St. Gallen – Seit 10 Jahren steuert die Nationalbank den Wert des Frankens. Der Auslöser war die Schuldenkrise in der Eurozone. Diese führte zu einer Flucht in den Franken. Der Eurokurs sank von Anfang 2010 bis im Herbst 2011 von 1.50 bis auf 1.03. Die SNB stemmte sich in dieser Zeit erfolglos mit Interventionen gegen die Aufwertung des Frankens. Als Notlösung setzte sie deshalb den Euro-Mindestkurs auf 1.20 fest und verkündete, diesen mit allen Mitteln zu verteidigen. Im Januar 2015 beendete sie den Euro-Mindestkurs wieder und ging dazu über, den Franken über Interventionen am Devisenmarkt zu steuern, und das sehr erfolgreich. Der handelsgewichtete Wert des Frankens pendelt seither in einem engen Band von 7%. Sowohl der Euro als auch der US-Dollar verhalten sich zum Franken stabil.
Die Stabilität des Frankens mit Hilfe der SNB hat jedoch seinen Preis. Durch den Kauf von Fremdwährungen wie dem Euro gegen Franken hat die Nationalbank ihre Bilanz massiv aufgebläht. Die Devisenreserven der SNB sind in dieser Zeit von 100 Mrd. Franken auf 900 Mrd. Franken angestiegen. Das ist grundsätzlich kein Problem. Das scheinbare Gratisvermögen und die daraus resultierenden Erträge wecken jedoch politische Begehrlichkeiten. Die Nationalbank musste ihre jährlichen Ausschüttungen an Bund und Kantone bis auf 6 Mrd. Franken pro Jahr erhöhen. Gefährlicher sind aber die Bemühungen, das Geld der SNB zweckgebunden zur Lösung der Finanzprobleme der AHV und der Pensionskassen abzuzweigen. Die jährliche Gewinnausschüttung wird die SNB wieder reduzieren können. Bei zweckgebundenen Ausgaben wird das nicht mehr möglich sein und die SNB läuft Gefahr, immer stärker die Sozialprobleme des Landes mit der Geldpresse lösen zu müssen.
Negativzinsen eingefroren
Um den Franken zu schwächen, hat die SNB 2015 ihren Leitzins auf -0.75% gesenkt hat. Mittlerweile hat die EZB nachgezogen und ihren Depotsatz ebenfalls bis auf -0.50% gesenkt. Solange die EZB ihre Leitzinsen nicht anhebt, wird die SNB ihrerseits auch nichts tun, um den Franken zu schonen. Wenn die EZB dann ihre Zinsen erhöht, wird die SNB wahrscheinlich weiter zuwarten, um die Zinsdifferenz zum Euro wieder auf die üblichen 0.5%-1.0% anwachsen zu lassen. Bis die Negativzinsen in der Schweiz Geschichte sein werden, wird es also noch lange dauern. Entsprechend gering bis nichtexistent werden auf Jahre hinaus die Erträge auf Schweizer Obligationen sein, was insbesondere für die Pensionskassen ein grosses Problem ist. Ihnen bleiben nur zwei Möglichkeiten, darauf zu reagieren. Sie können den Umwandlungssatz für die zukünftigen Renten senken.
Damit verstärken sie jedoch die Umverteilung der Gelder zwischen den aktiven Versicherten und den heutigen Rentnern. Die zweite Möglichkeit ist, die Risiken bei ihren Anlagen zu erhöhen, um eine höhere Rendite zu erzielen. Sie geraten damit aber noch stärker in die Abhängigkeit der Aktienmärkte und die Gefahr, bei einem starken Rückgang der Aktienkurse in eine Unterdeckung zu geraten, nimmt zu. Gleichzeitig erhöhen die ultratiefen Zinsen den Druck im Immobilienmarkt immer wie mehr.
Rückkehr zur Normalität soll nicht lange auf sich warten lassen
Die Wirtschaft und die Finanzmärkte haben sich an die Währungspolitik der SNB gewöhnt und fühlen sich wohl dabei. Sich daraus wieder zu verabschieden, wird nicht leicht sein. Die Wahrscheinlichkeit ist gross, dass der Franken im ersten Moment ähnlich wie nach dem Ende des Euro-Mindestkurses einen Sprung nach oben macht. Dennoch wird die SNB die Rückkehr zur klassischen Zinspolitik irgendwann wagen und den Zinsen ihre Steuerungsfunktion in der Wirtschaft wieder zurückgeben müssen. Sie sollte nach dem Ende der Corona-Einschränkungen und der Erholung der Wirtschaft nicht zu lange damit zuwarten und auch ihrerseits zur Normalität zurückkehren. (SGKB/mc/pg)