Schweizer Spitzensport meistert Corona-Situation bislang gut

Schwimmen

(Photo by Gentrit Sylejmani on Unsplash)

Bern – Die Schweizer Spitzenathletinnen und Spitzenathleten haben die Einschränkungen durch Corona bisher gut überstanden. Dies zeigt die «Swiss Athletes Corona Study» der Universität Bern, eine Umfrage, die gemeinsam mit Swiss Olympic und der Stiftung Schweizer Sporthilfe durchgeführt wurde. Jedoch könnte sich die finanzielle Situation der Athletinnen und Athleten aufgrund auslaufender Verträge gegen Jahresende deutlich verschlechtern.

Die COVID-19-Pandemie und die damit verbundenen Einschränkungen haben die Lebenssituation der Schweizer Spitzensportlerinnen und -sportler massiv verändert. Mit der Absage fast aller Wettkämpfe, der Verschiebung der Olympischen Sommerspiele in Tokio auf das Jahr 2021 und erheblichen Einschränkungen im Trainingsbetrieb erfuhren ihre leistungssportlichen Karrieren gravierende Einschnitte. Um die Situation zu evaluieren, hat ein Team aus Forschern des Instituts für Sportwissenschaft der Universität Bern unter der Leitung von Professor Achim Conzelmann und in Zusammenarbeit mit Swiss Olympic und der Stiftung Schweizer Sporthilfe die «Swiss Athletes Corona Study» durchgeführt. 1’411 Schweizer Spitzensportlerinnen und Spitzensportler nahmen an der anonymen Online-Studie, die den Zeitraum vom 13. März bis 20. Juli untersuchte, teil. Die Resultate zeigen, dass Schweizer Spitzenathletinnen und Spitzenathleten den Lockdown trotz der Einschränkungen nicht allzu negativ wahrgenommen haben.

Fast ein Drittel des Trainings entfiel
Der komplette Lockdown hatte eine deutliche Veränderung des Trainingsbetriebs der Athletinnen und Athleten zur Folge. 74,4 % der befragten Spitzensportlerinnen und Spitzensportler gaben an, dass ihr Trainingsalltag «auf den Kopf gestellt» worden sei. Durchschnittlich konnten nur noch 69 % der Trainingswochenstunden im Vergleich zum normalen Pensum absolviert werden. Die grössten Einbussen hatten die olympischen Sommersportlerinnen und -sportler (-33 %), die normalerweise während der Frühsommermonate ihr Trainingspensum hochgefahren hätten. Olympische Wintersportlerinnen und Wintersportler (-24 %), deren aktive Wettkampfsaison sich dem Ende neigte, sowie Behindertensportlerinnen und Behindertensportler (-22 %) berichteten hingegen deutlich geringere Trainingsverluste. In der Zeit nach den ersten Lockerungen (ab 11. Mai) konnten die Spitzensportlerinnen und Spitzensportler durchschnittlich wieder 92 % ihres normalen Trainingspensums bestreiten.

Milde Gesamtwahrnehmung des Lockdowns
Im Gegensatz zum Trainingsbetrieb wirkte sich der Lockdown gemäss Umfrage nur geringfügig auf die die Motivation und auf die aktuelle sportliche Leistungsfähigkeit der Befragten aus. «Nur in seltenen Fällen führte der Lockdown zu Gedanken an ein Karriereende im Spitzensport», sagt Achim Conzelmann.

Beim subjektiven Stresserleben konnten die Forscher Unterschiede in den verschiedenen Sportartkategorien feststellen. Die Sportlerinnen und Sportler in olympischen Sommer- und nicht-olympischen Sportarten hatten ein bis zu 10 % höheres subjektives Stressniveau als jene der anderen beiden Kategorien (olympische Wintersport- und Behindertensportarten). Dies dürfte gemäss den Forschern mit dem Zeitpunkt des Lockdowns und der davon abhängigen Saisonphase der Sportartkategorien zusammenhängen. «Die Mehrheit der Sportlerinnen und Sportler konnte relativ gut mit der Krise umgehen. 99 % aller Befragten haben angegeben, dass sie dem Lockdown mindestens einen positiven Aspekt abgewinnen konnten», sagt Conzelmann.

Nur fünf Prozent der Sportlerinnen und Sportler gaben in der Befragung an, während des Lockdowns Unterstützungsangebote wie zum Beispiel sportpsychologische Beratungen zusätzlich zu ihren normalen Unterstützungsdienstleistungen in Anspruch genommen zu haben. Mehrheitlich sehr zufrieden waren die Befragten mit der Unterstützung von ihren Trainerinnen und Trainern sowie von Swiss Olympic und der Stiftung Schweizer Sporthilfe.

Finanzielle Situation hat sich (noch) kaum verändert
Die Umfrage zeigt, dass die finanzielle Situation bei knapp der Hälfte der Athletinnen und Athleten unverändert ist. Etwa ein Viertel musste eine leichte und weniger als 5 % eine deutliche Verschlechterung der finanziellen Situation in Kauf nehmen. «Diese Einbussen sind hauptsächlich durch die fehlenden Wettkampfprämien in der Zeit des Lockdowns zu erklären», so Conzelmann. Sowohl die finanzielle Unterstützung von der Stiftung Schweizer Sporthilfe (betrifft 41 % der Athletinnen und Athleten) als auch von Sponsoren sei vertragsgebunden relativ konstant geblieben. Einzig die kantonalen Erfolgsbeiträge seien weggefallen. Achim Conzelmann: «Diese Situation kann sich nach dem Auslaufen der aktuellen Verträge allerdings drastisch verändern, wenn Unterstützungsbeiträge deutlich gekürzt werden oder gar ganz wegfallen.» Etwa 19 % der Befragten haben eine leichte und vier Prozent eine deutliche Verbesserung der finanziellen Situation angegeben. Dies sei durch den Rückgang der Ausgaben für den Sport (zum Beispiel Reise- oder Trainingslagerkosten) zu erklären.

Zukunft für einzelne Karrieren ist ungewiss
Laut Projektleiter Achim Conzelmann sind die insgesamt positiven Ergebnisse mit Vorsicht zu geniessen: «Die meisten befragten Sportlerinnen und Sportler haben zwar den Lockdown ohne grössere Schwierigkeiten überstanden und viele konnten aus der Situation zumindest teilweise einen persönlichen Nutzen ziehen, jedoch werden einige negative Auswirkungen erst in den kommenden Monaten sichtbar werden. So kann es sein, dass zum Jahresende Sponsoren aussteigen oder weitere wichtige Wettkämpfe abgesagt werden. Die Konsequenz dürfte sein, dass erfolgversprechende Leistungssportkarrieren ein vorzeitiges Ende finden könnten.» (mc/pg)

Swiss Olympic
Stiftung Schweizer Sporthilfe

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