SGKB Investment views: Achterbahnfahrt der Zinsen
St. Gallen – Die Banken und die Frage, ob wir nun in einer Finanzkrise sind oder nicht, dominieren die Schlagzeilen. Dass die EZB in ihren Bemühungen, die überbordende Inflation in der Eurozone unter Kontrolle zu bringen, die Leitzinsen am Donnerstag um 0.50% erhöhte, ist nur eine Randnotiz. Informationen über den Zustand der Konjunktur schaffen es nicht einmal bis auf die hinteren Seiten der Zeitungen. In einem solchen Umfeld hat es eine rationale Preisfindung an den Finanzmärkten schwer. Der Bitcoin schiesst in den Himmel. Die Aktien von Firmen, die in irgendeiner Form mit Banken zu tun haben, fallen in ein Loch. Die Zinsen an den Geld- und Kapitalmärkten, sonst eher der gemächliche und wenig emotionale Teil des Finanzmarktes, irren auf der Suche nach Anhaltspunkten orientierungslos umher.
Was an den Zinsmärkten abgeht, ist absurd. Die Rendite der 2-jährigen USTreasury Note, eines der liquidesten Wertpapiere der Welt, fiel von 5.07% auf 3.80%. Innertäglich waren Renditeschwankungen von 0.40% innert weniger Stunden zu sehen. Die Rendite der 10-jährigen Eidgenossen-Anleihe fiel von 1.55% auf fast 0.90%, als ob die Schweizer Wirtschaft kurz vor dem Kollaps stehen würde. Zur Erinnerung: Der Leitzins der SNB steht bei 1.00%. Noch vor einer Woche wurde erwartet, dass die SNB den erwähnten Leitzins bis im Herbst auf 2.50% erhöht, nachdem die Inflationsrate im Februar höher ausgefallen war als erwartet. Wenige Tage später kann sich der Markt mit einer Erhöhung um 0.50% abfinden, bevor die SNB dann aber die Zinsen rasch wieder senken soll – zumindest gemäss den für SARON-Futures bezahlten Preisen. Diese Zinsbewegungen bedeuten bei länger laufenden Obligationen Kursveränderungen von 5% oder mehr. Dagegen ist der Aktienmarkt ein Hort der Stabilität.
Verunsicherung im Bankensektor
Dass in den USA mehrere mittelgrosse Banken geschlossen werden mussten, ist definitiv nicht gut und hat die Kraft, einen Flächenbrand im US-Finanzsystem auszulösen. Dass die angeschlagene Credit Suisse gerettet werden muss, ist ein Desaster. Im Unterschied zur Finanzkrise 2008, als sehr viele Banken weltweit mit den maroden US-Hypothekenpapieren spekulierten und viel Geld verloren, ist aktuell aber jeder Fall anders gelagert. Das Einzige, was sie gemeinsam haben sind Managementfehler und ein mangelndes Risikobewusstsein. Nur am Rande, wenn überhaupt, sind die höheren Zinsen das Problem. Vor zwei Wochen wurde angesichts der guten Abschlüsse 2022 der Banken noch darüber spekuliert, wie viel Geld sie dank den höheren Zinsen verdienen. Ob es noch weitere Banken gibt, die aufgrund des Vertrauensverlustes ihrer Kunden in Schwierigkeiten geraten, lässt sich aktuell nicht abschätzen. Das wird die Märkte weiter verunsichern. Eine breite Welle von Bankkollapsen wie 2008 schliessen wir jedoch aus.
Weiter Zinserhöhungen
Die Abschwächung der Konjunktur ist im Gang. Das zeigt sich an verschiedenen Indikatoren wie den Einkaufsmanagerindizes oder den Produktionsdaten. Für einen Fall in eine tiefe Rezession, der eine rasche Umkehr zu einer expansiven Geldpolitik erfordert, gibt es keine Anzeichen. Die Notenbanken tun deshalb gut daran, die Gefahr einer sich immer stärker in den Köpfen einnistende Inflation nicht aus den Augen zu verlieren. Die EZB war richtig beraten, die Zinsen weiter zu erhöhen. Die SNB muss den Leitzins, der mit 1.00% immer noch sehr tief ist, ebenfalls deutlich anheben. Ein nächster Schritt von 0.50% am Donnerstag ist angebracht. Dass die Fed beim Leitzins am Mittwoch eine Pause auf dem Weg nach oben einlegt, ist möglich. Sie hat die Zinsen im letzten Jahr schon auf ein Niveau gebracht, dass konjunkturbremsend ist. Zudem hat sie bis Mitte Jahr zwei zusätzliche Gelegenheiten, je nach Inflationsentwicklung noch restriktiver zu werden. Wer eine 10-jährige Eidgenossen-Anleihe zu einer Rendite unter 1.00% gekauft hatte, darf sich nicht wundern, wenn Depotauszug Ende Jahr einen grösseren Kursverlust auf dieser Position ausweist. (SGKB/mc/ps