Schweizer Unternehmen unterschätzen Cyberkriminalität
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Bern – Schweizer Unternehmen unterschätzen die Bedrohungen durch die Cyberkriminalität und verhalten sich nach wie vor zu wenig vorausschauend. Zudem setzen die Firmen zu sehr auf die Technologie und vernachlässigen den menschlichen Faktor, wie aus einer Studie von KPMG hervorgeht.
Durch die fortschreitende Digitalisierung des Lebens habe das Thema Cyberkriminalität auch hierzulande massiv an Bedeutung gewonnen, teilte die Beratungs- und Wirtschaftsprüfungsgesellschaft am Mittwoch vor den Medien in Zürich mit. So habe die Internetkriminalität in der Schweiz im letzten Jahr einen volkswirtschaftlichen Schaden von rund 200 Mio CHF verursacht.
Mit dem Internet der Dinge, das immer mehr Geräte mit der Onlinewelt verbindet, werden die Angriffsflächen grösser. Grundsätzlich seien sich die Schweizer Firmen dieser Gefahren bewusst. 63% der befragten 64 Unternehmen hätten angegeben, dass ihre Firma durchaus ein attraktives Ziel für Cyberattacken sein könnte.
Neben dem Diebstahl von Kundendaten, geistigem Eigentum und Geschäftsgeheimnissen würden zunehmend auch Angriffe, die Geschäfts- und Produktionsprozesse unterbrechen, als Risiken wahrgenommen.
Dennoch verhalten sich die Firmen angesichts der Bedrohungen im Internet nach wie vor zu reaktiv, wie KPMG feststellte: Drei Viertel der Befragten nannten konkrete Vorfälle als wichtigsten Treiber für die Intensivierung von Sicherheitsmassnahmen.
Nur wenige können Schaden beziffern
Nur knapp die Hälfte der Unternehmen versucht überhaupt, den aus Cyberattacken entstandenen Schaden zu ermitteln. Deshalb könnten 39% der Unternehmen den bisher entstandenen Schaden nicht beziffern.
«Da die Cyberkrimminalität naturgemäss eine starke technische Komponente umfasst, begehen viele Unternehmen den Fehler, bei der Bekämpfung primär auf Technologie zu setzen», hielt KPMG fest. 61% der Befragten gaben an, sich primär auf die Technologie zu konzentrieren und die menschliche Perspektive zu wenig miteinzubeziehen.
Das sei ähnlich wie bei der Berliner Mauer, sagte Co-Studienautor Matthias Bossardt. Man versuche ein Gebiet abzuschliessen und die Ein- und Ausreise zu kontrollieren. Das sei heute nicht mehr machbar wegen der zunehmenden Vernetzung der Kunden und Mitarbeiter. So würden beispielsweise die Mitarbeiter ihr eigenes Handy mitbringen, das die Firma nicht kontrollieren könne.
Oft würden die Mitarbeiter auch durch Phishing-Mails getäuscht, durch die dann Schadcodes in die Firma geschleust werden. Diese Mails könnten täuschend echt aussehen, so dass die Mitarbeiter auf sie hereinfielen, sagte Bossardt.
Passwörter nicht auf Bildschirm kleben
«Zwar führen 75% der Unternehmen Trainings für ein stärkeres Bewusstsein der Thematik bei Mitarbeitenden durch, dennoch erfolgen viele erfolgreiche Angriffe unter Ausnutzung des Faktors Mensch», sagte KPMG-Partner Gerben Schreurs.
Nur 36% der befragten Unternehmen würden denken, dass die Mitarbeiter genügend Bewusstsein für die Cyberrisiken hätten. «Manchmal muss man nur die Grundregeln einhalten: Passwörter sollten nicht auf einem Post-it an den Computerbildschirm geklebt werden», sagte Bossardt.
Gerade bei Lieferanten besteht Handlungsbedarf. Nur 14% überprüfen überhaupt die Anforderungen an die Cybersicherheit von Dritten. «Angesichts der vielen erfolgreichen Angriffe, die über Dienstleister und Lieferanten erfolgen, besteht hier ein grosser Nachholbedarf bei den Unternehmen», stellte KPMG fest.
Denn wenn die Attacke einmal erfolgt sei, bleibe sie lange unbemerkt. «Im Median bleiben Angreifer 205 Tage unentdeckt, das kann aber auch Jahre dauern», sagte Bossardt.
Und selbst wenn die Firmen einen Angriff entdeckt hätten, hätten 45% der Befragten keinen Plan, wie sie reagieren sollten. Das wäre wie wenn man bei einem Brand nicht wüsste, wie man die Feuerwehr anrufen könne, sagte Schreurs. Ganze 7 Prozent hätten überhaupt keine Gegenmassnahmen ergriffen, obwohl bereits ein Angriff erfolgt sei. (awp/mc/upd/ps)