SGKB Investment views: Der Boden für die Aktienmärkte ist noch nicht gefestigt

Thomas Stucki, Chief Investment Officer bei der St.Galler Kantonalbank. (Foto: SGKB)

Von Thomas Stucki, CIO der St.Galler Kantonalbank

St. Gallen – Die Aktienmärkte haben eine neuerliche Horrorwoche hinter sich. Viele Aktienindizes haben erneut 5% an Wert verloren, nachdem schon die Vorwoche ähnlich negativ ausgefallen ist. Viele Aktienindizes haben in diesem Jahr zwischen 15% und 20% eingebüsst. Der technologielastige Nasdaq ist gar mehr als 30% im Minus. Die Kursgewinne des letzten Jahres sind weitgehend weggeschmolzen. Da stellt sich die Frage, ob die Aktienmärkte den Boden nun gefunden haben oder wann das der Fall sein wird.

Bei so schnellen und so starken Kursrückschlägen, wie wir sie in den letzten zwei Wochen gesehen haben, ist eine Gegenbewegung wahrscheinlich. Ob sie nur rein technisch ist oder der Beginn einer Erholung sein wird, hängt vom grundlegenden Marktumfeld ab. Dieses wird nach wie vor durch verschiedene Unsicherheitsfaktoren geprägt, deren Lösung hängig ist.

Dauerstress für Anlegerinnen und Anleger
Da ist zum einen die Entwicklung der Inflation. Ob das Top bei den Inflationsraten erreicht ist, muss sich erst zeigen. Was aber in den Daten klar zum Ausdruck kommt, ist die Verbreitung der Preiserhöhungen auf immer mehr Produkte und Dienstleistungen. Die Inflation wird zunehmend akzeptiert, was sich auf das Verhalten der Unternehmen und der Händler auswirkt. «Ich kann ja versuchen, den Preis zu erhöhen», wird normal. Um dieser Haltung entgegenzutreten, stehen die Fed und auch die SNB zu Recht auf die Zinsbremse. Dennoch ist damit zu rechnen, dass die Inflationsraten noch länger über den Vorstellung der Zentralbanken bleiben werden. Die Zinserhöhungen und die zunehmend warnende Kommunikation der Zentralbanken schüren aber Ängste vor einer Rezession, was die Aktienkurse sinken lässt. Die weltweit scharfe Reaktion der Aktien nach der überraschenden Zinserhöhung der «kleinen» SNB war ein anschauliches Bild dafür.

Dazu kommen weitere Problemfelder wie die nicht gelösten Lieferkettenprobleme, die nicht enden wollenden Corona-Lockdowns in China, der sich immer stärker auch zu einem Wirtschaftskrieg mutierende Konflikt in der Ukraine. Dadurch steht die Psyche der Anlegerinnen und Anleger unter Dauerstress und eine ruhige und breite Beurteilung des Umfeldes bleibt aus. Eine solche ist effektiv auch schwierig. Zu vieles ist im Fluss.

Wo sind die positiven Meldungen?
Damit sich die Marktpsychologie ändert, braucht es positive Meldungen. Ein Beispiel dafür wären deutlich sinkende Inflationsraten. Das würde zwar nicht die Zinserhöhungen stoppen, aber den immer schriller werdenden Warnungen vor einem Abwürgen der Konjunktur und dem Schreckgespenst der Stagflation den Boden entziehen. Dass eine restriktivere Geldpolitik die überhitzende Konjunktur schwächt, ist ja eines ihrer Ziele. Um den Inflationsdruck zu senken, muss die Nachfrage nach Gütern und Dienstleistung vermindert werden. Um den Anstieg der Löhne zu bremsen, muss der Arbeitsmarkt schwächer werden. Quartale mit einem negativen Wachstum können dabei nicht ausgeschlossen werden. Eine lange anhaltende Rezession sollte aber mit einem umsichtigen Verhalten der Zentralbanken vermieden werden können. Die Aktienmärkte werden die Wiederbelebung der Konjunktur vorwegnehmen und wieder steigen.

So weit sind wir aber noch nicht. Deshalb wird die Marktpsychologie fragil bleiben. Die Folge sind abrupte Kurswechsel, schwankende Stimmungen und erratische Kursbewegungen. In diesem Umfeld muss man mit aggressiven Käufen von Aktien trotz der tieferen Kurse nicht überstürzen. Wenn man die ersten Prozente des Aufschwungs verpasst, ist das so. Denn die Gefahr weiterer Rückschläge ist genauso wahrscheinlich. Das heisst aber nicht, dass man nichts machen darf. Punktuelle Käufe von Aktien, die sehr stark gefallen sind, und die man auch zu den höheren Kursen des Winters gekauft hätte, sind nicht falsch. Wenn man sie in ein paar Wochen noch billiger kaufen könnte, ist das halt auch so. Wichtig ist, dass mit diesem Verhalten der Anlagerfolg für die nächsten zwei Jahre verbessert werden kann. (SGKB/mc/ps)

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