SGKB Investment views: Die Börse interessiert sich nur am Rande für Politik
St. Gallen – Die Machtübernahme der Taliban in Afghanistan und die chaotischen Zustände am Flughafen von Kabul haben in den letzten Tagen die Schlagzeilen beherrscht. An den Finanzmärkten waren sie aber lediglich ein Pausengespräch. Die Aktienkurse sind zwar gefallen. Das hatte aber nichts mit Afghanistan zu tun, sondern war eine Reaktion auf schwächere Wirtschaftsdaten in China und auf das Protokoll der letzten Sitzung der Fed, in welchem die Reduktion ihrer monatlichen Anleihenskäufe gegen Ende Jahr thematisiert wurde. Einmal mehr wurde klar, dass für die Finanzmärkte das wirtschaftliche Wohlergehen wichtiger ist als politische Ereignisse. Letztere haben normalerweise keine oder nur kurzfristige Auswirkungen auf die Börsenkurse. Klassische Beispiele sind die schnelle Erholung der Aktien nach dem überraschenden Ausgang der Brexit-Abstimmung oder nach der Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten.
Politische Ereignisse sind für die Börsen dann relevant, wenn sie nachhaltig die Entwicklung der Weltwirtschaft beeinflussen. In der Vergangenheit waren das Konflikte im Nahen Osten, die die Versorgung der Industrieländer mit Erdöl in Frage stellten. Seit die USA mit dem Fracking ihre Versorgung mit Erdöl über die heimische Produktion sicherstellen, hat auch diese Region börsentechnisch an Bedeutung verloren. Das Potenzial für eine markante und vor allem nachhaltige Beeinflussung der Aktienmärkte im negativen Sinn hätte eine Eskalation des Streits zwischen den USA und China. Eine militärische Besetzung Taiwans würde an den Börsen ein Beben auslösen, weil es das Ende oder zumindest eine massive Einschränkung der Handelsströme zwischen China und den westlichen Industrieländern zur Folge hätte.
Robuste Anlagestrategie
Für die Anlegerinnen und Anleger bedeutet das, dass sie ihre Anlagepolitik und ihre Anlageentscheide auf die Entwicklung der Wirtschaft ausrichten müssen. Der Kern ihres Portfolios sollte aus Aktien von Unternehmen bestehen, die über die Wirtschaftszyklen hinaus Gewinne schreiben können. Nach Rezessionen können sie um das Kernportfolio herum ihre Aktienquote erhöhen, um von der wirtschaftliche Erholung zu profitieren. Läuft die Konjunktur heiss, sind Gewinnrealisationen angebracht, weil ein wirtschaftlicher Abschwung wahrscheinlich wird.
Sich im Hinblick auf politische Ereignisse zu positionieren, bringt dagegen wenig. Auf das Ergebnis von Abstimmungen oder Wahlen zu wetten, ist reine Spekulation. Diese kann naturgemäss aufgehen oder auch nicht. Sich aus Angst vor politischen Unsicherheiten zu konservativ auszurichten, ist auf die Dauer auch teuer. Weil politische Ereignisse meistens überraschend auftreten, kann man nicht kurz davor die Aktienquote herunterfahren, sondern muss immer eine zu tiefe Aktienquote halten. Da die Aktienkurse im Trend steigen, summieren sich über die Zeit die Opportunitätsverluste. Zudem zeigt, wie eingangs erwähnt, die Erfahrung, dass Kurseinbrüche aufgrund politischer Ereignisse kurzlebig sind und am besten ausgesessen werden.
Ausschlusskriterien beachten
Das heisst nicht, dass man politische Risiken vollständig ausblenden darf. Es ist sinnvoll, Anlagen zu meiden oder zumindest in Grenzen zu halten, die der Willkür von politischen Gremien oder Einzelpersonen ausgesetzt sind. Beispiele dafür sind Anlagen in Erdöl oder in chinesischen Aktien. Über die Erhöhung und Senkung seiner Förderquote kann Saudi-Arabien den Ölpreis jederzeit in die gewünschte Richtung treiben. Die letzten Wochen haben gezeigt, dass die chinesische Regierung keine Skrupel hat, die unternehmerischen Freiheiten zu geben und zu nehmen, wenn es den eigenen Interessen nutzt. (SGKB/mc/ps)