SGKB Investment views: Das Coronavirus kommt für die Wirtschaft zu einem ungünstigen Zeitpunkt

SGKB Investment views: Das Coronavirus kommt für die Wirtschaft zu einem ungünstigen Zeitpunkt
Thomas Stucki, Chief Investment Officer bei der St.Galler Kantonalbank. (Foto: SGKB)

St. Gallen – Für eine Krankheitsepidemie, wie sie die Welt und vor allem China momentan erlebt, gibt es keinen guten Zeitpunkt. Aber es gibt Momente, wo sie wirtschaftlich besser oder weniger gut verkraftet werden kann. Der aktuelle Ausbruch des Coronavirus trifft die Weltwirtschaft in einem schwierigen Moment auf dem Grat zwischen der Fortsetzung der konjunkturellen Abschwächung und einer Trendwende im industriellen Kriechgang hin zum Besseren.

2019 war ein Jahr mit einem bescheidenen Wirtschaftswachstum. Die USWirtschaft legte 2.3% zu. Das ist im Vergleich zum Wachstum in der Eurozone von 1.0% zwar ansehnlich, genügt den Ansprüchen der Amerikaner aber nicht. Das Bild ist dabei überall das Gleiche. Der Dienstleistungssektor hält sich wacker, unterstützt durch einen soliden Arbeitsmarkt und sichere Einkommen. Entsprechend positiv entwickelt sich der private Konsum. Auf der anderen Seite leidet die Industrie unter dem Handelsstreit und den Strafzöllen der Regierung Trump. Die daraus resultierende Unsicherheit belastet die Investitionstätigkeit der Unternehmen. Dazu kommen ein paar hausgemachte Probleme wie die Auswirkungen des Dieselskandals für die deutsche Autoindustrie oder das Flugverbot und der dadurch verursachte Produktionsstopp für die Boeing 737 Max.

Positiver Ausblick
In letzter Zeit gab es jedoch Anzeichen, dass der Abschwung der Industrie an Kraft verliert. Die vorlaufenden Indikatoren wie die Einkaufsmanagerindizes konnten sich auf einem tiefen Niveau stabilisieren und zeigten zaghaft eine Umkehr nach oben an. Die amerikanische Zentralbank Fed hat in ihrer Einschätzung der Wirtschaft am letzten Mittwoch optimistischere Töne angeschlagen als auch schon. Das gleiche Bild zeigt auch die Januar-Ausgabe des KOFKonjunkturbarometers, welche für das Verarbeitende Gewerbe in der Schweiz eine Erholung feststellt. Im Handelsstreit haben sich die Amerikaner und Chinesen auf einen Waffenstillstand geeinigt, der bis nach den US-Wahlen anhalten wird, was sich positiv auf die Stimmung auswirkt.

Wie gross der wirtschaftliche Schaden durch die Ausbreitung des Coronavirus sein wird, lässt sich heute nicht abschätzen. Wenn die Epidemie innerhalb der nächsten Monate unter Kontrolle gebracht werden kann und sich nicht im grossen Stil auf andere Länder ausbreitet, wird er überschaubar bleiben. Die wirtschaftlichen Einbussen werden in einem solchen Fall erfahrungsgemäss rasch wieder aufgeholt.

Unsicherheit
Aber die Unsicherheit ist momentan gross und trifft neben der Reisebranche und dem Luxusgütersektor wiederum die bereits schwächelnde Industrie. Die Unternehmen stellen geplante Investitionen im Umfeld der Unsicherheit erneut zurück. Zudem werden globale Produktionsketten, welche oft durch China laufen, durch die Abriegelung ganzer Landesteile unterbrochen. Die Firmen müssen ausweichen, was mit höheren Kosten verbunden ist und auf die Nachfrage drückt.

Ich gehe davon aus, dass die Zahl der Erkrankungen in ein paar Monaten deutlich zurückgehen wird, und sich der wirtschaftliche Schaden dadurch in Grenzen hält. Entsprechend erwarte ich nicht, dass es in Europa und in den USA zu einem Einbruch im wirtschaftlichen Wachstum kommt, welches die Fed, die EZB und die SNB zu einer neuerlichen Zinssenkung veranlassen wird. Die konjunkturelle Erholung wird sich durch die Unsicherheit jedoch verzögern, was sich vorübergehend negativ auf die Unternehmensgewinne und damit auf die Aktienkurse auswirkt. (SGKB/mc/ps)

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