SGKB investment views: An den Finanzmärkten muss man handlungsfähig bleiben
St. Gallen – Der Hype über die Spekulationswelle um den Spiele-Händler GameStop und die Unterhaltungsfirma AMC sprengt alle Grenzen. Da ist zum einen der Aktienkurs, der angesichts der konkursverdächtigen Geschäftsmodelle der Unternehmen in absurde Höhen steigt. Da sind zum anderen die Schlagzeilen, die die Vorgänge in den wenigen kleinen Aktien als die Vorboten des Zusammenbruchs des Finanzsystems hochstilisieren, weil sich ein paar Hedge Funds mit ihren Shortpositionen verspekuliert haben und möglicherweise in den Ruin getrieben werden.
Die Vorgänge rund um GameStop und AMC werden sich wieder beruhigen, ihre Aktienkurse werden wieder zurückfallen. Die Vorgänge sind aber einmal mehr ein gutes Beispiel dafür, wie gefährlich es ist, an den Finanzmärkten ungedeckte Verpflichtungen einzugehen. Die besagten Hedge Funds müssen die leer verkauften Aktien am Abwicklungstermin liefern. Das bedeutet, sie müssen sie vorgängig zu jedem Preis kaufen oder zu jeder Bedingung neu borgen. Ihr Verlustpotenzial ist fast unlimitiert. Die Notkäufe werden den Preis der Aktien noch einmal nach oben treiben, unabhängig von jeder fundamentalen Sinnhaftigkeit. Ein anderes anschauliches Beispiel waren die Vorgänge im amerikanischen Erdölmarkt im April des letzten Jahres. Viele Investoren hatten im Futures-Markt auf steigende Erdölpreise gesetzt und sind über den Kauf von Futures Lieferverpflichtungen eingegangen, ohne dass sie in der Lage waren, das Erdöl am Verfalltermin des Kontraktes physisch zu liefern. Also mussten sie am Tag vor dem Verfall ihre Kontrakte zu jedem Preis verkaufen. Die Folge war ein Erdölpreis von -37 US-Dollar pro Fass.
Extreme kommen immer wieder vor
Die aufgeführten Beispiele sind Extremsituationen, die mit dem Verhalten der allermeisten Anleger nichts zu tun haben. Eine Lehre kann man dennoch davon ableiten: An den Finanzmärkten sollte man unbedingt Situationen verhindern, in denen man unter allen Umständen verkaufen oder kaufen muss. Entsprechend vorsichtig muss man mit dem Kauf von Aktien oder anderen Finanzinstrumenten auf Kredit sein. Verlieren die als Sicherheit für den Kredit hinterlegten Wertpapiere in einer Crashsituation an Wert, fordert die Bank sofort einen Nachschuss.
Kann man diesen nicht aus der Liquidität liefern, müssen im dümmsten Moment Finanzinstrumente zum Tiefstkurs verkauft werden. Diese fehlen in der Gegenbewegung an den Märkten und der Anlageerfolg ist zunichte gemacht. In die gleiche Richtung geht, dass man bei der Festlegung seiner Anlagestrategie die eigene Risikofähigkeit und Risikobereitschaft nicht überschätzen darf. Die Aktienquote sollte so hoch sein, dass man bei einem starken Rückgang der Kurse nicht aus finanziellen Gründen oder aus Angst vor weiteren Kursverlusten seine Aktien verkaufen muss. Im letzten März haben viele Anleger zu tiefen Kursen ihre Aktien aus einem dieser Gründe verkauft. Der Zeitpunkt für den Wiedereinstieg haben die meisten von ihnen verpasst und so die ganze Gegenbewegung verpasst.
Einfache Regeln beachten
Wer an den Finanzmärkten erfolgreich sein will, darf nicht unter Zwang entscheiden müssen. Man muss jederzeit handlungsfähig sein und die Entscheide frei treffen können. Dazu braucht es nicht viel. Das Risiko im Portfolio muss den finanziellen Möglichkeiten angepasst sein. Ungedeckte Verpflichtungen sollten vermieden werden. Bei der Auswahl der Wertpapiere muss auf die Liquidität des Handels geachtet werden. Kann ich den Titel auch verkaufen, wenn die Stimmung am Markt schlecht ist oder trocknet der Handel dann aus, wie es bei vielen Obligationen mit einem grossen Kreditrisiko geschieht? Habe ich mich für eine längere Zeit fix gebunden, wie es üblicherweise bei Alternativen Anlagen wie Hedge Funds oder Private Equity der Fall ist, oder kann ich jederzeit aussteigen? Es sind ein paar einfache Regeln, die man beachten muss. Dann wird man in Börsenturbulenzen zwar kurzfristig auch Buchverluste erleiden, langfristig aber davon profitieren, dass keine Krise ewig dauert. (SGKB/mc/pg)