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München – Der Wettbewerb in den Schwellenländern wird härter. Denn lokale Unternehmen investieren zunehmend in F&E, um wettbewerbsfähige Produkte anzubieten. Als grösste Innovationstreiber gelten China und Indien mit einem Anteil von 20 Prozent an den weltweiten F&E-Investitionen. Besonders erfolgreich ist hier die Entwicklung einfacher, kostengünstiger Produkte (Frugal Products) für das untere und mittlere Marktsegment. Diese lassen sich dann immer öfter auch in die westlichen Märkte erfolgreich exportieren: die so genannte «Reverse Innovation».
Doch um das grosse Innovationspotenzial der Schwellenländer nutzen zu können, sollten westliche Unternehmen die wesentlichen Wertschöpfungsaktivitäten vor Ort durchführen – von der Entwicklung über die Produktion bis hin zum Vertrieb. Dabei sollten sie verstärkt auf modulare Produkte auf Basis von Baukästen mit standardisierten Komponenten setzen. Das sind die wichtigsten Ergebnisse der neuen Publikation «Emerging markets are changing the global innovation agenda» aus der Reihe «8 Billion Business Opportunities» von Roland Berger Strategy Consultants.
«Nicht mehr die verlängerte Werkbank der Industriestaaten»
Im Jahr 2012 werden Unternehmen weltweit 1,4 Billionen Dollar für Forschung und Entwicklung ausgeben – 5,2 Prozent mehr als im vorigen Jahr. Dabei erlebt die globale F&E-Landschaft einen grundlegenden Strukturwandel: «Unternehmen aus Schwellenländern sind nicht mehr die verlängerte Werkbank der Industriestaaten, sondern investieren immer öfter in Forschungsprojekte und entwickeln so eigene, wettbewerbsfähige Produkte», erklärt Bernd Brunke, Partner und Mitglied der weltweiten Geschäftsführung von Roland Berger Strategy Consultants.
Schwellenländer als F&E-Treiber
Als wichtigste Innovationsstandorte haben sich China und Indien etabliert. In den vergangenen fünf Jahren haben sie ihre Investitionen in F&E-Aktivitäten verdoppelt: China auf 200 Milliarden Dollar, Indien auf 40 Milliarden Dollar. Damit geben diese beiden Länder zusammen rund ein Fünftel der weltweiten Aufwendungen für Innovation aus. Unter den 20 weltweit innovativsten Unternehmen rangieren mittlerweile fünf Firmen aus China, Indien und Brasilien. Diese drei Länder gehören zu den so genannten «Focus 20»-Ländern, die bis 2030 das stärkste Wirtschaftswachstum aufzeigen werden.
Dazu gehören Argentinien, Brasilien, China, Kolumbien, Ägypten, Indien, Indonesien, Iran, Irak, Malaysia, Mexiko, Nigeria, Pakistan, Peru, Russland, Saudi Arabien, Südafrika, Thailand, die Türkei und Vietnam.
Westliche Firmen unter Druck
«Dieser Trend der Schwellenländer, in die Entwicklung neuer Produkte stärker zu investieren, setzt westliche Firmen deutlich unter Druck», sagt Roland Berger-Stratege Michael Zollenkop. «Westliche Firmen müssen reagieren, wenn sie in den Entwicklungsländern mit innovativen und wettbewerbsfähigen Lösungen erfolgreich sein wollen. Denn hochentwickelte Produkte aus den Industrieländern sind für die Bedürfnisse der Schwellenmärkte oft ungeeignet».
«Frugal Products»: von den Schwellen- zu den Industrieländern
So kommen günstige Produkte, die einfach zu bedienen sind, in den Schwellenländern viel besser an, als teure Lösungen mit zu vielen Funktionen. Um diesen Anforderungen gerecht zu werden, entwickeln lokale Unternehmen verstärkt eigene Alternativen: die so genannten «Frugal Products». «Diese einfachen Produkte werden speziell für das niedrige und mittlere Marktsegment in den Schwellenländern hergestellt, doch sie setzen sich öfters auch in den reifen Märkten durch. Das ist das Phänomen der «Reverse Innovation», erklärt Bernd Brunke. «Diese preisgünstigen Lösungen stellen in den westlichen Ländern eine Ergänzung zu den hochentwickelten, teureren Produkten dar.»
Mit einfachen Lösungen zu grossem Erfolg
So verzeichnen einfache Lösungen einen grossen Erfolg auf der ganzen Welt: Ihr Umsatz wächst weltweit um 7 Prozent jährlich, in China und Indien sogar um 10 Prozent. Doch Unternehmen, die auf einfache, lokalisierte Lösungen für die Schwellenländer setzen möchten, müssen in lokale F&E-Aktivitäten investieren, um den örtlichen Marktbedürfnissen besser entgegenzukommen.
Wie wichtig es ist, Produkte lokal zu entwickeln und herzustellen, haben mittlerweile viele Unternehmen erkannt. So planen mehr als zwei Drittel der Firmen bis 2020 über 20 Prozent ihrer Produkte in den Entwicklungsländern zu fertigen. Tendenz weiterhin steigend. Dabei spielt die Modularisierung in der Produktstrategie eine wesentliche Rolle. Denn durch den Einsatz von standardisierten Einzelbauteilen entlang festgelegter Schnittstellen in den Produkten schaffen es Unternehmen, ihre Herstellungskosten zu senken und auf die Nachfrage flexibler zu reagieren. (Roland Berger/mc/pg)