St. Gallen – Die Inflationsrate in der Schweiz ist im Oktober auf -0.3% und damit auf den tiefsten Stand seit Ende 2016 gefallen. Gemäss Definition ist das Deflation und entspricht nicht mehr der Preisstabilität, welche die Nationalbank gemäss ihrem Hauptauftrag erfüllen muss. Die SNB definiert diese mit einer Inflationsrate zwischen 0% und 2%. Muss die SNB jetzt reagieren und ihren Leitzins senken?
Der Fall der Inflationsrate in den negativen Bereich wird die SNB nicht überraschen. In ihrer letzten Inflationsprognose im September hat sie für das vierte Quartal eine Abschwächung der Inflation erwartet. Zum Rückgang haben neben den Pauschalreisen ins Ausland vor allem die naturgemäss stark schwankenden Nahrungsmittelpreise beigetragen. Was der SNB aber zu denken geben wird, ist der Trend in der Inflationsentwicklung. Vor einem Jahr stiegen die Preise noch um 1.2%. Seither ist die Inflationsrate stetig und mit steigender Geschwindigkeit gesunken. Während die Preise der inländischen Produkte stabil blieben, sind die Importgüter 1.5% billiger geworden, auch aufgrund des im Vergleich zum Vorjahr stärkeren Frankens.
Stabilisierung der Zinslandschaft
Dennoch ist es nicht angebracht, dass die Nationalbank jetzt ihren Leitzins senkt, um mit einer noch expansiveren Geldpolitik die Inflation zu fördern. Das Umfeld hat sich in den letzten Wochen verändert. Der Franken ist seit dem Sommer handelsgewichtet 2% billiger geworden, was sich positiv auf die Importpreise auswirken wird. Geändert haben sich auch die internationalen Zinserwartungen. Die Fed hat am letzten Mittwoch die Zinsen noch einmal gesenkt. In ihrem Ausblick hat sie jedoch festgehalten, dass es vorderhand keine weiteren Zinssenkungen mehr geben wird. Wenn sich der Zustand der US-Konjunktur nicht dramatisch verschlechtert, werden die US-Zinsen länger auf dem aktuellen Niveau bleiben. Es ist gut möglich, dass der nächste Schritt wieder nach oben sein wird. Auch die EZB dürfte nicht mehr mit der grossen Zins- und QE-Keule ausholen. Zu laut war das interne Murren im EZB-Rat an der letzten Sitzung. Um den Handelsstreit und den Brexit ist es auch ruhiger geworden. All das führt dazu, dass der Druck für einen stärkeren Franken nachgelassen hat.
Druck auf SNB
Zudem werden die Kollateralschäden der Negativzinsen immer grösser und offensichtlicher. Das erhöht den politischen Druck auf die SNB und ihre Unabhängigkeit. Solange es der Schweizer Wirtschaft nicht wirklich schlecht geht und die Arbeitslosenzahlen steigen, wird die SNB kaum mit einer Verstärkung der Negativzinsen Öl ins politische Feuer giessen. Mit einer Zinssenkung würde sie den Banken ein gutes Argument liefern, die Negativzinsen stärker an die Kunden weiterzugeben. Hinzu kommt, dass mehr als eine oder maximal zwei Zinssenkungen für die SNB nicht mehr möglich sind, ohne die grosse Flucht in das Bargeld auszulösen.
Wenn sich der Franken in den nächsten Monaten einigermassen still verhält und der befürchtete Absturz der Weltwirtschaft ausbleibt, wie ich es erwarte, wird die Inflationsrate von selber wieder in den positiven Bereich steigen. Es gibt für die SNB keinen Grund, jetzt an der Zinsschraube zu drehen. (SGKB/mc/ps)