SGKB investment views: Die erste Etappe ist vorbei, die zweite wird schwieriger
St. Gallen – In dieser Woche folgen die letzten Zinsentscheide der Zentralbanken in diesem Jahr. Am Mittwoch wird die Fed beginnen, am Donnerstag folgen Schlag auf Schlag die SNB und die EZB. Zinserhöhungen werden keine mehr erwartet. Vielmehr werden die Analysten aus den Beurteilungen der geldpolitischen Lage herauslesen wollen, wann die Zinsen wieder sinken. Die Zentralbanker werden davor warnen, dass die Risiken bei der Inflation nach oben und nicht nach unten verteilt sind. Sie werden davon sprechen, dass es noch zu früh sei, an der Zinspolitik etwas zu ändern und dass man mit Zinssenkungen noch lange zuwarten werde. Ob die Finanzmärkte ihnen zuhören, ist eine andere Frage, wenn man die an den Märkten eingepreisten Erwartungen von raschen und starken Zinssenkungen anschaut. Ich bin wie die Zentralbanker auch der Meinung, dass rasche Zinssenkungen nicht nötig und damit auch nicht wahrscheinlich sind. Zinserhöhungen stehen aber nicht mehr zur Debatte. Daher lohnt sich ein Blick zurück auf die erste Etappe im aktuellen Zinszyklus.
Die Zentralbanken haben die Inflationsgefahr unterschätzt, das ist keine Frage. Die meisten, die jetzt mit dem Finger auf sie zeigen, übrigens auch. Ob die Inflationsraten weniger stark gestiegen wären, wenn die Zinserhöhungen ein Jahr früher angefangen hätten, ist alles andere als sicher. Der Inflationsschub wurde nicht durch die expansive Geldpolitik der letzten Jahre ausgelöst, sondern durch die in ihrem Ausmass einmaligen Fiskalprogramme der Staaten während der Corona-Pandemie. Diese haben zur Nachfrage-Explosion nach dem Ende der Lockdowns geführt. Dass diese Nachfrage auf ein durch die Lieferkettenprobleme eingeschränktes Angebot traf, hätte auch durch eine restriktive Geldpolitik nicht verhindert werden können. Das gleiche gilt für den Anstieg der Energiepreise nach dem Ausbruch des Krieges in der Ukraine.
Konsequentes Handeln der Zentralbanken wirkt
Nach dem verschlafenen Start haben die Zentralbanken die Zinsen aber konsequent erhöht. Die Fed hat den Leitzins innert sechzehn Monaten um mehr als 5% angehoben. Das gab es letztmals 1980. Die SNB hat den Leitzins in einem Jahr um 2.50% erhöht. Das ist für ihre Verhältnisse viel in kurzer Zeit. Das geht etwas vergessen, weil der Zins mit 1.75% tiefer ist als bei früheren Zinszyklen. Beim letzten Zinserhöhungszyklus verteilte die SNB die gleiche Zinserhöhung auf drei Jahre. Nach anfänglichem Zögern hat auch die EZB kräftig an der Zinsschraube gedreht.
Die restriktive Geldpolitik zeigt Wirkung. Die Konjunktur schwächt sich wie gewünscht ab, ohne dass es bisher zu einem starken Wirtschaftseinbruch geführt hat. Die Ausnahme ist Deutschland, wobei dort weniger die Geldpolitik als die strukturellen Probleme und die Energieabhängigkeit der deutschen Industrie der Treiber sind. Das Momentum bei der Inflationsentwicklung konnte dagegen gebrochen werden. Die Inflationsraten sind, auch dank Mithilfe wieder tieferer Energiepreise, deutlich gesunken. Die erste Etappe des Zinszyklus, der Weg nach oben, hat holprig begonnen, aber ein überzeugendes Ende gefunden.
Zinsen rechtzeitig senken
Herausfordernd wird die zweite Etappe. Im Unterschied zu der Schweiz sind die Zinsen in den USA und in der Eurozone auf einem Niveau, welches für die Wirtschaft auf Dauer zu hoch ist. Die Zinsen müssen daher im nächsten Jahr in diesen Regionen nach unten genommen werden. Die Markterwartungen diesbezüglich sind aber zu hoch. Diese zu zügeln, ohne dass es zu Verwerfungen an den Finanzmärkten kommt, die sich negativ auf die Realwirtschaft auswirken, ist eine kommunikativ schwierige Aufgabe. Wenn es gelingt, die Zinsen rechtzeitig wieder zu senken, bevor die Wirtschaft zu stark gebremst wird, ohne neue Inflationsängste zu wecken, weil die Geldpolitik zu expansiv sei, dann können wir den Zentralbanken auch für die zweite Etappe ein gutes Zeugnis ausstellen. (SGKB/mc/ps)