Von Thomas Stucki, CIO der St.Galler Kantonalbank
Dass es die vierteljährlichen geldpolitischen Entscheide der SNB in den letzten Jahren in Sachen Spannung mit Hitchcock aufnehmen konnten, ist eine masslose Übertreibung. Dass an den Zinsen nichts geändert wurde, war eh klar und auch sonst hielten sich die Neuigkeiten im Bericht in sehr engen Grenzen. Selbst die Inflationsprognose war eine Fortschreibung des Vorquartals. Das ändert sich ab dem nächsten Donnerstag.
Eine Zinserhöhung ist am Donnerstag noch nicht zu erwarten. Dafür ist der Inflationsdruck in der Schweiz nicht gross genug. Ein Vorpreschen gegenüber der EZB, die im Juli mit ihren Zinserhöhungen beginnen wird, ist nicht nötig. Das Augenmerk wird sich deshalb auf die Inflationsprognose der SNB richten. Wie stark wird sie diese anheben und geht sie weiterhin von einem Zurückfallen in die Komfortzone unter 2% im nächsten Jahr aus? Die Antwort auf diese Fragen wird wichtige Hinweise geben, wann und wie schnell die SNB den Leitzins anheben wird und wann die Negativzinsen in der Schweiz Teil der Geschichtsbücher sind.
Start der Zinserhöhungen
Neben der eigenen Inflationsprognose ist natürlich, wenn auch unausgesprochen, das Verhalten der EZB ein wichtiger Entscheidungsfaktor für die SNB. Nach den Aussagen von Christine Lagarde wird die EZB ab Juli ihre Zinsen an jeder Sitzung um 0.25% oder bei Bedarf gar um 0.50% erhöhen. Ende Jahr wird der Refinanzierungssatz der EZB, zu dem die Banken bei ihr Geld leihen können, daher mindestens bei 1.00% sein. Wenn die SNB die Zinsdifferenz zur EZB bei den in der Zeit vor den Negativzinsen üblichen 1.00% bis 1.50% halten will, wird sie bis Ende Jahr den Leitzins von aktuell -0.75% auf -0.25% anheben. Der erste Zinsschritt wird dabei nicht 0.50% umfassen. Für eine so starke Notbremse gibt es keinen Grund, weder inflationstechnisch noch währungsbedingt. Die Fed und die Bank of England sind auch mit einer Erhöhung von 0.25% gestartet, obwohl die Inflationsdynamik in ihren Ländern viel stärker ist. Deshalb wird die SNB ab September im Quartalsrhythmus ihren Leitzins um jeweils 0.25% anheben.
Ende der Negativzinsen im Sommer 2023
Damit zeigt die SNB, dass sie auf den Anstieg und die Verbreitung des Inflationsdruckes reagieren will. Mit höheren Zinsen können die Wirtschaft und der Immobilienmarkt umgehen. Einerseits hat der Kapitalmarkt die Zinserhöhungen der SNB bereits vorweggenommen, andererseits ist das absolute Zinsniveau im historischen Vergleich immer noch sehr tief. Der Mangel an Fachkräften und die Probleme bei den Lieferketten beschäftigen die Unternehmen mehr als höhere Finanzierungskosten. Die Aufwertungsfantasien für den Franken werden sich ebenfalls in Grenzen halten. Wie momentan der Euro dürfte auch der Franken im Vorfeld der ersten Zinserhöhung der SNB etwas stärker werden. Dieser Effekt wird schnell verpuffen, da die Zinsen in den anderen Währungsblöcken parallel zu den Franken-Zinsen ebenfalls weiter steigen werden.
Bleibt noch die Frage, wann wir uns von den Negativzinsen verabschieden. Gemäss unserem Fahrplan für die SNB wird der Leitzins im nächsten Juni mit 0.25% wieder ein Plus vor der Zahl haben. Im Geld- und Kapitalmarkt ist dies für Laufzeiten von mehr als einem Jahr bereits jetzt der Fall. (SGKB/mc/ps)