Zürich – Angesichts der schwierigen Lage im europäischen Umfeld erwarten die Topmanager in der Schweiz eine konjunkturelle Abkühlung mit erheblichem Handlungsbedarf in naher Zukunft. Dennoch sehen gemäss einer repräsentativen Umfrage 85 Prozent der Spitzenkräfte auch Chancen, die Wettbewerbsposition ihres Unternehmens 2013 zu verbessern und auszubauen. Bei 75 Prozent der Befragten wurden bereits Massnahmen eingeleitet, die Wirkung wird jedoch als mehrheitlich unzureichend eingestuft. Der Fokus liegt nun stärker auf tief greifenden Geschäftsmodellanpassungen. Von der Politik werden eine Optimierung der Rahmenbedingungen und insbesondere ein Abbau der Bürokratie erwartet. Das sind die wichtigsten Ergebnisse der zweiten Befragung von Roland Berger Strategy Consultants, die in diesem Jahr in enger Zusammenarbeit mit economiesuisse realisiert wurde.
Über 250 Schweizer Topmanager aus allen Branchen haben an der Herbstbefragung von Roland Berger Strategy Consultants und economiesuisse teilgenommen – diese vermittelt somit ein repräsentatives Stimmungsbild der Schweizer Wirtschaft. Die konjunkturelle Lage in Europa wird als sehr kritisch eingeschätzt. Trotzdem beurteilen 67 Prozent der Befragten die gegenwärtige wirtschaftliche Lage der Schweiz neutral oder positiv. Ein ebenso hoher Anteil hat jedoch in den ersten drei Quartalen 2012 bereits eine konjunkturelle Verschlechterung im eigenen Wirtschaftssektor festgestellt. Zwischen den einzelnen Branchen bestehen deutliche Unterschiede: Besonders negativ wird der Markt von Unternehmen aus der produzierenden Industrie und aus den Bereichen Elektronik und Informationskommunikation eingeschätzt.
«Über 50% der Unternehmen leiden unter dem starken Franken»
Aufgrund der Fortsetzung der momentanen Stützungspolitik der Schweizer Nationalbank wird der Frankenkurs auch zukünftig mehrheitlich bei 1.20 zum Euro gesehen. «Über 50 Prozent der Unternehmen leiden unter dem starken Franken. Eine rasche Abkehr von der Wechselkursuntergrenze hätte entsprechend gravierende Konsequenzen für die Schweizer Wirtschaft», erklärt Rudolf Minsch, Chefökonom von economiesuisse.
Belastende Faktoren mit Handlungsbedarf
Befragt nach den Problemen, die ihren Sektor belasten könnten, nannten die Führungskräfte an erster Stelle die negativen Effekte der Staatsverschuldung, gefolgt vom zunehmenden Protektionismus vieler Länder und einer steigenden Arbeitslosigkeit. Die Finanzdienstleister gehen zudem von einer Konsolidierung ihrer Branche in der Schweiz aus und rechnen mit einer abnehmenden Risikobereitschaft bei vielen Anlegern. Bei 75 Prozent der befragten Schweizer Spitzenkräfte wurden – wie bereits im «Stimmungsbild 2011» angekündigt – operative Massnahmen eingeleitet. Deren Einfluss wird jedoch als weitestgehend unbefriedigend eingeschätzt. «Der Fokus wird heute deutlich stärker auf tief greifende Geschäftsmodellanpassungen, eine grundlegende Neuausrichtung und die Auslagerung von Schweizer Produktion ins Ausland gelegt», erläutert Beatrix Morath, Managing Partner bei Roland Berger.
Bürokratie als Wachstumsbremse
Um diese Herausforderungen meistern zu können, wünschen sich 66 Prozent der Manager stärkere politische Unterstützung. Gefordert werden nicht etwa Subventionen, sondern allen voran ein Bürokratieabbau (21 Prozent), das Verhindern einer Verschlechterung der Rahmenbedingungen (20 Prozent), aber auch zusätzliche Freihandelsabkommen (17 Prozent).
«Trotz schwieriger Ausgangslage sehen die Befragten auch Chancen, ihr Unternehmen noch besser zu positionieren», sagt Björn Maul, Partner bei Roland Berger. 25 Prozent wollen dies durch Fusionen und Übernahmen erreichen, für 23 Prozent ergeben sich vor allem Möglichkeiten durch Veränderungen im Marktumfeld. (economiesuisse/mc/ps)