betroffen – was auf die Schweiz hochgerechnet rund 90’000 KMU darstellt. Der Mangel ist gemäss der Umfrage vor allem bei fachtechnischen Fähigkeiten sowie Führungs- und Projektmanagement-Positionen ausgeprägt. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein KMU vom Fachkräftemangel betroffen ist, hängt allerdings relativ stark vom Standort ab. Unternehmen aus grossen Städten haben seltener Schwierigkeiten bei der Rekrutierung als Betriebe in ländlichen Gemeinden und Bergregionen. Auch KMU aus dem Tessin und der Genferseeregion kämpfen weniger häufig mit einem Mangel an qualifizierten Arbeitskräften. Teilweise dürften die Firmen aus diesen Regionen von der überdurchschnittlich hohen Zahl an Grenzgängern profitieren, die dort arbeiten. Die grössten Rekrutierungsschwierigkeiten haben KMU in den Regionen Ost- und Zentralschweiz.
KMU setzen auf Weiterbildung
Schweizer KMU reagieren unterschiedlich auf den Fachkräftemangel. Die Rekrutierung im Ausland ist bei weitem nicht die einzige Option, wenn auch grössere KMU und solche in den Grenzregionen diese Strategie gegen den Fachkräftemangel stärker nutzen. An erster Stelle steht die Aus- und Weiterbildung. Rund 80% der befragten KMU unterstützen manchmal oder häufig Aus- und Zusatzausbildungen von Mitarbeitenden, 53% bilden Lernende aus. Deutlich weniger oft genutzt wird die aktive Suche an Berufsmessen, auf Jobportals oder über Personalvermittler, die Einstellung von Temporärmitarbeitenden oder Freelancern, das Outsourcing oder die Förderung der Beschäftigung über das Rentenalter hinaus. Dies gilt jedoch nicht für alle KMU: Unternehmen, welche grosse Schwierigkeiten bei der Rekrutierung von Fachkräften erleben, engagieren sich überdurchschnittlich stark auf Berufsmessen oder nutzen öfter die Dienste von Personalvermittlern.
KMU wünschen sich mehr Lernende
Die Umfrage bestätigt den allgemein guten Ruf des Schweizer Bildungswesens. 62% der befragten Unternehmen sind der Auffassung, dass das hiesige Bildungssystem sehr oder eher gut auf ihren Fachkräftebedarf ausgerichtet ist. Makellos ist dieses Resultat indessen nicht; immerhin ein Viertel attestiert nur eine mässige Ausrichtung auf ihre Bedürfnisse. Eine Mehrheit von 64% der KMU wünscht sich zudem, dass künftig mehr junge Menschen als heute eine Berufslehre anstelle des gymnasialen Bildungswegs wählen und sich dann gegebenenfalls via Fachhochschule oder höherer Fachschule weiterbilden. Daraus Forderungen nach einer Reduktion der Maturitätsquote abzuleiten, wäre jedoch aus Sicht der Ökonomen der Credit Suisse verfehlt. So wünscht sich z.B. in der dynamischen und innovativen IT-Branche fast die Hälfte der KMU, dass der gymnasiale Weg in Zukunft mehr oder gleich viel Gewicht haben soll wie heute.
Unternehmen müssen sich auf demografischen Wandel vorbereiten
«In den nächsten Jahren werden die beiden globalen Megatrends Digitalisierung und demografische Alterung den Arbeitsmarkt und damit die Fachkräftesituation massgeblich prägen», sagt Oliver Adler, Chefökonom der Credit Suisse. In der kommenden Dekade geht die Baby-Boom-Generation in Rente. Statt 88’000 Personen wie im Jahr 2015 erreichen 2030 knapp 126’000 Personen das ordentliche Rentenalter. Entsprechend muss in den nächsten Jahren eine zunehmend grosse Zahl an Arbeitskräften laufend ersetzt werden. Trotzdem schätzen Schweizer KMU den Zusatzbedarf an Fachkräften aufgrund von Mitarbeiterpensionierungen überwiegend als gering bis moderat ein. Nur knapp 15% der Umfrageteilnehmer geben an, dass ihr künftiger Bedarf stark steigen wird. Schweizer KMU werden jedoch gemäss den Studienautoren nicht darum herum kommen, sich der Herausforderung eines (bestenfalls) stagnierenden und alternden Arbeitskräftepotentials zu stellen. Eine Strategie stellt diesbezüglich die Beschäftigung von Mitarbeitenden über das gesetzliche Rentenalter hinaus dar. Über alle befragten Unternehmen setzt heute jedoch lediglich knapp jedes vierte KMU manchmal oder oft auf diese Massnahme, um den Fachkräftebedarf zu sichern.
Digitalisierung ermöglicht es Fachkräfte zu ersetzen, führt aber auch zu neuem Bedarf
Auch die Automatisierung und Digitalisierung könnten die Auswirkungen der demografisch bedingten Stagnation der Erwerbsbevölkerung kompensieren. Gemäss den Berechnungen der Ökonomen der Credit Suisse gehen heute rund 49% der Erwerbstätigen einem Beruf mit mittlerem und 6% einem Beruf mit hohem Automatisierungspotential nach. Bereits heute setzt gut ein Viertel der befragten KMU auf Digitalisierung und Automatisierung als explizites Mittel gegen den Fachkräftemangel. Allerdings führt die Digitalisierung auch zu zusätzlichem Bedarf an Fachkräften. Gemäss Umfrage erwarten 38% der Schweizer KMU im Kontext der Digitalisierung einen Anstieg des Bedarfs an Arbeitskräften mit spezifischen Fachkenntnissen, nur 8% mit einem Rückgang. Ob die Digitalisierung den Fachkräftebedarf letztlich netto erhöht oder senkt, kann heute allerdings kaum beurteilt werden. (Credit Suisse/mc/ps)
Über die Studie
In der Schweiz sind rund 600’000 KMU tätig und beschäftigen zusammen mehr als zwei Drittel aller Erwerbstätigen. Im Rahmen der Studienreihe «Erfolgsfaktoren für Schweizer KMU» analysieren die Ökonomen der Credit Suisse jährlich die Einschätzung der KMU zum Standort Schweiz. Auch dieses Jahr wurden 1’900 Schweizer KMU zu den Faktoren bzw. Rahmenbedingungen befragt, die zu ihrem Erfolg am hiesigen Standort beitragen. Die Verfügbarkeit von qualifizierten Arbeitskräften als wichtigste Rahmenbedingung bildet das Schwerpunktthema der diesjährigen Studie.
Die Publikation «Erfolgsfaktoren für Schweizer KMU – Strategien gegen den Fachkräftemangel» finden Sie im Internet auf Deutsch, Französisch, Italienisch und Englisch unter: www.credit-suisse.com/publikationen (Märkte & Trends – Schweizer Wirtschaft)